Presseschau vom 10. Oktober 2014 – Die Berliner Morgenpost spricht mit dem Schaubühnen-Chef Thomas Ostermeier

Furchtbar und verkrampft

Furchtbar und verkrampft

10. Oktober 2014. Die Berliner Morgenpost hat anlässlich der heutigen Buchvorstellung des Gesprächsbandes "Ostermeier backstage" in der Schaubühne (Buchkritik hier) noch einmal mit dem Schaubühnen-Chef Thomas Ostermeier gesprochen. Wenn er andere Bühnen besuche (und das tue er häufig), sitze er oft "da drin und verzweifele. Es ist oft so furchtbar und verkrampft." Da werde "gegreint, gestemmt, gebrüllt, gelitten, geheult. Und dabei wird dann noch geglaubt, das sei eine Punk-Haltung." Ihm täten "die Schauspieler so leid, weil sie auch diesem Missverständnis unterliegen, sie müssen stets einen Ausbruch spielen. Was ist denn unser Mainstream heute im Theater dieser Tage? Der x-te Aufguss von Theateravantgarden der letzten 30 Jahre." "So bescheuert", sein eigenes großes Vorbild Einar Schleef "zu kopieren", sei er zum Beispiel nie gewesen.

Die von ihm kreierten Figuren seien hingehen "leicht". Er habe "eher eine hedonistische Haltung zur Kunst. Ich mag eine Kunst, die Humor hat. (...) Theater ist ein erzählendes Medium. Wenn es bei uns aber leicht und narrativ ist, gilt es reaktionär." Er gehe dabei von seinen eigenen Erfahrungen aus: "Ich will das, was ich in meinem Leben erfahre, in eine Form bringen."

Regisseure seien eigentlich "überflüssig. Sie sind Handwerker, sie sind keine originären Künstler – mit einigen großartigen, allen bekannten Ausnahmen selbstverständlich". Er selbst sei "zufällig zu diesem Beruf gelangt" und habe sich "nie als Regisseur gesehen". Aber er weiß, was einen Regisseur auszeichnet: "Ein Regisseur muss die Begabung haben, viele Menschen in einem Raum, die viel Angst haben und sehr im Stress sind, kreativ zu kriegen." Man könne "nur aus dem Widerstand heraus etwas produzieren. Und aus Wut, Wut gegenüber anderen, auch Wut gegenüber sich selber." Manchmal habe er das Gefühl, in Berlin zu wenig anerkannt zu sein, "aber wenn ich mir dann die Kritiken über die anderen Häuser durchlese, denke ich: Denen geht es genauso schlecht."

(ape)

 

Hier entlang zu den Nachtkritiken der letzten Ostermeier-Inszenierungen an der Schaubühne: Die kleinen Füchse (Januar 2014), Der Tod in Venedig / Kindertotenlieder (Januar 2013), Ein Volksfeind (September 2012). Hier entlang zur Buchkritik von André Mumot über den Gesprächsband Ostermeier backstage.

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Presseschau Ostermeier: Selbstwahrnehmung
Der Mann muss unter einer Störung der Selbstwahrnehmnung leiden. Wer einmal seinen Hamlet gesehen hat, weiß wie dort "gegreint, gestemmt, gebrüllt, gelitten, geheult" wird. "Und dabei wird dann noch geglaubt, das sei eine Punk-Haltung."
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