Presseschau vom 7. April 2015 – Die FAS über den neuen Opern-Boom

Zeichen des Selbstbewusstseins?

Zeichen des Selbstbewusstseins?

7. April 2015. Von einem neuen Opern-Boom berichtet Ralph Bollmann in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (5.4.2015). Mindestens ein Dutzend neugebauter, repräsentativer Opernhäuser habe seit der Jahrtausendwende in Europa seine Pforten geöffnet – Generalsanierungen oder Wiederaufbauten nicht mitgerechnet. 

"Kaum etwas dokumentiert das Selbstbewusstsein einer Stadt, einer Region oder eines ganzen Landes besser als ein prachtvolles Operngebäude. (...) Nicht zuletzt können sich Politiker und Sponsoren damit selbst ein Denkmal setzen." Doch was sind die ästhetischen Gründe für den Opern-Aufschwung, während in den Siebzigern das Sprechtheater dominierte?

Für alle – aus der Mittelschicht

"Die scheinbar antiquierte Oper passt wegen ihrer multimedialen Qualitäten so gut ins digitale Zeitalter wie kaum eine andere Spielart der überkommenen Hochkultur. Musik und Text, Bühnenbild und Schauspielkunst vermischen sich zu einer Art virtuellem Gesamtkunstwerk – und befriedigen doch die Sehnsucht nach körperlicher Präsenz." Dazu sei der Opernbetrieb einerseits viel globalisierter als Schauspiel, er lasse aber im Vergleich zum Konzert mehr Alleinstellungsmerkmale zu. So fahre wohl kaum einer nach Oslo für ein Konzert oder ein Schauspiel, das er/sie nicht verstehe – wohl aber für eine Opernauffühung.

Trotzdem sei das Versprechen einer "Oper für alle" heute brüchig geworden. "Das zeigt der Widerstand, der sich mancherorts gegen die Neubauprojekte richtete." "Nach den wenigen Untersuchungen, die es zur sozialen Zusammensetzung des Opernpublikums gibt, werden die Häuser eher von der gebildeten Mittelschicht aufgesucht. Sie zahlt den größten Teil der Steuern, und sie nimmt mit ihrem Bildungs- und Partizipationsanspruch den größten Teil der staatlichen Leistungen selbst in Anspruch." Das heiße aber auch: "Das abgehängte Prekariat, das sich am öffentlichen Leben oder an Wahlen nicht beteiligt, bleibt eben auch dem Opernhaus fern."

(mw)

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