Das Bild von Jesus Christus

Nowosibirsk, 4. März 2015. Wegen des Vorwurfs der Schändung religiöser Symbole müssen sich der Intendant des Opernhauses im russischen Nowosibirsk und der Regisseur einer dortigen "Tannhäuser"-Inszenierung in dieser Woche vor Gericht verantworten. Das meldet die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf russische Medien.

Demzufolge beschuldigt die Staatsanwaltschaft den Intendanten Boris Mezdritsch sowie den Opernregisseur Timofej Kuljanin, mit der Inszenierung der Wagner-Oper das "Bild von Jesus Christus" öffentlich geschändet und damit eine Ordnungswidrigkeit begangen zu haben. Mezdritsch und Kuljanin drohen Geldbußen und bis zu 120 Stunden gemeinnützige Arbeit.

(SZ / geka)

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Kommentare  
Anklage in Russland: geltendes Recht
Das Blasphemie-Gesetz ist geltendes Recht dieses Landes.
Ansonsten wünsche ich den beiden einen fairen Prozess!
Anklage in Russland: alles tutti oder wie?
Was für ein Kommentar! Im Kalifat ist die Scharia geltendes Recht, also alles tutti oder wie?
Anklage in Russland: best work of the past season
(Offenbar ist das weniger interessant als die Betonung russischer Nachnamen auf Berlinerisch in der Stuttgarter Idiotendiskussion.)

Der Anklagevorwurf durch den russisch-orthodoxen Metropoliten in der Tannhäusersache wirkt abenteuerlich, also plausibel, und wird (während der wegen des laufenden Verfahrens) auf der englischsprachigen Website des Opernhauses nicht kommentiert. Allerdings findet sich in einem Hinweis auf eine hochgehandelte Auszeichnung dieser Produktion schon 2014 http://www.opera-novosibirsk.ru/news/index.php?rnw:e=4&rnw:id=2029 folgende Beschreibung der inkriminierten Inszenierung:

"The "Tannhauser" opera premiere suggests new quality of the NGATOiB company, immense breakthrough in musical interpretation and a new name advent in the opera directing. The young director Timofey Kulyabin, maximally transforming the plot, however, managed to keep the essence of the Wagnerian drama, making it accessible and understandable to the public. The story of sinner Tannhauser with powerful religious overtones transforms into the story of an ingenious director, who filmed "The Venusberg" (according to one of the versions, supposedly about the unknown, sinful life of Jesus Christ in his youth). This production is about artist's creative boundaries, his responsibility and temptations, about criticism and guild fellows. At long last, it is about sin and redemption at the expense of life. The unusual production, enforced by A. Rubikis' circumspect, refined and at the same time emotional and psychologically strong music interpretation - all of this suggests the production to be named the best work of the past season" - wrote "Music review".

Man könnte mutmaßen, dass die inhaltliche Verschachtelung (Film-in-der-Oper als Werk einer maximal transformierten fiktionalen Figur, zusätzlich Diffusion durch mehrere "Versionen"?) dem Intendanten eines Staatstheaters genug juristische oder scheinjuristische Verteidigungsmöglichkeiten bieten dürfte. (Brechtzitate stecken auch keine drin.)

Nur vertraut man ungern auf die politische Unabhängigkeit des Rechtsapparats einer pseudodemokratischen totalitären Oligarchie - zumal s.u. von einem "Mitglied des Innenministeriums" als weiterem Kläger die Rede ist.

(Die bei Bekanntwerden Ende Februar genannte "erste Reaktion" des Opernhauses vgl. http://magazin.klassik.com/news/teaser.cfm?ID=11593&nachricht=Opernregisseur Timofej Kuljanin droht Blasphemie-Anklage , in der auch Zensurbefürchtungen zur Sprache gekommen sind, findet sich heute auf der Homepage nicht.)
Anklage in Russland: und sein Erbarmen ist kein Spott
„Hoch über aller Welt ist Gott, und sein Erbarmen ist kein Spott!“
Wahrscheinlich müssen Regisseur und Intendant nun 120 Stunden lang für die Gnade der Orthodoxen Russischen Kirche Priesterstäbe zum Ergrünen bringen.
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