Presseschau vom 12. August 2015 – Zwei Meinungen zur Anti-Blackfacing-Entscheidung der New Yorker Metropolitan Opera

Othello bleibt weiß

Othello bleibt weiß

12. August 2015. Die New Yorker Metropolitan Opera hat Anfang August bekanntgegeben, in einer Neuinszenierung der Verdi-Oper "Othello" im September den Sänger der Titelrolle nicht schwarz zu schminken. Othello soll von dem lettischen Tenor Aleksandrs Antonenko gesungen werden, der in einem Promotiontrailer im Frühjahr noch mit stark bronzierter Haut zu sehen war.

In dem sie das Blackfacing beziehungsweise den Verzicht darauf ins Zentrum stelle, lenke die Metropolitan Opera von einem mindestens ebenso wichtigen Punkt ab, schreibt die kanadische Opernregisseurin Aria Umezwa in Kanadas zweitgrößter Tageszeitung The Globe and Mail (7.8.2015). "Aleksandrs Antonenko wurde von der Met für eine der wenigen Titelpartien besetzt, die nach einem schwarzen Sänger verlangen." Die Met spreche von farbenblindem Casting. Ich nenne das Weißwaschen." Das sei speziell im Opernbetrieb problematisch, da dieses "Weißwaschen" einer "schwarzen" Rolle impliziere, dass es keine People of Color gebe, eine dieser raren Möglichkeiten eines diversen Castings adäquat ausfüllen zu können.

Für den amerikanischen Sprachwissenschaftler John McWhorter wirft die Entscheidung der Metropolitan Opera auf der Internetplattform Politico (10.8 .2015) die Frage auf, "wie lange wir noch insistieren wollen, dass eine Geste beleidigend ist, weil sie etwas in uns "hervorruft". Um noch ernstzunehmende Erinnerungen an die rassistischen Praktiken der Minstrelshows zu haben, müsse man mittlerweile hundertjährig sein. Trotzdem berufe man sich auf diese Erfahrung und lehne jede Form von Blackfacing immer noch ab. Vielleicht aber wäre auch eine Art des Umgangs mit Erfahrung, "zur Kenntnis zu nehmen, dass Ausdrucksformen unterschiedliche Bedeutungen in unterschiedlichen Zeiten und Kontexten haben können". Man könne braune Haut bei einem weißen Darsteller als Teil des Kostüms verstehen. "Wenn also jemand einen schwarze Mann in Italien spielt, und selbst nicht schwarz ist, dann sollte er braune Haut haben, ebenso, wie ein Mann, der eine Frau spielt, sich rasiert oder, sofern er einen Londoner spielt, die britische Aussprache lernt."

(sle)

 

Kommentare  
Presseschau Othello Met: unüberlegt
Ist der "schwarze Mann in Italien" denn kein Italiener? Und wie sieht nochmal ein Italiener aus? Ist das absurd. Es gibt keine weisse, braune oder schwarze Haut. Höchstens karierte. Und es gibt auch Frauen mit Haaren unter den Achseln und an den Beinen. Eine solche Art soll's tatsächlich auch geben. Mensch, ist das alles unüberlegt. Von einem Sprachwissenschaftler! Blablabla.
Presseschau Othello Met: klingonisch
ach so, ich habe noch etwas vergessen. Es gibt sicher auch Londoner, die Spanisch sprechen. Oder Klingonisch.
Presseschau Othello Met: mehr Mühe bitte
Liebe Inga,
leider reden Sie immer ohne zu denken. Wahrscheinlich können Sie gar nicht denken, oder wollen es auch nicht. Warum die Redaktion immmer noch Ihren Senf veröffentlicht, bleibt ein wohlgehütetes Redaktionsgeheimnis und ist auch vielleicht auch nur pathologisch zu erklären.(...) Wissen Sie überhaupt, wer John McWhorter ist? Wissen Sie, zu wem er spricht, wenn er von "wir" spricht. Meinen Sie wirklich, es trägt irgendwie zur Klärung der Frage bei, wenn Sie mit ihrem beschränkten weißen Verstand und Blickfeld hier so tun, als wären Sie tolerant, argumentieren aber von einer herablassenden, weißen, westlichen Haltung aus, die lieber die Unterschiede wegradieren möchte, als sich mit Ihnen auseinandersetzen zu müssen. Wenn Sie sich wenigstens die Mühe gemacht hätten, mal zu schauen, wer dieser "Sprachwissenschaftler" eigentlich ist, bevor sie hier losbrabbeln und das Niveau sofort ins Unterirdische abstürzen lassen. Sie brauchen auch nicht zu antworten. Ich verzichte dankend.
Unfreundliche Grüße
Presseschau Met Othello: konstruiert
@ Murielle A.: Das hätte ich jetzt nicht erwartet. So eine Reaktion. Was habe ich Ihnen getan, dass Sie mich so runtermachen müssen? Sie lesen hier doch erstmal nur meine Worte. Sie interpretieren Zeichen, ohne mich wirklich zu kennen. Und diese Sprache, die ist das Problem und die Lösung zugleich - das sprachliche Zeichensystem. Es gibt auch keine "bronzene" Haut. Für mich muss alles, was wir sprachlich konstruieren, von vornherein scheitern. Weil es seine Bedeutung innerhalb von Zeichensystemen erlangt, welche Realität konstruieren und zugleich dekonstruieren. Mein Witz ist also zugleich scherzhaft und ernsthaft, liebevoll ernsthaft, gemeint. Brabbeln ist das Beste, was uns Menschen passieren kann. Dann würden wir uns vielleicht auch nicht so missverstehen. Herzliche Grüße. (...)

https://www.youtube.com/watch?v=I7Y4Abtf7_A
Presseschau Met Othello: sehr kühn
Wie McWhorter so schön bemerkt: schreiben tötet die Sprache. In klammern LOL. Ich finde seinen Beitrag sehr kühn, aber als Argument hilfreich. Schwarze Hautfarbe als Kostüm ist sowohl ein theaterpraktischer Gedanke, der viele Werke 'spielbarer' macht, er betont auch, dass die Wirkung der Hautfarbe eines Menschen eben sehr klar konstruiert oder designed ist - insofern ist der Gedanke, es gäbe höchstens karierte Haut ein frommer, wiewohl angesichts des nicht mal latenten WASP Rassismus höchst naiver. McWhorters Vortrag ist geradezu versöhnlich. Speziell für diejenigen, die das Theaterzeichen der Hautfarbe aus eigener Erfahrung, eigener verletzter nicht neutral nehmen können. Hanno Rauterberg hat jüngst geschrieben, Kunst komme von sollen. Sie so nicht vormoralisch. Niemals wertfrei. Sie hat immer einen ethischen kontext. Nicht bloß einen idealistischen.
Presseschau Met Othello: Mensch und Handlung
Ist denn das, was den Menschen ausmacht, sein Äußeres oder seine Sprache? Klar, wenn keiner spricht, beurteilen wir uns erstmal nur nach dem Äußeren. Eine Kommunikation oder auch Konfrontation kommt dadurch aber nicht zustande. Ich habe auch mal gelernt, dass das, was eine Theaterfigur UND natürlich auch einen Menschen ausmacht, seine Handlungen sind. Handlungen treiben Geschichte(n) voran. Oder nicht? Othello ist ja nicht deswegen interessant, weil er schwarzer Hautfarbe ist, sondern weil er aus eifersüchtiger Liebe bzw. verletzter Eitelkeit heraus tötet. Na ja, interessant. Schon wieder so ein Theater-Wort.
Presseschau Othello Met: zum nicht veröffentlichten Kommentar
Warum unterdrücken Sie meinen Kommentar, werte Nachtkritik? Ist das kein falsches Signal? (…)

(Liebe Murielle A., Kommentare, die außer einer Beschimpfung eines/einer anderen User*in nichts enthalten, veröffentlichen wir in der Tat nicht, um die Diskussionsstränge nicht noch durch diese Scharmützel zu belasten. Herzlich wb)
Presseschau Othello Met: das Schweigen hinter dem Text
Wenn bei einer Begegnung, in der zunächst das Äußere des Anderen/Fremden beurteilt wird, nicht gesprochen wird, bedeutet dies keineswegs, dass deshalb nicht kommuniziert würde oder eben keine Konfrontation stattfindet. (Es gibt keine Nicht-Kommunikation! Jeder Schauspieler weiß das!!!) Und es bedeutet daher auch nicht, dass es vor, nach und während der Begegnung k e i n e Handlung gäbe. Es sind dies konkret Handlungen, die zu einer konkreten Begegnung führen und konkrete Handlungen, die dazu führen, dass sie – in Ihrem Beispiel - schweigend verläuft und konkrete Handlungen, die dazu führen, dass die Konfrontation - die JEDE Begegnung mit einem Anderen zwangsläufig sein muss!, da bereits die Begegnung mit dem eigenen Ich eine Konfrontation ist, so verläuft, dass sie nicht im Sinne einer physischen Aggression verstanden wird/verstanden werden kann. Auf das Theater bezogen bedeutet dies lediglich, dass Theatermacher sich oft, zu oft im Moment m.E., dieser weniger offensichtlichen Handlungen, die hinter einem Schweigen liegen, nicht detailliert bewusst sind. Und sie deshalb nicht konkret darzustellen vermögen. Oberflächlich kritisch betrachtet und beschrieben sieht es deshalb aus, als gäbe es im Theater kaum mehr Handlungen. Und aus diesem Grund kaum mehr Handlungs-Spielräume. Und dann werden Theatertexte eben tendenziell geschwätzig. Weil Theaterleute denken, da passiert dann etwas auf der Bühne, wenn sie sich für geschwätzige Texte, die mit Schweigen nicht bewusst umgehehen, entscheiden. Vielleicht sollte man darüber nachdenken, ob Handlung, wie sie im Moment im Fachbereich Theater/Literatur verstanden wird, wirklich die Geschichte – im Sinne einer Narration – vorantreibt. Oder, ob das Theater als Darstellendes Medium nicht eher dazu da ist, aus der Geschichte diejenigen Handlungen heraus zu treiben, die in ihr eben auch, u.a., verborgen sind. In dem Schweigen hinter ihrem Text…Das macht das Regietheater mit den Klassischen Texten exzessiv seit Jahren und das hat dem Theater und der Theaterkunst, auch dem Publikum vermutlich, viel Gewinn gebracht! Das mittlerweile erreichte Extrem des Regietheaters ist hierbei die theatrale Auflösung des Klassischen Textes durch erspielte eigenproduzierte Texte: wir sehen es an Polleschs Inszenierungen und bei zahlreichen, performativen Projekttheatern, aber auch Uraufführungen von Texten, die zu diesem Zweck extra übersetzt wurden aus einer Fremdsprache z.B. Ein Problem scheint zu sein, dass im Moment im Theater zu oft Geschichte und Text als Begriffe gleichbedeutend gesetzt werden. Nicht gleichwertig wichtig handlungstreibend (im konservativen Fachbereichssinn, nicht im psychologischen wie eingangs erörtert) für einen BÜHNENText. Sondern eben gleichbedeutend. So, als wäre es einerlei, ob sich eine Regie nur der Sprache ODER der Geschichte, der Fabel, die als Kern einzig wesentlich ist, annimmt. Das scheint mir im Moment ein schwerwiegender theaterkritischer, also dramaturgischer, Fehler zu sein. Würde er behoben, würde das Theater auch zeitgenössische Dramatik finden. Nicht nur Theatertexte, die es pausenlos als Neue Dramatik präsentiert und von denen sie gleichzeitig nicht veranlasst, und zwar im Sinne von getrieben, ist, sie durch seine Formen und darstellerischen Möglichkeiten zu deklinieren. Um diese dabei zu erweitern oder zumindest wirklich auszuschöpfen. Das beschert uns dann das Betriebs-Phänomen der Romanadaptionen für die Bühne, die aber immer ein textliches Manko ODER sinnliches Manko im Theater-Genuss hinterlassen, sobald sie sich mit den originalen literarischen Ausgangstexten messen lassen müssen… Ich wüsste da keine Lösung, außer der unausweichlichen Konfrontation des Theaters und des Literaturbetriebes mit Zeitgenössischer Dramatik. Unabhängig davon, ob diese Konfrontation als konkrete Handlung unmittelbar sichtbar wäre oder nicht.
Presseschau Othello Met: Motivationen
Liebe Inga, was bitte ist eifersüchtige Liebe? Tötung aus Liebe ist interessant und Eifersucht kann auch interessant sein als Tötungsmotiv, obgleich ziemlich banal und verletzte Eitelkeit ist sehr interessant als vorgeschobenes Motiv für eine Tötung deren eigentliche Gründe man nicht kennt oder verschweigen möchte. Es wäre interessant zu prüfen, was von diesen Motivations-Möglichkeiten auf Othello zutreffen könnte...
Presseschau Othello Met: Unmut und Verzweiflung
JA, aber was schlagen Sie für Alternativen vor? Wie soll man denn hier seinen Unmut (und auch seine VERZWEIFLUNG) über die Verstopfung jeglicher Debatte (…) artikulieren? Das ist doch keine Beschimpfung, sondern Protest. Ich finde, Ihr Argument (und die daran geknüpfte Veröffentlichungspraxis) greifen zu kurz.

(Liebe Murielle A., ich sehe leider momentan keine Alternative. Vielleicht muss man über verstopfte Debatten schnell hineweglesen, oder man muss versuchen, die Debatte durch eigene Beiträge zu "entstopfen". Herzlich wb)
Presseschau Othello Met: Matrix der Figur
Vieles bildet einen Menschen in den eigenen und den anderen Augen aus. Doch ist Sprache besonders menschlich. Das Tier, das spricht. Sprache prägt unseren Blick auf das Reale zur Realiät, also dem gewerteten Realen. Der Einfluss der Sprache kann kaum unterschätzt werden. Lacan hält sogar das Unterbewusste für sprachlich gebildet. Wie ich über einen Menschen anderer Hautfarbe denke, ist etwa erkennbar wie ich mich zu Begriffen verhalte. Z.b. schwarzer, neger, nigger etc. Also bildet Sprache mich und den anderen für mich. Sprache ist zudem, das dürfte Konsens sein, eine echte Handlung. Sie ist eine Aktion. Und eine ziemlich geschichtentreibende. Bsp. Otello. Jago operiert weit über Sprache, um den Verdachtsplot zu erschaffen. Der ohne seine wortwörtlichen Einflüsterungen nicht existierte. Sprechunterricht ist für Schauspieler wichtiger als Fechtunterricht. Auch: natürlich ist bedeutsam, dass Otello schwarz ist. Das ist wie das Judentum von Shylock oder die Hexen von Macbeth die Matrix der Figur. Einmal ganz banal aus der Zeit heraus: Rassismus und die Kolonisation fallen ja eben zusammen. Shakespeare griff das Thema oft auf. Etwas im Caliban. Er hatte ein Gespür für Aussenseiter. Dass dieses Thema uns heute interessiert, halte mich mit Blick auf die ethische store von Kunst naheliegend. Unsere Diskussion zeigt ja, wie unbequem es ist und, pardon, Otello als reiner Eifersuchtsfall viel bequemer wäre. Ich habe schwarze Freunde, deren Zorn gerade über die stete Behauptung, ihre Hautfarbe spiele jene Rolle, immer latent ist. Insofern glaube ich, das meine Freunde Ihre, ingas, Sicht für freundlich gesagt weiße Verdrängung hielten, die sich kein Schwarzer eben leisten kann, eine Art radical liberal, sie sollen doch Kuchen essen. Auch möchte ich der These sprachliche Konstruktionen scheitern eh und brabbeln sei das beste mal anzweifeln. Nicht nur wegen des infiniten Regresses darin. Sondern weil die Realität nunmal ausgeprägt ist. Sprache hat sie geprägt, ob sie uns behagt oder nicht, ist wieder eine andere und sprachliche Wertungsfrage.es hat zwar einen gewissen nonchalanten Charme, sich auf ein Brabbeln als höchste Form der Kommunikation zurückzuziehen. Der Charme ist aber kurz.und wird, entschuldigen Sie bitte, albern bis zur Verantwortungslosigkeit. Mal abgesehen davon, dass dies ein preiswerter Trick ist, sich um eine solide Argumentation zu drücken - War doch nur Gebrabbel kündigt die Verhandlung von werten und sozialen Gefügen auf. Und nimmt einer Kunstform zudem ihre Farbe - dem Sprechtheater.
Presseschau Othello Met: hilflos herumschwimmen
Sprache - die des Sonderfall-Tieres Mensch - unterscheidet sich in Schriftsprache und Gesprochene Sprache. Das ist vielleicht nicht unwesentlich. Davor in Geste und Brabbeln. Geste und Brabbeln sind also Ur-Sprache, die durch Verbesserungen, situationsadäquate, kommunikations-verbessernde Diefferenzierung im Ausdruck von Bedürfnissen sich bis ins Heute herangebildet hat und immer weiter sich ausbilden wird, solange dieser tierische Spezialfall existieren wird. Vermutlich. Man könnte so auch denken, dass es Rassismus bereits vor der Kolonisation gab, nur fand er keine sprachlichen Zeugen, die uns bis ins Heute erreichen. Unter dem Rassismus liegt allgemeiner das Vorurteil gegenüber dem Fremden als Nicht-Eigenen. Deshalb mag ich diese Rassismus-Diskussionen Schwarze/Weiße nicht. Weil die das tiefer liegende, inhumane Moment das u.a. für die Ausprägung von Rassismus zuständig ist, zudecken und davon ablenken. Dass Brabbelcharme sehr kurz sein kann, da stimme ich ihnen zu. Weil er sich dauerhaft ahistorisch in und mit Sprache bewegt und ALLES auf geschichtsloser Sicht Beharrende wirkt irgendwann albern. Weil es, dem Tierischen im Tier Mensch eher als dem Menschlichen im Menschen zugewandt - verantwortungslos eingesetzt wirkt/wirken kann. Man kann dieser Aussage bis in die Kunst treiben! Auch bis in die Theaterkunst. Dann inszeniert man MurmelMurmel... Tricks sind meiner Ansicht nach immer dazu da, irgendetwas eher preiswerter als überteuert zu bekommen. Insofern kann es keinen preiswerten Trick naja - das ist eher kleinkariert... Entschuldigung. Shakespeare wolle mit Caliban sicher etwas gänzlich anderes zeigen, als mit Othello. Othello ist kein - zu keiner Zeit - für einen Kanibalen gehaltener Mensch. Auch glaube ich, dass Shakespeare nicht nur ein Gespür für Aussenseiter hatte, sondern dass ihm einfach nichts Menschliches fremd war. Anders als andere Dramatiker hat er sich nicht literarisch auf den Außenseiter gestürzt um ihn theatralisch auszuschlachten. Das war nicht seine Haltung. Er hatte, nehme ich an, immer wieder, wenn ich da lese, Verständnis. Tiefstes. Für das Außenseiterzum in einem jeden. Und den Jedermann selbst im Außenseiter. Für das Männliche in den Frauen und das Weibliche in den Männern. Für das Kindliche in den Greisen und greisenhafte usw in den Narren, in den Reichen, in den Mächtigen - alle eingefasst in diese eine Spanne zwischen Geburt und Tod, wie sie auch sind und woher sie stammen. Was Lacan in seinen Sprachtheorien übersehen hat oder auch weder genau formulieren konnte noch eventuell wollte ist: dass uns Sprache nicht nur bis ins Unterbewusstsein prägt, sondern im Fall der gesprochenen Sprache auch noch der Gestus, der Tonfall, die Stimme mit der wir geprägt werden, der Distanzierungsgrad in Form von Humor, der genau aufgenommene Grad an ironischer Betrachtungsmöglichkeit einer als Prägung durch eine uns überlieferte Realität - das theatralische Moment in der familiären Überlieferung und späteren weiteren Sozialisation... Das ist wie ich finde eine große Lücke, die die spätere Philosophie und auch Psychologie bisher nicht geschlossen hat und in der gerade viele Theatermacher, sich auf Lacan stützend, einigermaßen hilflos herumschwimmen mit den entsprechenden Konsequenzen bis in die Theaterkritik hinein...Entschuldigung, das ist wirklich eine interessante Debatte, aber ich muss jetzt gerade eben 285,- Euro verdienen. Gerne später wieder einmal...
Presseschau Othello Met: sächsische Figuren
Verdi hat keinen schwarzen Sänger verlangt. Schwarze Figur hat er sich vorgestellt. Aber da gibt es wohl heute keinen Unterschied mehr? // Im Übrigen gründe ich jetzt eine Initiativgruppe "Sächsisch ist nicht komisch!" Als gebürtiger Sachse fühle ich mich durch die Kennzeichnung komischer Figuren durch meinen Heimatdialekt diskriminiert und bitte, das zur Kenntnis zu nehmen. Und ich spiele als Sachse ab sofort überall den Striese und andere Rollen mit vorgeschriebenen sächsischen Idiom!
Presseschau Othello Met: alles und nichts
Es war natürlich Quatsch, meine obige Behauptung. Das Thema "Othello" ist ja schon zur Genüge durchgearbeitet worden, auch hier auf nachtkritik.de. Ich fragte mich bloß, ob uns das Thema "Eifersucht" oder "eifersüchtige Liebe" bzw. "verletzte Eitelkeit" auch so interessieren würde, wenn Shakespeare Othello als eine weisse Figur konstruiert hätte. Und ausserdem frage ich mich, ob das alles nicht vor allem auch eine Frage der konstruierten "sozialen Statusunterscheide" ist. Fragt sich McWorther nicht auch genau das? Also, ob es eine "neutrale Darstellung" gibt oder ob die ganze Situation aufgrund des strukturellen Rassismus in "weissen Gesellschaften" (Kontextfrage) nicht schon von vornherein ironisch bis zynisch verzerrt wird. Ich frage mich das ernsthaft und liebevoll, also im Sinne des Humanismus, der oft eben nur ein behaupteter ist. Ist Theater nun eine Sache der Wahrnehmung oder der Darstellung? Oder nicht vielmehr eine des Dazwischen? Schweigen ist total schwierig, im Theater und in der Realität. Weil es alles und nichts bedeuten kann. Genauso wie Worte.
Presseschau Othello Met: keine Realität?
Liebe Inga, ich denke, "Eifersucht" oder "eifersüchtige Liebe" bzw. "verletzte Eitelkeit", was immer das genau(er) sei, würde uns auch ohne strukturellen Rassismus interessieren, weil das allgemein menschlich ist, unter diesen Gefühlskomplexen - woraus sie bestehen müsste eben besser untersucht werden vielleicht, auch genauer erspielt im Theater vielleicht, zu leiden. Entweder weil man selbst in ihnen gefangen ist, oder die konkreten Konsequenzen zu spüren bekommt, wenn andere gerade ihnen verhaftet sind und das ihr Handeln grundlegend bestimmt... In Verknüpfung mit einem weiteren Problem wie manifesten Statusunterschieden zwischen Figuren oder Rassismus als Ausgrenzungsproblem, wird es sicher zu einer Verzerrung des allgemeiner gültigen Problems in der Darstellung kommen (müssen). Ob diese aber zwangsläufig ironisch bis zynisch in der Darstellung ausfallen muss, möchte ich bezweifeln. Korrekt hingegen scheint mir, dass solche Verzerrungen von der Kritik, wenn festgestellt, gern ironisch bis zynisch kommentiert werden, weil das ihr offenbar unwichtigere ihr damit eventuell schneller "erledigt" scheint. Erwähnt und als unwesentlich abgehakt. Das ist ein Mangel in der Ästhetik als philosophischer Disziplin, der durch die Begrenzung der Medien gestützt, wenn nicht gar provoziert werden kann. Theater scheint mir eine Sache der Wahrnehmung UND der Darstellung zu sein. Immer beides gleichzeitig. Und dies auf Seiten des Theaters als solchem UND auf Seiten des Publikums. Das ist abstrakt gesehen und gedacht eine "Double Bind-Situation", das für einen gewissen "Unsterblichkeits"faktor sorgt, solange es Menschen gibt. Wer das nicht will, muss hoffen, dass sie sich abschaffen. Die Menschen. Sie scheinen mir damit im Moment ganz gut voranzukommen. Ist Theater für Sie keine Realität? - Ich hatte bisher nicht den Eindruck, nach allem, was ich an Kommentaren bisher von Ihnen las...
Presseschau Othello Met: große Geste
Ich denke, Lacans Formulierung (nach Lévi-Strauss), dass das Unterbewusstsein sprachlich strukturiert ist, meint exakt dass: dass der Andere, dessen Begehren wir begehren, bis ins Unterbewusstsein hineinwirkt, also über die reine linguistische Seite hinaus. ich denke, Lacan hat das, was Sie, bei ihm vermissen, Stritter, sehr wohl bearbeitet (ohne, dass ich jetzt ein Lacanit wäre und Lavan verteidigen müsste). ich glaube mithin, dass Lacan sehr wohl über Ironie sich Gedanken machte - auch in Abgrenzung zum Humor - insofern Humor, Ironie, Zynismus in meinen Augen sehr genau zu trennen wären und auch nicht als Variationen von einander bestehen. Alain Miller hat einen Aufsatz über die Ironie bei Lacan geschrieben und diese speziell mit dem Schizophrenen verknüpft: der Humor schreibe sich immer in den Anderen ein, die Ironie nur in das Subjekt selbst, inspirierend also der Gedanke, dass Ironie etwas schizophrenes sei. Zum Zynismus finde ich Oscar Wilde gültig: von allem den Preis, von Nichts den Wert zu kennen, insofern mag ich eigentlich nicht, wenn Sie, Inga, "Ironisch bis Zynisch" schreiben. Die Ironie verzerrt in meinen Augen nichts, weil der Ironiker den Wert kennt, der Zyniker indes nicht. Dass Sprache mehr ist als gesprochene oder geschriebene (und hier ist der Rassismus-Teil von DER STURM schon lesbar, denn Schriftsprachen haben immer alle rein mündlichen Sprachen "kolonisiert", genau wie Prospero mit seinen Büchern), ist klar, sonst könnten die Dramaturgen vom Tanz sich sehr schnell traurig fühlen. Und dass die Arten des Sprechens, die Sie, Stritter, beschreiben prägend ist, das ist doch jetzt keine "große Lücke" in der Philosophie oder Psychologie...? Das ist doch das, was spätestens Jakobson mit "Quelle der Poesie" bezeichnet? Und natürlich sind Gesten Kommunikationsmittel; was W. Benjamin zu Brecht schreibt, ist da sehr erhellend: das Zeigen in Reinform. Der Ironiker kennt die Geste genau, deshalb wird doch so oft die ironische Brechung am Theater beklagt - zuletzt prominent in den Realismus-Debatten. Ein wenig schwierig finde ich Fragen wie "Theater der Darstellung oder der Wahrnehmung oder des dazwischen", als ob das Schweigen, Inga, ein in-between wäre. Wie ein Theater ohne "das dargestellte, das wahrgenommen wird", sein kann, weiß ich nicht. Ihre Hymne auf das Schweigen erinnert mich ein wenig an meine Schulexerzitien bei den Jesuiten: ja, wird reden zu viel, lasst uns lieber (vielsagend) schweigen, da sei die Wahrheit, nicht in den Worten usw... "Neutrale Darstellung" halte ich für kaum denkbar, nicht einmal in den Naturwissenschaften, erst gar nicht in künstlerischer Arbeit. Ob nun Verdi als Theaterpraktiker, Ulrich Heinse, in eine Jahr, als es schwarze Opersänger nicht wirklich "gab", einen verlangt hat - das lasse ich mal offen. Mit dem Argument hätte auch Shakespeare keine Frauen auf der Bühne verlangt. Aber soll man jetzt ironisch oder humorvoll oder gar zynisch mit der Hautfarbe von Otello umgehen? Wie sind wir denn zu Humor, Ironie, Zynismus gekommen? Ausgangspunkt war die Ingas Reaktion auf McWhorter, die man nicht gerne so stehen ließ, und das Erschrecken über die teilweise Reaktion läßt mich vermuten, dass Ihnen, Inga, der Effekt Ihre Äußerung gar nicht vorschwebte. Dann dürfen Sie aber auch nicht ins Brabbeln oder in ein erhabendes Schweigen verschwinden, es sei denn, Sie heißen im realen Leben Barthleby. Aber eigentlich war doch nur der Gedanke, dass McWhorter Hautfarbe als ein Kostüm ansieht - und das ist eine große Geste, die aus der Blackfacing-Debatte herausführt - auch über die Autorität von McWhorter.
Presseschau Othello Met: mnemotischer Staub
Thomaspeter Goergen, Ihre Einwände sind sehr interessant und ich muss darüber nachdenken. Ich finde es immer nicht so gut, sich denkend und miteinander redend/diskutierend Namen um die Ohren zu hauen, sondern aus Problemen, die einen berühren, selbst über Begriffe und Klärungen ihres derzeitigen Gebrauchs herauszufinden oder erst einm al überhaupt momentan gültige aus ihnen zu machen und sie so für ein näheres Denken bereitzustellen. Mir fiel ein Beispiel ein bei all den genannten Beispielen: mir fiel ein ein finnischer schwarzer, Londoner, der sein kleines weißes Kind am Abend scherzend in die Luft wirft, so ein wenig, wie das mit kleinen Kindern Tollenb spielende Männer gerne machen, und ihm lachend zuruft: ich bin der böse schwarze Mann, und das Kind quietscht und jucht vor Vergnügen - DER hat doch das alles in sich, den Rassismus und den erlebten Rassismus und den überlebten, das Kind lernt dabei Ironie, Selbstironie und sogar die Grundlage des Zynismus auf mannigfacher Ebene, das könnte man in seiner Wirkung in die gestischen, mimischen, stimmlichen, musikalischen (das Linguale ist ja irgendwie aus meiner Sicht das Ur-Musikalische) Prägungen differenziert zergliedern bis beinahe zum mnemotischen Staub. Aber man muss es selbst tun. Wenn man da einen Bedarf spürt, das wirklich wissen zu wollen. Ich sehe das nicht, dasss das in dieser Komplexität bisher durch einen Einzelnen in der Philosophie da ist. Ich kann mich natürlich irren, denn ich habe wenig Zeit und bin nicht sehr belesen... Es wäre ja wirklich interessant, was Verdi gewollt hatte für seinen Othello... Weiß denn der Guttenberg das nicht?, der weiß doch solche Sachen immer... Der Rassismus-Teil im Sturm ist für mich nicht an Caliban lesbar, nicht dort vordergründig. Das ist ja verknüpft an der Stelle eben mit Kanibalismus, das ist mehr als eine Rassismus-Verhandlung. DAS finde ich überaus interessant! Und in seiner Gründlichkeit was die Verhandlung des Kolonialismus anlangt, ist STURM wohl das dichteste Stück von SHKP, das würde ich sehr gern ausführlich begründen und im Gespräch oder Briefwechsel auch mit Beispielen belegen, aber das führte wohl hier zu weit. Danke für Ihren anregenden Kommentar!
Presseschau Othello Met: Theater als Realität
@ Sommerloch-Koller: Wenn ja, wäre die Frage, was diesem Eifersuchts-Mord eigentlich vorausgegangen ist. Bei Othello ist bekanntlich Jago die interessantere Figur, weil er derjenige ist, welcher aus eigenen Machtinstikten heraus Othello zerstören will. Und er tut das über das inszenierte Schlechtmachen von Desdemona. Gerade für diese Frau läuft es also noch blöder als für die männlichen Helden. Auch für Emilia, die Frau von Jago. Tja, es ist eben alles immer nur perspektivisch zu betrachten. Othello, wer ist das? Und Desdemona und Emilia? Zeit für John Lennon.

Natürlich ist Theater für mich auch Realität. Auch in der Realität geht es immer um (Selbst-)Inszenierung und Wahrnehmung. Vor allem um Wahrnehmung. Theater ist vor allem eine Frage der Wahrnehmung von etwas als Theater.

@ Thomaspeter Goergen: Befremdend, dass hier jetzt plötzlich alle von Lacan usw. reden. Wissenschaftler unter sich? Ich würde sagen, das ist Teil des Problems. Dieser überhebliche Diskurs. Auch von Psychologen über (angebliche) Schizophrenie und dergleichen. Ich habe übrigens tatsächlich mal erfahren, dass Menschen nicht auf den Einbezug von Unterschieden plädierten, sondern fragten, ob es denn überhaupt einen Unterschied macht. Also in Bezug auf den Migrationshintergrund (der vorhergehenden Generationen). Und diese Menschen waren keinen "Biodeutschen". Überhaupt, was heisst jetzt nochmal "weiss" und was heisst "deutsch" zu sein? Das sind nochmal zwei verschiedene Dinge, oder?

Ich schrieb übrigens von ironischer bis zynischer Verzerrung, weil einer Äußerung oft nicht ablesbar ist, wie sie gemeint ist. Ist das noch Ironie oder schon Zynismus, möchte man da fragen. Humor ist, wenn man trotzdem lacht? Na ja, Theorie hin oder her, Betroffenen, egal welcher "Art", bleibt wahrscheinlich doch manchmal das Lachen im Halse stecken. Vor allem im Falle von Machtunterschieden. Keine Angst, ich bring dich schon nicht um. Ha ha ha.
Presseschau Othello Met: wo es aufregend wird
Mir gefällt ja der Gedanke von Thomaspeter Goergen, das Sprechen schon echte Handlung sei. Die Anrede, wie ich jemand anspreche hat eine skulpturelle Energie und direkten Einfluss auf den Körper des Gegenüber, seine Haltung, die nächsten Handlungen, die er vollziehen wird. Eine rassistische Äußerung direkt auf eine Person angewendet, ist schon Handlung und zieht Handlungen, oft eben auch Gewalt nach sich.

Schwer fällt es mir diesem Willen nach Authentizität zu folgen. Die „einzige“ „schwarze Rolle“ müsse auch mit einem „Schwarzen“ besetzt werden. Warum nur? Die Debatte ist doch längst weiter voran geschritten. Es geht doch nicht mehr um die singuläre Erscheinung einer „schwarzen Rolle“ Othello. Die kann spielen, wer immer dafür begabt ist und selbstverständlich ist Schminke in diesem Zusammenhang nur ein Teil des Kostüms. Aber wenn ein Weißer in Kostüm und Maske einen Schwarzen spielen kann, und davon gehe ich aus, dann kann auch ein Schwarzer oder jeder Andersfarbige eine „weiße Rolle“ spielen. All die anderen Rollen, wie „Jago“ und folgende stehen zur Disposition. Denn sie alle könnten von Nicht-Weißen gespielt werden, wenn begriffen würde, das Maske nur ein Teil des Kostüms und der Rolle ist. Und das ist das eigentliche Ziel, internationale, globalisierte Ensemble in denen jeder alles spielen kann, unabhängig von seiner Herkunft, Religion und Hautfarbe. Und in der Tat interessiert es mich momentan mehr, wie ein Schwarzer einen Jago in weißer Maske anlegt, als umgekehrt. Erst in dem Moment, wo „Farbige“ mehrheitlich oder gleichteilig „Weiße“ spielen, wird es wirklich aufregend. Da sehe ich Gerechtigkeit. Nicht aber, wenn endlich ein Schwarzer an der Met Othello spielen darf. Das ist nur eine Option.
Presseschau Othello Met: Shakespeares Menschlichkeit
Seltsamerweiser, Stritter, fiel mir eine Shakespeare-Figur sofort ein bei Ihrem "bösen schwarzen Mann", der mit einem Kind spielt - und zwar der Aaron aus Titus Andronicus. Ich habe den Aaron immer mehr gemocht als das Stück, in dem er sich aufhält, vielleicht weil er tatsächlich eine Selbstironie aus seiner Hautfarbe zieht, und auch ein Selbstbewusstsein: "Schwarz ist besser als weiß..." Was den Sturm angeht, haben Sie völlig recht, es spielt reichlich auf Kolonisation an (insofern interessant, wenn Prospero manchmal als Alter Ego Shakespeare, quasi sein Vermächtnisträger angesehen wird - kolonisiert das Theater die Realität?), aber ich kann eigentlich eine Kolonisation ohne Rassismus stattfinden? Ich will gar nicht auf Cesaire oder Fanon hinaus, die das sehr wohl annnehmen, denn kann man sich einen "lebensraum" aneignen, wenn man nicht denkt, ein überlegenes recht zu haben? Auch über die Menschen. Kaliban wird ja als deformiert beschrieben, zugleich ist aber sein Name laut einigen Quellen wieder "Schwarz, geschwärzt" bedeutet. Vielen Dank, auch Ihnen, Stritter, das ist sehr angenehm. Ich stimme Ihnen auch zu, Shakespeare war quasi - das ist jetzt schon harold Bloom on it's best - der Erfinder der Menschlichkeit. Es gibt auch Außenseitertum in den Etablierten (hallo Hamlet), aber die Bastarde, Shylocks und Otellos bei ihm - fast sein Wappenzeichen, finde ich.
Nun, Inga, befremdend mag das für Sie sein. Sie haben allerdings einen "überheblichen Diskurs" über einen Sprachwissenschaftler begonnen - indem Sie einen konkreten Beitrag dessen in Bausch und Bogen mit "blablabla" zeichneten. Dass ich jetzt, keine Frage, ich war's, es richtig finde, wenn wir über Sprache reden auch mal Lacan erwähne, das tut mir jetzt nicht leid und ich entschuldige mich nicht. Es geht auch nicht um einen klinischen Diskurs über Schizophrenie. Sie haben Ironie und Zynismus eingebracht, nicht ich, und Ironie und Schizophrenie finde ich persönlich ein interessantes Gedankenspiel in Punkto Theater. Ich habe indes gesagt, dass dies zwei verschiedene Dinge sind. ich halte daran auch fest, auch wenn Sie für sich sagen, Sie empfänden da mal wieder eine Trennunschärfe. Aber ich finde, das ist Ihre Rückzugsposition in diesem Thread öfters - wenn man ihnen die Dunstigkeit eines Beitrags vorhält, argumentieren sie, dass hier eh die Grenzen verschwimmen. Mit "naja", "und zugleich" zweier gegensätze. Entschuldigen Sie, aber ich bin tatsächlich gerade etwas grantig, weil ich diese Art von Stigmatisierung von Diskussionsteilnehmern nicht mag. Ich finde so ein argumentum ad personam ziemlich besch... Bitte? Teil des Problems? Wollen Sie in dem Zusammenhang etwa sagen, in dem Thread, mit dem Problem, um das es geht, dass ich jetzt rassistisch bin, weil ich lacan zitiere? Denn Rassismus und Hautfarbe war das Problem, von dem wir ausgingen, und jetzt bin ich, Lacan zitierend, Teil des Problems? Vielleicht weil ich ein "Biodeutscher" (aus welchem Hut haben Sie denn jetzt diesen Begriff gezogen?) bin, der Lacan zitiert? Sie setzten mich in Erstaunen, und zwar in ein ziemlich trennscharfes.
Nix Theorie hin oder her. Und auch nicht hahaha.
Presseschau Othello Met: Denkwerkzeug, nicht Wettrüsten
Das stimmt, dass im OTH der Jago oft interessierter betrachtet wird als Othello oder die Frauen beider. Ich fände es interessant, wäre ich Dramaturg, was ich nicht bin, ob SHSP da eine zeitgenössische Realität abgebildet hat: der schwarze hochrangige Militär mit Regierungsverantwortung im Stadtstaat Venedig. Wenn dort oder in ähnlichen Staatsformen zu der Zeit nämlich gar kein solcher existierte und verbrieft auszumachen gewesen wäre, dann hätte SHSP hier als Dramatiker in seiner Zeit äußerst mutig eine Utopie – vor allem gesellschaftspolitische Utopie installiert!!! Und wenn man das bedächte, inszenierte man eventuell auch den Othello als Figur interessanter, gleich interessant wie Jago.
Befremdlich scheint mir, dass ausgerechnet Ihnen, Inga, die hier schon häufig zu unser aller Freude durch wiedergegebene Zitate glänzte, nun befremdlich ist, wenn Sie hier die Präsens von Wissenschaftlern vermuten. Oder von Psychologen. Die den Diskurs überheblich machten. Ich finde ihn so ganz angenehm. Allerdings finde ich ebenfalls, dass man in solchen Diskussionen achtgeben sollte, dass man nicht in so eine Art IchzeigDirmeineLektüreundsageDirwerdubist-Wettrüsten verfällt. So in diese Abschreckungsstrategien, die der Sache – in unserem Fall Nachdenken über Theater - mitunter dienen können. Aber nicht zwangsläufig müssen! Ich für meinen Teil habe bei Lektüren von Philosophen manchmal viel und manchmal nur ganz wenig lernen können und mitunter aus einer fehlerhaft gedruckten Gebrauchsanweisung für irgendeinen Haushaltsgegenstand erstaunlicherweise sehr viel… Den Einwurf von Thomaspeter Goergen bezüglich des Schizophrenen fand ich übrigens sehr interessant, weil zuvor irgendwo in den Kommentaren auch etwas zu der dialektischen Theater-Publikum-Beziehung stand, die einem Double-Bind ähneln würde. Weil sowohl für das Theater als auch für das Publikum darüber hinaus eine wechselwirkende Darstellungs-Wahrnehmungs-Wirklichkeit bestünde, die sich in dieser dialektischen Beziehung untrennbar gegenüberstünden. Was für eine „Unsterblichkeit“ des Theaters sorgen würde, solange es Menschen geben würde. Das ist ein hoffnungsvoller Gedanke, für alle! Jedenfalls für alle, die Theater mehr als Menschen lieben. Ich denke, man sollte dabei nicht überlesen haben, dass hier von ÄHNLICHKEIT mit einem vorliegenden Double-Bind, das man bei schizophrenen Erkrankungen in der Anamnese diagnostizieren kann, geschrieben wurde. Und das sehr ernst nehmen. In der Tat finden sich in den Kindheitsmustern von Künstlern besonders häufig psychologisch prägende Konstellationen, die den die Erkrankung auslösenden Konstellationen bei Schizophrenen oder Autisten nicht unähnlich sind und die eine starke Triebfeder in die Kunst hinein waren, wenn man sich das genau in den Biografien betrachtet. Der künstlerische Ausdruck ist dann der selbstbestimmte Weg an der Pathologie vorbei oder die mehr oder weniger bewusste Selbst-Rettung aus ihr und es gibt nicht die Etablierung von physiologischen pathogenen Begleiterscheinungen wie sie von - im ärztlichen Sinne!!, nicht im leichtfertig umgangssprachlich gebrauchten!! - Schizophrenen oder Autisten oder sehr schwer bipolar Gestörten, Manisch-Depressiven, ausgebildet werden. Wenn wir nicht vergessen, dass wir die Theater-Publikums-Beziehung und innerhalb dieser die Wahrnehmungs-Darstellungs-Wechselwirkung dialektisch leichter betrachten können, wenn wir sie ähnlich wie ein Double-Bind betrachten, kann uns das helfen, Theater als solches besser zu verstehen. Und helfen, uns in unserem, uns immer wieder einholenden, Missverständnis immer wieder zu klären… Also mir jedenfalls hilft das. Deshalb muss das auf andere nicht zutreffen, das ist ja völlig normal! Es ist wie ein Werkzeug, ein Denkwerkzeug. So habe ich jedenfalls die irgendwann gelesenen Bemerkungen verstanden und Herr Goergen wohl auch.
Presseschau Othello Met: alles spielen
Stimme Martin Baucks was die Authentizität angeht, sehr zu. Gar nicht mal, weil "authentisch" so ein ästhetischer Schlager der letzten Jahre war, dass ich sehr gerne, ganz traditionell, endlich das post-authentische Zeitalter einleiten würde. Ich glaube, man sollte zwei Dinge trennen - das eine ist die konkrete Arbeitssituation für farbige Kollegen, die selbst in Ländern mit höherem Bevölkerungsanteil wie U.K. nicht gleich zu sein scheint. Der Regisseur Rufus Norris hat es vor wenigen jahren einmal benannt: "For black actors, equality is a long way off". Wenn wir Kunst als ethisch ansehen und nicht nur als ästhetisch, sollte man das im Hinterkopf haben - und nicht auf die Ensemble beschränken. Noch hermetischer als die Ensemble sind z.B. in Deutschland, in meinen Augen, die Leitungsebenen und die technischen Abteilungen. Von Naynhausstrasse oder Gorki abgesehen - Dramaturgen, Bühnenmeister, Intendanten, Pressechefs, Beleuchter, Kassenpersonal... it's really WASP. Außerdem sollte man nicht denken, nur "schwarze" Rollen sollten mit schwarzen Kollegen besetzt werden - das wäre ja so eine Art Juwelenrassismus. Antigone kann schwarz sein oder Faust oder der Volksfeind oder Mutter Courage, mit dem Selbstverständnis, dass Mensch Mensch ist, und es keine Sonderheit ist, ein schwarzes Gretchen zu haben. Und auch keine Scheu vor Schurkenrollen. Ich kannte eine Schauspielerin, die als Laura bei Strindbergs Vater kategorisch das Recht einforderte, als Frau genauso schurkisch und intrigant und gemein sein zu können wie ein Mann, und bitte nicht mit psychologischen Samthandschuhen "spezieller weiblicher Bosheit etc." angefasst zu werden. Insofern - völlig richtig, Martin Baucks, jeder Schauspieler, der es kann, kann alles spielen. ich kann auch denken, einen Otello zu besetzen mit einem weißen Topmodell, der so überirdisch schön ist, dass der Neid und die Fremdartigkeit (zur Erotik der Farbigen gibt es unendlich viel zu sagen, z.B. Dürr, Mythos vom Zivilisationsprozess) sich auch daraus ergibt. Und auch der Schwarze, weiß geschminkt, als Jago, gegen den Weißen schwarz geschminkt, ist ein kräftiges Zeichen. Solange wir ehrlich und ethisch uns diesen fragen stellen, denn wir (ich sage mal wir für die Biodeutschen), denke ich, werden oft unsensibel sein, auch ohne es zu wollen, weil wir über uns selbst hinaus ja kaum reflektieren können. Wir können aber dankbar sein, wenn wir glaubhaft für ein Theater eintreten, dass als gesellschaftsabbildendes Theater auch gesellschaftsbildend sein kann.
Presseschau Othello Met: wie der Todesfluß
Ja, das ist so eine Frage, Thomaspeter Goergen, ob es Kolonisation ohne Rassismus gäbe – ich denke schon. Dass es das gibt. Ich denke, dass in der Zeit der großen Entdeckungsfahrten über die Meere zunächst durchaus die Naivität bestand, dass Anderswo, wenn es Land überhaupt gäbe, nicht bewohnt sei. Wir denken ja auch, wir sind die Einzigen – kosmologisch gesehen. Natürlich kann man sich nicht dauerhaft, nicht einmal lange, auf diese Anfangsnaivität aus begrenzter Welterfahrung herausreden. Und wenn man also ein Land entdeckt und feststellt, da ist schon wer und beseitigt den, und sagt, das ist meins, und zwar NUR meins, dann ist das weder Kolonialismus, noch Rassismus, sondern Völkermord aus Besitzgier. Wenn ein souveräner Nordstaat eines Völkerstammes einen souveränen Südstaat oder umgekehrt kolonialisiert, dann ist das vielleicht Kolonisation, aber eher kein Rassismus.(?) Dann: für mich ist STURM ein Revolutionsstück aus mehreren Gründen, die hier zu umfangreich zu erörtern wären. Ich habe mir die Mühe gemacht, einmal angelegentlich von Übersetzungsbemühungen die Namen von Shakespeare-Figuren linguistisch zu untersuchen. Und zwar gesondert nach Englischer und Lateinischer Linguistik.(dem Grundverdacht nachspürend, dass SHKP eine Lateinschule besucht hatte). Das war wahnsinnig interessant!, weil man dann zu wesentlich größerer interpretatorischer Bandbreite kommt, was für dichterische Übersetzungen ein unschätzbarer Vorteil ist. Weil man eben mehr zu verdichtendes Material zur Verfügung hat, wenn man die bis in seine Phantasie hinein wirkendenden Sprachkenntnisse eines Dichters bedenkt, nicht nur seine möglichen sozialen Kompetenzen. Es steckt in dem Caliban u.a. das Anagramm von Kannibale – SHKP hat vielleicht nicht die Menschlichkeit erfunden, aber die Darstellung von radikal Menschlichem in Form von Dichtung zu einer nie wieder erreichten Blüte gebracht! Das Anagramm ist eine überaus wirkungsvolle wie genuine Spielart der Dichtung – Caliban, der vorerst gezähmte, echte oder als solcher beleumundeter, Kannibale, der ein Schwarzer sein KANN, aber doch nicht sein MUSS! Schon vom Text her nicht sein muss: Der vor sich hin fluchende Mann wird in einer Art Höhle gehalten, muss ständig Brennholz beschaffen und wohl auch heizen… Er kann auch gebeugt sein von der ewig schweren Arbeit und verunstaltet von körperlichen Misshandlungen. Und schwarz von der Hautfarbe her ODER von dem ständigen Ruß. Man muss darüber nachdenken, was über seine Herkunft gesagt wird: seine Mutter kann einfach nur potthässlich gewesen sein, eine „Nebelkrähe“ wie manche Menschen eher hässliche Frauen oder eine „Rabenmutter“ wie sehr enttäuschte Menschen auch ganz durchschnittlich aussehende, vermeintlich schlechte, Mütter schimpfen, sie soll – zumindest für Miranda – eine Hexe gewesen sein, eine, die nur eine abartige Kreatur gebären kann, selbst schwarz und unberechenbar wie der Todesfluss oder ein giftiges, wildwachsendes Kraut usw. Auch etwas Baalisches haftet ihm an, und er flucht auch dessenthalben: er käme sich vielleicht andernorts vor wie der Herr der Fliegen persönlich, wenn die Schwärme um ihn nicht Stechmücken wären… Man könnte u.U. soweit gehen, Caliban als großen Liebenden zu sehen, der Miranda, die er von Kindesbeinen an kennt, aufwendig durch eine zur Schau getragene Biestigkeit vor seinem(n) Begehren schützt – das ist alles eine Frage der interpretatorischen Entscheidung. Der Text gibt das ALLES her. Nicht nur der Text des Caliban… Sie merken: Ich liebe dieses Stück von SHKP ganz besonders – wehrlos. Wir sollten trotzdem noch einen Rest Sonntag haben, vielleicht. Vielen Dank, allen hier. Das war einmal wirklich ein Vergnügen und keine Mischung aus beinahe wütend beigebrachter Fachsequenz und unsensibler Mist-Plage, die sich mit Humor verwechselt, was immer zwar verständlich, aber auch bedauerlich im Sinne des Gegenstandes der Betrachtung ist…
Presseschau Othello Met: Hamlets Widersprüche
@ Thomaspeter Goergen: Das meinte ich doch! Sprache ist so schwierig, weil sie IMMER Missverständisse birgt. Ich verwendete das "blablabla" übrigens in ironischer Absicht. Erstens reden Wissenschaftler oft unendlich lange über etwas, wo andere längst handeln, helfen bzw. etwas verändern. Und ich schließe mich da mit ein, bin auch eher Wissenschaftler als (vorschneller) Aktivist. Zweitens kennen Sie sicher die Hamletmaschine von Heiner Müller. "Ich war Hamlet. Ich stand an der Küste und sprach mit der Brandung BLABLA, im. Rücken die Ruinen von Europa." "Wir Intelektuellen" reden, und Europa (nicht die Währungsunion!) zerfällt? In diesen Widersprüchen leben "wir" doch alle.
Presseschau Othello Met: mein indisches Wissen
Es ist nicht nötig, das ewig sich wiederholende, nahezu theatermaschinenhafte HAMLET-"blablabla" der Müller'schen Brandung heute im Theaterfachbereich zu ironisieren, weil es die Tatsache eines - bisher nicht inszenierten, deutschsprachigen Theatertextes seit über 20 Jahren gibt. Darin heißt es - auch die Sicht - bereits vor über 20! auf das heutige Europa betreffend u.a.
A.: Die Sprache ist die Strafe/Die sich nicht gewährt,/DAS WORT erhält sich selbst/Im namenlosen Schmerz/Der Scham über unsere Nacktheit/Von der wir sprechen/Und sprechen/Und sprechen...
(...)
M: Der Wahrheitswert unserer Sprache ist aus das UND reduziert. Darin faßt ihr interessiert ins Gesicht, dreht es vorsichtig haben wir uns zu verhalten (...)

Hast du erst die Ruinen von Europa gefressen, wirst du wunderbare Krüppel zur Welt bringen, Renegate, VOLLKOMMEN degenerierte Organismen (...) zu der Angestellten, von oben herab Wenn du das Feuer retten willst, mußt du zuvor die Bibliothek anzünden ... Mit den Worten mach was du willst. Schluck sie herunter von mir aus... Vielleicht stirbst du daran. Das wäre s c h ö n - in einem hohen Maße ästhetisch(...)

A: (...) Es ist eine Art HABSUCHT alles zu sagen und NICHTS hören zu wollen: ICHWARHAMLET und liebte mich im Zweifelsfalle Eingerichtet im Sehnen nach Wohnung in meinen Adern...

Nicht aus FleischKnochenSäften ist der Mensch sondern aus Sätzen Aussatz seines ruglosen Geistes DER MEN SCH IST AUS SÄT ZEN WORTE bluten mir aus dem Munbd... Mein Leichentuch wird man lesen können wie eine Zeitung. (...) Über mein indianisches Wissen kreisen die Jagsbomber der Moderne. Geier in freudlosem Warten (...)

Leider habe ich nicht notiert, von wem der Text stammt.
Presseschau Othello Met: suspekter Kulturpessimismus
Nun,inga, was meinten Sie denn doch? Konkret an meine letzte frage an Sie anknüpfend, dass ich teil des Rassismusproblems bin? Oder abstrakt, dass jedes mal, wenn Sie meinen, ich verstehe Sie miss, beweise dies ihre Vorstellung von Sprache als Ort potentieller Missverständnisse? Erstenfalls erspare ich dem Redakteur die Zensur und poste das Wort nicht, dass ich unmissverständlich denke. Im zweiten Fall - chapeau, haben Sie sich unverwundbar geschrieben. Es ist indes nicht meine Fabel. Ein klüger mann, dessen Name hier um des ü-Faktors geheim bleibe, sprach mal vom principle of charity, dass wir vertrauen und unterstellen müssen, der andere könnte und wollte uns verstehen. Als Grundlage der Kommunikation. Die sonst vergeblich ist. Ich teile ihren Sprachpessimissmus nicht. Immer nur die Missverständnis und Fehlkonstruktionen der Sprache betonen - und was nettes oder wie Siegerne sagen: liebevolles, zur Sprache haben sie soweit ich lese hier noch nicht geschrieben - ist nur beschneidend. Es ist Sprache handeln. Ist aktiv. Ist sogar Theorie eine praxis. Verändern wissenschaftler die Welt. Dass man mit Sprache nicht aktiv sein kann... sorry, aus purer Freude an der Kommunikation und an Texten... disagree. Jeder kulturpessimissismus ist mir suspekt. Weil er selbstzerstörerisches Potential hat. Er greift nicht den ungeist an - wenn ich mal dieses völlig verbrannte und vergiftete Wort gebrauchen darf - sondern eben den geist. Um Mystiker da und kraftmeier dort freizuschalten. Im übrigen. Sie zitierten, inga, mit ihrem blablabla zu mcwhorter Heiner Müller? Serious? Hier würde till schweiger ein paar Fragezeichen zu viel schicken. Ich finde ja Ironie ist nie abfällig. Ich finde sie ist subversiv genug um ernst im unernst zu verstecken. Wenn ich einem Gespräch jemand als Antwort blabla sage, ist das einfach eine Beleidigung. Gänzlich unironisch. Und viel eher zynisch. Bestenfalls sarkastisch. Egal. Und ja. Heiner Müller War auch ironisch. Vor allem in seinen autobiographischen Texten. Ob er in seinen Stücken ironisch War. Das weiß ich nicht so recht. Das ist aber auch in dem thread hier bayrische weisswurst.
Ich stimme istdochsogleich - Döner nic :-) zu: es gibt Double binds am Theater. Und vielleicht sind diese sogar ein ästethetisches Moment. Und das wäre ein schönes Gedankenthema... aber hier War das ja ein anderer, ein mcwhorter thread. Und ich weiß gar nicht, ob daß hier zu otello met gehört?
Presseschau Othello Met: falsch verstandener Anarchismus?
@ Stritter: Ach, die Nacktheit, das wäre doch überhaupt kein Problem, wäre sie in beiderseitigem Vertrauen und in Liebe entstanden und würde sie nicht als Smartphone-Video und/oder möglicherweise gelöschtem google-Eintrag durch die virtuelle Welt geistern und somit nie vergessen werden. Punkt Punkt Punkt. Auch Generation Porno genannt.

Ich würde übrigens ebenso nicht sagen, dass wir jetzt wieder bei Adam und Eva anfangen müssen. Es geht um ganz andere Kontext- und Situationsfragen. Ihr Text klingt allerdings langweilig und aufgesetzt pessimistisch, zerstörerisch. Das ist dann wohl falsch verstandener Anarchismus. Oder?
Presseschau Othello Met: wovon die Blackfacing-Debatte ablenkt
@Inga: Der Text fiel mir ein wegen Ihres Sprach-Pessimismus, den T.G. wohl recht treffend als eingeübten und Ihnen selbst auf diese Weise ganz gelegenem(?) Kulturpessimismus ausmachte. Es ist ein zitierter Bühnentext und er kennzeichnet ja eben eine AUSEINANDERsetzung zwischen einem Mann - einem Künstler, einem eher Aktionskünstler als einem Regisseur offenar, einem Aktionskünstler, der sich als Regisseur sieht undoder fühlt und öffentlich so gibt - und einer ehemaligen Bibliotheks-Angestellten, die sich in einer Sprach-Verzweiflung befindet, seit sie bemerken musste, dass entweder nur Bibliotheks-Angestellte oder Angestellte allgemein oder nur weibliche Angestellte oder generell Frauen, das kann man dem Stücktext nicht entnehmen, weshalb ich mich bei der Einsendung gegen ihn entschieden hatte. Ich muss mich übrigens korrigieren, denn im zitierten - beinahe - Schluss des Textes heißt es nicht "Jagdbomber", sondern Drohnen. "Kreisen die Drohnen der Moderne/Geier in freudlosem Warten/" - Ich erinnere mich der Beratungen zu dem Text und da war meinen KollegenInnen das auch zu schwach, weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass solche Gegenwartsbezug-Reizwörter schon sehr gut und wirkungsvoll sind von der Bühne her, aber dafür müssen sie doch im Text öfter vorkommen, um den Zuschauer wirklich erreichen zu können... Ich finde im Übrigen mit oder ohne die heutigen technischen Möglichkeiten "Nacktheit" kein Problem. Das Problem ist meiner Meinung nach nicht der Würdeverlust durch omnipräsent(iert)e Nacktheit, sondern der Verlust eines Gefühls für Intimität. Und auch das Geistern - selbst gelöschter Video-Einträge - durch die virtuelle Welt scheint mir kein Problem zu sein bei den Datenmengen die heute erfasst werden. Die ersickt doch in sich selbst, wenn alles gleich bedeutend wichtig zur Daten-Sammlung ansteht, ist nichts von dem Gesammelten von Bedeutung. Das kann einem doch leidtun, wenn Leute so viel Zeit damit verbringen, in bedeutungslosem Nichts herumzustochern auf der Suche nach innerem Frieden. Und sei es nur für einen Augenblick... Hier erlangt auch OTH noch einmal Bedeutung: irgendwer schrieb es hier- Entschuldigung, ich habe immer keine Zeit da genau zu recherchieren, wer das wann war, das ist immer so ein Nebel, der sich da in meinem Hirn abgesetzt hat, mit dem ich umgehe: Jago i n s z e n i e r t die Schlechtmacherei Desdemonas extra für Othello - er macht sie also nicht einfach nur schlecht. Und das ist dramaturgisch betrachtet ein GEWALTIGER Unterschied! Nicht nur für Othello und Jago, auch für die Frauen. Das kommt mir IMMER zu kurz in Inszenierungen. Dieser Umstand. Deshalb ärgert mich auch diese Blackfacing-Debatte so sehr. Sie lenkt vor allem vom Wesentlichen ab. Vom tieferen Wesen der Stücke, in denen es Figuren gibt, die als Schwarze angelegt wurden vom AutorIn. In einer Zeit, in der also solche ausgedachten Szene wie der irgendwo hier die beschriebenen, die mit dem Kind tollenden Vater, als erlebte Wirklichkeit von jemandem wiedererkannt werden kann, BRAUCHEN wir uns nicht von einer Debatte nageln lassen, die von der Wirklichkeit des potentiellen Publikums, und sei es auch erst an wenigen Orten möglicherweise, überholt ist!!
Presseschau Othello Met: Diskursverhüllung
@ Thomaspeter Goergen: Das ist jetzt wirklich sehr interessant. Nein, ich würde nicht sagen, dass Sie rassistisch sind, weil Sie Lacan zitieren. Warum auch? Interessant ist es auch deshalb, weil ich mich frage, ob wir also nicht "alle" irgendwie "Angst" haben, als "Rassist" abgestempelt zu werden. Es gibt Autoren, die schreiben kleine Exkurse, die absolut mies rassistisch klingen, aber vielleicht doch etwas ganz anderes aussagen sollen? In "Bilder deiner großen Liebe" von Wolfgang Herrndorf zum Beispiel ist sowas drin. Da (be)schreibt er einen Zettel an der Pinnwand eines Bioladens (sic! Wer bio einkauft, muss gut sein?). Ein Zettel von einer älteren Schwarzen oder Indianderin(?), welche ihre Mitbürger um Hilfe bittet. Ich kann den Wortlaut nicht mehr wiedergeben, er beschreibt eine Prostituiertenhölle par excellence. So. Und ist das nun wirklich so oder ist das unser Bild auf "die schwarze Frau"? "Wir" und "unser" natürlich immer pauschal verallgemeinernd.

Ich beschreibe nur meine Wahrnehmung dieses Diskurses hier. Und da kam mir plötzlich in den Sinn, ob es der Erfahrung eines schwarzen Mitbürgers eigentlich entgegenkommt, ja, entgegenkommt vielleicht schon, also als Konfrontation mit der Perspektive eines ganz anderen Ich bzw. Selbst, wenn wir ihn oder unsere Relation zu ihm permanent in Diskurse hüllen. Na ja, vielleicht soll ja auch uns und unserem permanenten Schuldgefühl, schlecht zu sein, geholfen werden. Es ist kompliziert. Denn warum soll ein Arbeiter, egal welcher Hautfarbe, nicht denken können? Huch, wieder mal sprunghaft gedacht. Dieser dialektische Sprung muss gleich in Haft genommen werden.

Ja, ich las auch einmal etwas von einem, ich weiss nicht mehr wer und wo, es ist inzwischen in mein eigenes Wissen übergegangen, der fragte sich, ob Kants kategorischer Imperativ nicht eigentlich eine problematische Setzung sei. Weil er annehme, dass "wir Menschen" gemeinhin nicht so handeln (und sprechen), dass es unseren Mitmenschen zugute käme. "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde." Da nimmt er doch an, dass vor allem anderen (dem Gesetz) erstmal Anarchie herrsche. Und vielleicht stimmt das ja auch! Erst darüber, dass wir unsere (sprachlichen) Leidenschaften austragen, lernen wir und entsteht die polis? Denn wir sind nunmal keine Maschinen oder Götter, welche über alle Leidenschaften erhaben sind.

Warum nicht Heiner Müller? Andere schreiben hier ausufernd über Shakespeares "Sturm". Gehört das hier etwa thematisch rein? Seltsam. Sehr sehr seltsam. Ich fragte mich bloß mit McWhorter, ob der Hamlet aus Müllers Hamletmaschine nicht einfach auch von einem Schwarzen gespielt werden könnte, was dann möglicherweise auch den Kontext der Worte verschiebt. Mehr hin zur Festung Europa. Ungarn zieht ja aktuell wieder Mauern/Grenzzäune hoch. Geht das oder muss man innerhalb des Müllerschen Kontexts des Ungarnaufstands von 1956 bleiben? Geschichte verläuft offenbar(?) in Spiralbewegungen, das ist die Wiederkehr des Immergleichen, nur in anderen Kontexten. Ist (eine Art von) Kommunismus (heute wird's eher multitude genannt) nun das Problem oder die Lösung?
Presseschau Othello Met: Gutmenschenzwerge
(...) Die grenzenlose Ausweitung des Rassismusbegriffes ermöglicht zwar jedem Dahergelaufenen, sich als Gutmensch hervorzutun - sachlich geboten ist sie nicht, und die Menschen, die tatsächlich Kultur haben, schütteln darüber den Kopf. Die Sonne steht schon sehr tief - so können auch Gutmenschenzwerge lange Schatten werfen!

Aber wie schön, daß man uns a) mit derlei Tand so schön einschüchtern kann und die Schere im Kopf unablässig und drohend klappert (...) und b) auch auf diese Weise über die lebenswichtigen Fragen unserer maroden Zeit abhält nachzudenken - es stinkt so bestialisch an so elend vielen Stellen in diesem unserem Lande, daß das Gezeter über solche Lächerlichkeiten ebendeis ist: lächerlich!
Presseschau Othello Met: einfach aufgeben
Inga steht an der Küste, vor ihr die Spree, die sie auch nicht haben wollte, und redet, den Computer fest umklammert, mit der Anbrandung unzähliger Kommentare. In ihrem Rücken Debatten, die sie schon zertrümmert hat und vor ihr neue Diskurse, welche sie noch breit treten muss. Blabla. Du kannst meiner Liebe nicht entgehen, denn ich bin ein ungezogenes Mädchen, das täglich Aufmerksamkeit verbraucht. Kein Thema ist vor mir sicher. Und am Ende kommt immer Müller oder Inga dabei heraus.

Unterdessen geht das Leben einfach weiter. Auch an der Met. Und draußen auf den Straßen. Einige Menschen sollten das Lesen einfach aufgeben. Vor allem aber aufgeben, ihre Zerrüttung durch das Lesen im Netz zu dokumentieren. Und anfangen einen Fuß vor den anderen zu setzen, statt ständig, permanent durch jede beliebige Diskussion zu stolpern, an der sie im Grunde gar nicht wirklich interessiert sind, sondern nur an sich selbst.

Liebe Inga, denken sie sich nicht immer soweit weg von den Schwarzen, den Anderen, werden sie ihnen ähnlicher, versuchen sie zu erkennen, wie nah wir uns sind, das erspart ihnen und uns einige Argumentationsschleifen, die zwar gut gemeint sind, aber eben doch schwer verdaulich bleiben und zu nichts führen.
Presseschau Othello Met: bittere Sinnlosigkeit
an Inga: Der Hamlet in Müllers Hamletmaschine ist ja gar nicht Hamlet, sondern entweder ein Schausspieler oder ein anderer, der sich vorstellt, Schauspieler - eventuell gewesen - zu sein und dann den entsprechenden Text hergibt. Nicht an ein Publikum. Sondern an irgendwie eine Brandung, mit der man ebenso blablabla reden kann wie sie einem mit Wellen der blablabla-Sinnlosigkeit entgegengischtet. (Die Brandung könnte eine Metapher für Publikum oder Gesellschaft sein. Muss aber nicht.) Die bittere Sinnlosigkeit in sich spürend, mit Shakespeare gegen verkommene Utopien angehen zu wollen - so in etwa... Entschuldigung, das war ja wieder nicht zum Thema -
@ Knobiator - Ihre langen Schatten der Gutmenschenzwerge sind klasse, wenn Sie darauf kein Patent angemeldet habe, frage ich hiermit höflich an, ob ich sie klauen darf - Wenn ich das erste Mal für den Zusammenhang, in den ich sie zu stellen gedenke, Kohle bekomme, kriegen sie auch Tantiemen. -
Presseschau Othello Met: Blick auf Prostitution
@ martin baucks: Ungezogenes Mädchen? Sicher nicht. Nicht zwanghaft ungezogen. Jetzt kommen Sie mir nicht mit Psychologisierungen. Aber in einem Punkt haben Sie tatsächlich Recht. Es könnte wirklich sein, dass ich seit Jahren(!) nach einer Antwort suche. Stimmt. Die ich immer noch nicht gefunden habe. Könnten Sie mir da weiterhelfen? Mensch, wäre das toll! Endlich inneren Frieden finden, wie ja auch "Stritter" hier schreibt, wer auch immer sich dahinter verbirgt.

Ich sage doch gar nicht, dass "die Schwarzen" "die Anderen" sind. Ich denke eher im Bereich "kritische Weissseinsforschung". Genau. Und klar, diese schwarze Prostituierte, die ist doch gar nicht das Problem, sondern unser Blick auf das Thema Prostitution, dass das immer ganz furchtbar sein muss, dass Prostitution niemals selbständig bzw. frei gewählt ist und dass "wir" da unbedingt helfen müssen usw. Nun, ich bin keine solche selbständige Prostituierte. Das denken nur Dumme. Und/oder sie inszenieren das.
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