Presseschau vom 4. Dezember 2014 – Frankfurts Intendant Oliver Reese über seinen designierten Wechsel ans Berliner Ensemble
Intimes Theater
Intimes Theater
4. Dezember 2014. Den Journalisten Claus-Jürgen Göpfert und Christian Thomas von der Frankfurter Rundschau (4.12.2014) steht Frankfurts Intendant Oliver Reese heute Rede und Antwort zu seinem für 2017 anstehenden Wechsel in die Leitung des Berliner Ensembles.
Der in Frankfurt überaus erfolgreiche Reese muss im Gespräch dem Eindruck vorbeugen, dass die Mainmetropole künstlerisch irgendwie weniger attraktiv ist als Berlin, so scheint es: "Die Berliner haben Berlin zu bieten. Die Berliner haben die Tradition dieses Theaters zu bieten. Wir Theaterleute sind traditionsbewusste Menschen." Der Reiz, am Haus von Brecht, Müller, Zadek, Wilson und Peymann zu arbeiten, habe den Ausschlag für Berlin gegeben. Auch hat Reese einen griffigen Merksatz für die gängigen Wechselroutinen im Theaterleitungsgeschäft parat: "Wir haben Ewigkeitsansprüche nur beim Heiraten: Bis dass der Tod uns scheidet. Ansonsten haben wir berufliche, befristete Verabredungen auf Zeit. Intendanten wechseln, Schauspieler gehen."
Kein Ibsen mehr
Während er in Frankfurt Stadttheater "in seiner ganzen Breite" einzurichten hatte, werde er das Berliner Ensemble stärker profilieren müssen, nämlich als Bühne für neue Dramatik: "Ich habe nicht vor, Ibsen zu spielen. (...) Ich glaube, dass wir Autoren für das Theater begeistern müssen, die in letzter Zeit lieber für den Film, für das Fernsehen oder Prosa geschrieben haben. Wir müssen eine Art Aufbauarbeit machen, um das Stückeschreiben wieder zukunftsfähig zu machen. Im Moment ist das ein bisschen ein Nischenprodukt geworden", sagt Reese. Die räumlichen Voraussetzungen am Berliner Ensemble seien dafür optimal: "Die Bühne ist intim, ideal fürs Sprechtheater. In Frankfurt können Sie zum Beispiel Schauspieler nie so inszenieren, dass die sich anschauen, wenn sie miteinander reden. Sie müssen den Text in Richtung Publikum sagen, sonst verstehen Sie ihn akustisch nicht, weil der Bühnenraum so riesig ist."
(chr)
Wir halten Sie auf dem Laufenden
Wir sichten täglich, was in Zeitungen, Onlinemedien, Pressemitteilungen und auf Social Media zum Theater erscheint, wählen aus, recherchieren nach und fassen zusammen. Unterstützen Sie unsere Arbeit mit Ihrem finanziellen Beitrag.
mehr medienschauen
meldungen >
- 17. April 2024 Autor und Regisseur René Pollesch in Berlin beigesetzt
- 17. April 2024 London: Die Sieger der Olivier Awards 2024
- 17. April 2024 Dresden: Mäzen Bernhard von Loeffelholz verstorben
- 15. April 2024 Würzburg: Intendant Markus Trabusch geht
- 15. April 2024 Französischer Kulturorden für Elfriede Jelinek
- 13. April 2024 Braunschweig: LOT-Theater stellt Betrieb ein
- 13. April 2024 Theater Hagen: Neuer Intendant ernannt
- 12. April 2024 Landesbühnentage 2024 erstmals dezentral
neueste kommentare >
-
Olivier Awards 2024 Wunsch
-
Wasserschäden durch Brandschutz Es dauert
-
Wasserschäden durch Brandschutz Fragen eines lesenden Laien
-
TheatreIST-Festival Türkei Toller Bericht
-
Rücktritt Würzburg Nachtrag
-
Leser*innenkritik Anne-Marie die Schönheit, Berlin
-
Erpresso Macchiato, Basel Geklont statt gekonnt
-
Erpresso Macchiato, Basel Unverständlich
-
Leserkritik La Cage aux Folles, Berlin
-
Medienschau Arbeitsstelle Brecht Ein Witz?
nachtkritikcharts
dertheaterpodcast
nachtkritikvorschau
Eine Förderung der Gegenwartsdramatik ist absolut sinnvoll und richtig. Und es gibt eigentlich kein Haus welches diese sich explizit auf die Fahnen schreibt. In krassem widerspruch stehen dazu all die Wettbewerbe und Stückemärkte. Diese fördern aber eben nur die UA und meist nur die jungen, den Hype. Wie viele gereifte ältere Dramatiker sind bei den vielen UAs überhaupt vertreten? Würd mich tatsächlich mal ne Zahl interessieren. Jedenfalls würde es mich interessieren wenn es jenseits von Loher, Rinke, Schimmelpfennig im deutschsprachigen Raum mal heissen könnte: Ah das neue Stück von....... Das würde auch etwas mehr inhaltlichkeit zurückbringen und etwas von den Regiefixierten Mitteldiskussionen wegführen.
Wenn Reese das schafft oder auch nur einen Anstoß in diese Richtung gibt, ist doch super. Dann verzeih ich ihm sein teilweise etwas Design/Gefälligkeitstheater in Frankfurt.
Ich bin übrigens deutlich U40 :-)
http://www.haz.de/Nachrichten/Kultur/Theater/Ein-Banker-geht-durch-die-Hoelle
Aber Walburg arbeitet ja seit dem mit Stockmann weiter. Passt vielleicht besser als Frankfurt. Aber Interesse hatte Reese schon auch. Sonst wär S. ja gar nicht Hausautor geworden.
Dass angebliche kulturelle Institutionen den deutschen Zeugniswahn in der Kunst der Dramatik weitertreiben, zeigt , dass der Staat es vorzieht, sich seine Dramatiker_innen zu züchten, anstatt "freie Autoren" an seinen meist städtischen Eigenbetrieben zur Aufführung kommen zu lassen.
Sollte also dem Herrn Reese hier an einem großen Theater einmal für ein paar jämmerliche Jahre auf allen Ebenen - große Bühne, kleine Bühne - ein Querschlag gelingen, dann wäre das fast schon eine dramatische Revolution im Betriebssystem deutscher Theater.
Nur wagen muss er es, WAGEN! Und seine Mitstreiter offen sein, für das, was noch nicht erkundet ist.