Pegida im Mittelrang

von Falk Schreiber

Hamburg, 17. Dezember 2014. Am Beunruhigendsten waren vielleicht die Claqueure. Die AfD-Anhänger, die Dirk Nockemann, als Mitglied der Schill-Partei kurzzeitig hanseatischer Innensenator und heute auf Listenplatz drei der AfD für die Hamburger Bürgerschaftswahl im Februar, ins Thalia Theater mitgebracht hatte, auf dass sie seine Position bei der Podiumsdiskussion "Was darf die Kunst? Was darf die Gesellschaft?" stützten. Wobei diese Unterstützung vor allem bedeutete, dass sie Nicolas Stemann böse mit "Geht’s auch neutraler?" ins Wort fielen, dass sie Thalia-Intendant Joachim Lux als "Staatskünstler" titulierten, und dass sie die Ausführungen der Kampnagel-Chefin Amelie Deuflhard mit Hohngelächter kommentierten. Pegida-Stimmung im Mittelrangfoyer.

Rettung des Abendlande?

Eigentlich hatte das Thalia zur Diskussion geladen, weil die AfD Deuflhard angezeigt hatte: Die lässt auf Kampnagel Refugees in einer Kunstinstallation überwintern, was von den Rechtspopulisten als Verstoß gegen Aufenthaltsbestimmungen gewertet wurde. In Wahrheit, das schloss Moderator Lars Haider vom Hamburger Abendblatt messerscharf, war die Anzeige vor allem ein PR-Trick: Die AfD versucht, Wähler am ganz rechten Rand abzugreifen, und Kampnagel bekommt derweil gute Presse. "Eine Win-win-Situation!", sekundierte Joachim Lux galgenhumorig, nicht ohne sofort wieder ernst zu werden – die AfD sei sehr wohl gefährlich. "Die Pegida behauptet, es gehe ihr um die Rettung des Abendlandes", konkretisierte Stemann und vermischte damit unzulässig rechte Bürgerbewegung und rechte Partei. "Und da muss man sagen: Leute, ihr sägt gerade an den Fundamenten des Abendlandes!" Zumindest solange man Abendland mit Begriffen wie Menschlichkeit, Mitgefühl und Solidarität verbindet. Was Nockemann nicht macht: "Ich sage nicht, dass ich das Abendland rette. Ich weiß gar nicht, was das sein soll, das Abendland."

Was muss die Kunst?

Und so ging die Diskussion hin, zwischen rechts und links, zwischen Befindlichkeit und Provokation, zwischen Kunst und kalter Juristerei. "Was darf die Kunst?" Grenzen austesten, sagten die auf dem Podium versammelten Künstler. "Die Künstler basteln sich ihre kleine Welt, was da draußen passiert, ist ihnen verhältnismäßig wumpe!", blaffte Nockemann. Und zu Deuflhard: "Wir haben hier Kunstfreiheit, die ist ein hohes Gut. In den Gesellschaften, die Sie importieren wollten, bekommen Sie, wenn Sie auf die Kunstfreiheit pochen, nicht nur eine Anzeige, dann bekommen Sie ganz schnell richtig Ärger!" Deuflhard entsetzt: "Wollen Sie mir drohen?", Tumult im Publikum, es fielen die Worte "Mohammed-Karrikaturen", die Rechten lachten höhnisch. Was darf die Kunst? Was muss die Kunst?, könnte man ja auch fragen.

 

Was darf die Kunst? Was darf die Gesellschaft?
Podiumsdiskussion im Thalia Theater Hamburg am 16. Dezember 2014
Moderation: Lars Haider
Mit: Amelie Deuflhard, Joachim Lux, Dirk Nockemann, Nicolas Stemann, Sieghard Wilm.

 

 

 

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