Reißt die Mauern der Tradition ein!

von Matthias Weigel

Berlin, 8. Oktober 2014. Entweder – oder. Wenn man sich dafür entscheidet, Kunst und Kultur öffentlich zu finanzieren, dann muss man akzeptieren, dass Kunst-Stätten wie Theater nicht nach marktwirtschaftlichen Regeln "sinnvoll" mit Geld umgehen. Kunst ist per definitionem immer verschwenderisch. Natürlich müssen Theater haushälterisch sorgfältig bilanzieren, und auch die eine oder andere Eigeneinnahme schadet nicht (so wie die Polizei ein bisschen Bußgeld zum Haushalt beisteuert). Aber das darf allenfalls ein Nebeneffekt sein. Ansonsten wird die Kunstfreiheit schon im Keim erstickt. Wollen wir Stadttheater, dann dürfen sie in ihrer inhaltlichen Ausformung nichts und niemandem verpflichtet sein, weder Kulturpolitikern noch Auslastungszahlen, weder Abonnenten noch Klassikern, weder Kritikern noch selbstauferlegten Premierenanzahlen. Die einzige Verpflichtung ist, diese Freiheit von Verpflichtungen auch zu nutzen.

Kunst funktioniert nicht per Controlling

Besucherzahlen sind daher auch mit Abstand die schwächsten Kriterien, mit denen man die Arbeit eines Theater beurteilen kann. Es gibt für Theater keine statistisch messbaren "Kennzahlen", eine Stadtverwaltung kann die Qualität ihres Theaters nicht in Zahlen abrufen. Nicht ohne Grund ist Kunstwahrnehmung und -beurteilung – das, was wir hier auf nachtkritik.de ja auch versuchen – ein Berufsbild, das professionelle (Seh-)Erfahrung und intensive Auseinandersetzung erfordert. Schon über eine einzige Inszenierung scheiden sich oft genug die Geister – wie soll ein Kommunalpolitiker da eben mal den Erfolg eines Stadttheaters beurteilen?

stadttheaterdebatte weigel c thomas haentzschel frank vincentzStadttheater unter dem Druck der Finanzen: das Volkstheater Rostock (umkämpft) und das Schauspielhaus Wuppertal (bereits abgewickelt). © Thomas Häntzschel, Frank Vincentz

Diese Autonomie, die Theater haben und haben müssen, heißt natürlich nicht, dass sie ruhig leer bleiben können. Möglichst viele Leute ins Theater zu bewegen, muss aber zuallererst und allein im Interesse der Kunst sein, denn sie existiert nicht ohne ihre Rezeption. Kein Künstler kann wollen, dass sein Schaffen nicht wahrgenommen wird. Doch nicht nur jeder Politiker, sondern auch jeder Intendant, der mit Auslastungszahlen seinen Erfolg begründen will, müsste seines Postens enthoben werden, da er sich anscheinend besser auf den privatwirtschaftlichen Musical- oder Unterhaltungstheaterbetrieb versteht. Jedenfalls stellen sich Theater mit der stolzen Verkündung von Auslastungszahlen mehr in Frage, als sie es durch inhaltliche Diskussionen tun würden, da sie fatalerweise auf die völlig falschen Kriterien eingehen.

Kopf auf für die Welt

Kaum einer würde der Aussage widersprechen, dass man sich das öffentlich finanzierte Theater grundsätzlich als einen Ort der gesellschaftlichen Reflexion wünscht, als einen Ort des Nachdenkens über das lokale wie globale Zusammenleben. Also als einen überaus luxuriösen Raum, in dem die Besucher nicht den alltäglichen Verwertungsstrukturen, den Zwängen eines materiellen Effizienzdrucks unterworfen sind, sondern innehalten können, um sich der individualethischen oder gesellschaftspolitischen Hygiene zu widmen. Dementsprechend wäre die allererste Aufgabe von Theaterschaffenden, solche Gedanken, Ideen und Themen zu erspüren, zu suchen, zu ergründen, zu finden, zusammenzutragen. Um sie in einem zweiten Schritt entsprechend künstlerisch zu bearbeiten.

Im öffentlich finanzierten Theater sollen künstlerisch tätige Gesellschaftsseismographen arbeiten, die weltsensibel und weltoffen sind, um eben jene Fragen, Probleme und Themen zu erkennen, die dringlich und wert sind, öffentlich verhandelt zu werden. Zweierlei Anforderungen also: einerseits eine künstlerische Begabung, andererseits aber auch eine Verbindung zur Welt, global wie auch lokal. Wenn sich die Lebensrealität von Theaterschaffenden ausschließlich im Theaterbetrieb abspielt, entsteht daraus bereits ein Problem.

Nicht nur Schauspieler ausbilden, sondern Persönlichkeiten

Ein Theaterensemble ist etwas Tolles: Es bedeutet ja erstmal nicht mehr als feste Anstellungen für Theaterschaffende. Man muss sich vielleicht nur neu überlegen, wen man anstellt. Ein zeitgemäßes Theater jedenfalls braucht Schauspieler, die nicht nur prima Rollenbiographien erfinden und sich Figuren anverwandeln können, sondern die auch mitbekommen haben, warum in den Nachrichten dauernd von Ukraine, Syrien und Gaza die Rede ist.

Ein Theater braucht ein Schauspielensemble der Diversität mit klugen Persönlichkeiten, die sich fürs Weltgeschehen genauso interessieren wie fürs Schauspielen, für soziologische Theorien und Tanzbewegungen, für Gangster-Rap, Entwicklungsländer, Kommunalpolitik und Ökosysteme; die moderieren können, präsentieren, interviewen, tanzen, schauspielen, performen, vortragen und vermitteln können. Hier hinken auch jene Institutionen hinterher, deren ästhetischer Einfluss auf die Theaterlandschaft vielleicht zu oft unterschätzt wird: die Schauspielschulen und Theaterakademien. Wie soll sich das Stadttheater entwickeln, wenn sich die "reguläre" Theaterausbildung nicht weiterentwickelt? Und wie soll sich die Theaterausbildung weiterentwickeln, wenn immer noch nach Rollen-Vorsprechen eingestellt wird, und nicht nach Persönlichkeit?

Transparenz und Visionen in der künstlerischen Leitung

Genauso braucht ein Theater Dramaturgen, die sich mit welthaltigeren Fragen als mit den Unterschieden dreier Shakespeare-Übersetzungen auseinandersetzen; es braucht Dramaturgen, die die Welt kennen, die Themen unserer Gesellschaft aufspüren, Ideen haben, Talente entdecken, einladen, kennenlernen, aussortieren, zusammenfügen, ordnen, komponieren; und die auch in Räumen, Konstellationen, Präsentationsweisen und Sozialexperimenten denken. Es braucht Regisseure, die nicht primär möglichst schnell Theaterkarriere machen wollen, indem sie das reproduzieren, was sie als Hospitanten gelernt haben oder was gerade bei Intendanten mutmaßlich gut ankommt. Sondern die eigene Themen und Sprachen entwickeln und künstlerische Visionen einbringen.

Theater braucht Dramatiker, die sich nicht nur ganz allein in die Natur setzen, um für sich etwas aufzuschreiben. Sondern Dramatiker, die ihre dem Schreiben vorausgehende Weltbeobachtung direkt ins Theater tragen, dort thematisieren, und dann – wie Bühnen- und Kostümbildner oder Musiker – ihr spezifisches Wissen oder Können in eine gemeinsame künstlerische Arbeit einbringen. Und Theater braucht keine künstlerischen Leiter, die vor allem gute Politiker sind – das kann die Öffentlichkeitsarbeit oder die Geschäftsführung übernehmen –, sondern künstlerische Leiter. Und Theater braucht selbstverständlich keine skrupellosen Geschäftsmänner als Geschäftsführer, sondern – wie eigentlich jeder öffentlich finanzierte Bereich – zuallererst eine grundsätzlich offengelegte, transparente Geldvergabe, wodurch sich derzeitige Frechheiten durch ungleiche Verteilung von selbst erledigen sollten.

Das Regime der "alten Texte"

Wie kann dann die Arbeit eines auf diese Weise zeitgemäß besetzen Theaters aussehen? Was sollte in den öffentlich finanzierten Stadt- und Staatstheatern stattfinden? Aus der medialen Ausdifferenzierung der letzten Jahre und Jahrzehnte folgt eine Grundthese: dass das Medium Theater auf seine spezifischen Besonderheiten und Stärken im Vergleich zu anderen Medien setzen muss; und seine oben geschilderte Freiheit. In fast allen Stadttheatern läuft zur heutigen Stunde aber ganz konkret immer noch eine Kuriosität ab: Anstatt sich einer Idee oder eines Themas zu widmen, zieht man immer wieder Jahrhunderte oder Jahrtausende alte oder "neue" Texte aus den Regalen, um sie "auf die Bühne zu bringen". Das gesamte Vorhaben immer noch fast ausschließlich an einem Text auszurichten, der später mal auf der Bühne gesprochen werden soll, wirkt doch recht eingeschränkt angesichts eine Mediums, in dem so ziemlich alle anderen Medien und Mittel arrangiert werden können und längst werden.

stadttheaterdebatte weigel klassiker c ju ostkreuz arno declair uKlassiker zum Saisonstart 2014: Shakespeare in Stuttgart (Richard III.) und Tschechow in Bochum (Onkel Wanja). © JU/Ostkreuz, Arno Declair

Warum geht man bis heute in den Stadttheatern so selten von einer Situation (nicht Drama), einer These (nicht Figur), einem Ort (nicht Bühnenbild), einer Atmosphäre, einer Zuschauer-Akteurs-Konstellation, einer Bewegung, einem Gefühl, einer Aktion, einer Temperatur, einem Geräusch, einer Struktur aus? Warum nimmt man sich nicht die Zeit, von Mal zu Mal wieder ganz grundlegend zu befragen, auf welche Art und Weise ein relevanter Gedanke überhaupt öffentlich verhandelt werden soll? Es ist doch gerade die Besonderheit des Theaters, dass es als einziges alles in seiner Fülle vereinen und gleichberechtigt gestalten kann. Was natürlich nicht heißt, dass nur noch Bühnen-Laien "dokumentarisch" auf der Bühne stehen sollen. Im Gegenteil: Es muss endlich eine vielseitigere ästhetische Erfahrung ermöglicht werden, die ihre reichen Möglichkeiten ausschöpft.

Platz schaffen für alle Spielarten

Die besten und spannendsten Theaterarbeiten der letzten Zeit waren eben jene, die sich all ihrer Dimensionen bewusst waren. Die gängige Realität ist jedoch, dass sich gerade an den mittelgroßen Stadt- und Staatstheatern eine völlig unhinterfragte Vorstellung von "Theater" überlebt: Die größten Fragen sind dort, welche Tschechow-Übersetzung man verwendet oder ob man Hamlet nicht auch mal als Frau besetzen könnte. Besieht man die Spielpläne, dann hat sich daran auch mit den zahlreichen Wechseln der Intendanzen zu dieser Spielzeit wieder nichts geändert. Dabei sollte die Möglichkeit, von einem geschriebenen Drama ausgehend Schauspieler auf einer Bühne zu inszenieren, doch keine höhere Priorität einnehmen als die Möglichkeit einer politischen Aktion, einer zweijährigen Milieu-Recherchearbeit, einer Podiumsdiskussion, einer bestimmten Anordnung von Material und Körpern im Raum, einer Intervention im öffentlichen Raum, einer Vortragsreihe, einer Aneignung fremder Orte in der Stadt, einer performativen Installation, eines interaktives Spiels, einer grenzüberschreitenden Provokation, einer berührend erzählten Geschichte oder einer anderen sinnlichen Wahrnehmungserfahrung. Man muss das Textverbühnisierungstheater nicht abschaffen. Aber man muss Platz schaffen – und öffentlich finanziertes Budget – für all die anderen Spielarten des Theaters. Die einzige Verpflichtung der Freiheit ist, die Freiheit zu nutzen.

Woran hakt es also? An Strukturen, Förderinstitutionen, Gremien, Medien? Seit geraumer Zeit liegt zumindest eine Unruhe in der Luft, mit ein paar vorpreschenden Akteuren auf der einen und vielen verunsicherten, defensiven auf der anderen Seite. Letztere sagen meist: Wenn wir sowas machen, kommt das Publikum nicht. Dies oder das funktioniert in unserer Stadt, jenes aber nicht.

Es ist ein Kuriosum, dass praktisch jedes Stadttheater sein Publikum sehr genau zu kennen scheint und weiß, was man ihm "zumuten" könne. Dabei haben sich die Theater über Generationen hinweg einfach nur ein ganz bestimmtes Milieu ins Haus geholt, und dieses erwartet natürlich eine gewisse Konstanz und Fortführung. Aber ihr wirkliches Publikum können Theater überhaupt nicht kennen, da in der Regel nur zehn Prozent des potentiellen Publikums jemals im Theatergebäude war. Auch wenn das Theater nie eine "Mehrheit" erreichen wird, darf es sich nicht damit zufrieden geben, immer nur die gleiche (in der Regel ältere, finanznahe) Minderheit zu erreichen. Das allgemeine Bedürfnis, etwas über sich und die Gesellschaft zu erfahren und sich darüber auszutauschen, ist groß. Die meisten kommen nur nicht auf die Idee, damit ins Theater zu gehen.

Die Aktualitätsvortäuschungen

Denn die Stadttheater haben ein ganz bestimmtes Bild von sich geprägt, dass sich durch eine einzige "andere" Produktion nicht eben mal ändert. Sie haben extrem hohe Schwellen um sich herum aufgebaut, außerhalb derer nur noch wenige verstehen, was da drin vor sich geht. Durch kontextlose Parolen oder knallige Farben allein wird sich das auch nicht ändern. Im Gegenteil: Wenn die Theater nach außen hin so tun, als wären sie Pop und Diskurs, unter dem Spielplanmotto (Achtung, überspitzt:) "Wir wollen uns mit Krieg, Kapitalismus, Rassismus und Globalisierung auseinandersetzen" dann aber steht: Shakespeare, Tennessee Williams, Heinrich von Kleist; dann ist das schwer nachzuvollziehen.

stadttheaterdebatte weigel anti klassiker c matthias horn c heiko marquardt frischefotos uHaben auch ihre Probleme mit den Klassikern: die Akteure bei René Pollesch in Zürich und
Ahmed Soura bei Christoph Winkler in Berlin. © Matthias Horn, Heiko Marquardt/Frischefotos

In jeder noch so alten Geschichte mag vielleicht ein Punkt stecken, den man zur Metapher für heutige Zustände erklären kann. Doch damit tut man meistens nur den alten Geschichten einen Gefallen, aber nicht denen, die sich für heutige Zustände interessieren. Außenstehende müssen bei dieser Art von Aktualitätsvortäuschung denken, anscheinend zu dumm zu sein, zu unkultiviert, zu normal, zu weltzugewandt, zu heutig, zu realitätsinteressiert, um das Theater zu verstehen. Wie sonst sollen sie sich erklären, dass man im Theater nicht (direkt) über die Themen spricht, sondern umständliche Umwege geht?

Profaniert eure Häuser mit Playstation und Pool

Wahrscheinlich müsste man die Images der Theater mindestens erst ein Jahr lang komplett löschen, bevor man sie wieder neu beschreiben kann. Vielleicht müsste man erst ein Jahr lang Partys und Konzerte veranstalten und Schwimmbäder und Playstations aufstellen, damit der Ort profaniert wird und sich wieder durchmischte Bevölkerungsgruppen mit einigermaßen neutralen Gefühlen und Haltungen darin bewegen können (auch wenn das allein durch die Architektur in vielen Theatern grundsätzlich schwer werden dürfte). Wenn man dann von Null an mit der künstlerischen Arbeit beginnt, werden natürlich auch wieder viele gehen – es soll ja auch nicht um mehrheitsfähige Populärkultur gehen. Aber es wäre ein erster Anfang, ein neues Publikum überhaupt erst mit zeitgemäßem Theater in Kontakt zu bringen. Der Kampf gegen eine größer werdende Schere zwischen Arm und Reich ist untrennbar verbunden mit einem Kampf gegen die sich vergrößernde Kluft in (kultureller) Bildung. Es braucht daher mehr begleitende Vermittlung und niedrigere Schwellen, und zwar jenseits von Jugendclubs für die Kinder der Abonnenten.

Warum nicht einfach anfangen? Von einem flächendeckenden Aufbruch zu einem zeitgemäßen Theater hält nichts ab. Wer behauptet, es gäbe jenseits des Doppelpass-Fonds kein Geld für "solche Projekte", der muss nur das vorhandene Geld anders verteilen. Es liegt immer an den ausübenden Menschen selbst. Jeder Stadttheatermacher hat es zu jeder Sekunde in der Hand, welches Theater er oder sie macht. Ich möchte die Intendanten sehen, die nicht verlängert werden, weil sie zwar ein fundiertes, visionäres, gesellschaftlich progressives Konzept verwirklicht haben, aber leider keine 40 Klassiker-Dramenpremieren vorweisen konnte. Dann hätte man viele gute Gründe in der Hand, Sturm zu laufen. Dann würde die Politik endlich mit dem Rücken zur Wand stehen, weil sie gegen unbequeme Kunst vorgeht. Mit welchem Argument hingegen und mit welcher Empörung soll man bequeme Bildungsbürgerunterhaltung verteidigen, die auf ihre Auslastungszahlen stolz ist? Irgendwann bleiben dann nur noch die Arbeitsplätze der Schauspieler und Angestellten als letztes Erregungspotential, wenn der Schließungshammer fällt. Wenn nur noch der Arbeitsplatzerhalt genannt wird, dann ist eines sicher: dass sonst nichts aufgebaut wurde, was verteidigt werden kann.

Bruch mit den Kartellen

Wann kommt endlich der Aufbruch zu einem zeitgenössischen Stadt- und Staatstheater? Ein sanfter Übergang, der seit Jahren in Aussicht gestellt wird, passiert jedenfalls bislang nicht. Also muss es einen Bruch geben. Ganz praktisch heißt das, dass bestehende Machtgefüge aufgelöst oder zumindest (in regelmäßigen Abständen) ersetzt werden müssen. Festangestellte Spielleiter können nicht monatelang abwesend sein, um zusätzlich woanders Honorare einzustreichen und Seilschaften zu stärken. Ein Anfang wäre, dass sich die gegenwärtigen IntendantInnen nicht mehr länger in Auswahlkommissionen gegenseitig installieren. Interessenskartelle müssen verhindert werden. Vor Wahlen müssen kulturpolitische Programme genau dargelegt werden. Kein Politiker dürfte verlangen, dass das Theater populär zu sein habe, und jeder Politiker müsste sich dafür stark machen, dass die Theater für ein potentiell durchmischtes Publikum Theater machen.

Jeder Theatermacher muss fair entlohnt werden, und kein am Theater tätiger Künstler darf "einfach nur seinen Job machen" wollen. Strukturelle Gründe dürfen nicht als Ausreden für bestimmte Ästhetiken herhalten, und es liegt an jedem Theatermitarbeiter, sich in jeder Sekunde bewusst zu entscheiden. Kein Theater soll sich je für etwas rechtfertigen müssen, aber jedes Theater muss sich zu jeder Zeit seiner Freiheit bewusst sein und sie nutzen. Nur dann hat es gute Argumente, warum es dieser Freiheit nicht beraubt werden darf. Wenn die Theater aber in vorauseilendem Gehorsam auch in Zukunft das Spiel der Politik, der Effizienz und des restaurativen Kanonhüters mitspielen, werden sie sich dadurch früher oder später in wirklich existenziellen Diskussionen wiederfinden.


weigel kleinMatthias Weigel, 1986 in Marktredwitz geboren, ist Theaterkritiker und Redakteur von nachtkritik.de. Er studierte Theater- und Medienwissenschaft in Erlangen und arbeitet als freier Kultur- und Videojournalist und sowie im Bereich Crossmedia in Berlin. Website: www.mweigel.com

 

Mehr zur Stadttheaterdebatte: Alle bisherigen Beiträge sind im Dossier zur Stadttheaterdebatte gesammelt.

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