Presseschau vom 10. April 2015 – Die Süddeutsche Zeitung befragt den entlassenen Rostocker Intendanten Sewan Latchinian

Der Kulturkampf geht weiter

Der Kulturkampf geht weiter

10. April 2015. Die Erregung über die Causa Sewan Latchinian ebbt nicht ab. Für die Süddeutsche Zeitung (10.4.2015) hat Mounia Meiborg nun den entlassenen Rostocker Intendanten befragt. Am nächsten Montag berät die Bürgerschaft darüber, ob seine Entlassung womöglich rückgängig gemacht werden soll. "Ich würde mich sehr freuen für die Hansestadt, (...) wenn sich die Meinung durchsetzt, dass meine Entlassung rückgängig gemacht wird", so Latchinian. Die "eigentliche Ursache" der Entlassung sei "die noch nicht wirklich zu Ende geführte Strukturdebatte."

Die knappe Mehrheit für die Spartenschließung sei "in dem Missverständnis entstanden, dass es alle vier Sparten weiterhin geben könnte und zwei der Sparten künftig einfach mehr koproduzieren." Inzwischen hätten die Mitglieder der Bürgerschaft aber verstanden, "dass es auf eine Schließung von zwei Sparten hinausläuft." Er erhalte Signale aus der Bürgerschaft, dass die Abstimmung bei Wiederholung jetzt anders ausfallen würde. "Das haben wir in den letzten Wochen erreicht, auch durch Einzelgespräche mit Politikern." Wo die "gerade noch funktionierende, bescheidene, dünn besiedelte Theaterlandschaft" Mecklenburg-Vorpommerns zerstört werden solle, müsse man "erklären, was Kultur ist, was Kulturpolitik ist", "die Politiker mitnehmen und uns in ihre Köpfe hineinversetzen, wenn wir diesen Kulturkampf gewinnen wollen."

Auf die Frage, ob ihm "schon bei der Bewerbung klar" gewesen sei, dass es in Rostock schwierig werde, antwortet Latchinian: "Gesucht wurde ein charismatischer Theaterleiter für ein Vier-Sparten-Haus für fünf Jahre. Am Rande der Vertragsvereinbarungen hieß es, ich bekäme zwei Jahre Zeit, um zu beweisen, dass die vier Sparten sinnvoll sind." Dann habe er nicht mal eine Woche bekommen: "Der Kulturminister Mathias Brodkorb begrüßte mich mit den Worten: 'Ihr Theater gibt es für mich schon gar nicht mehr.'" Die mit seiner Intendanz gesteigerten Einnahmen und Besucherzahlen hätten offenbar bloß gestört, weil damit nachgewiesen würde, "dass ein Vier-Sparten-Theater eine Zukunft hat". Angesichts der Tatsache, dass Rostock als größte Stadt Mecklenburg-Vorpommerns prosperiere und die Steuereinnahmen sprudelten, sei es "völliger Quatsch, dass das Theater in Rostock nicht mehr finanzierbar sein soll."

(ape)

 

Für nachtkritik.de führte Christian Rakow am Tag nach der Entlassung ein Gespräch mit Sewan Latchinian. Georg Kasch kommentierte die Entscheidung und sagte: was Oberbürgermeister Roland Methling tut, "ist gewagt – und mutwillig".

Die Chronik zum Fall des Rostocker Volkstheaters unter Sewan Latchinian: alle Meldungen und Debattenbeiträge.

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