American Psycho - Hans Dreher legt in der Bochumer Rottstr5 den zeitlosen Kern von Bret Easton Ellis’ Skandalroman frei
Yuppies Rutschpartie
von Sascha Westphal
Bochum, 12. August 2015. Zunächst ist es nur ein schickes Bild, eine extrem körperbetonte und dabei zugleich noch angemessen satirische Spielerei. In der Mitte der kleinen, grottenartigen Bühne des Theaters in der Rottstr. 5 liegt eine durchsichtige Plastikplane, die mit Wasser und Duschgel übergossen wurde. Auf ihr absolviert der von Felix Lampert gespielte Patrick Bateman erst einmal sein morgendliches Fitness- und Schönheitsprogramm. Es bleibt zwar bei einer eher angedeuteten Übung. Aber dann gleitet der nur mit Boxershorts bekleidete Lampert bäuchlings von der einen Seite der Bühne zur anderen und wieder zurück. Währenddessen zählt er all die Kosmetikprodukte auf, mit deren Hilfe sich der 26-jährige Investment-Banker sein jugendliches Aussehen bewahren will. Eine perfekte Einstimmung auf die Oberflächen-Welt eines Mannes, der alles hat und dem nichts etwas bedeutet außer seinem Aussehen, seiner eigenen Oberfläche.
Zerstörung des Bösen
Als Bret Easton Ellis' Roman "American Psycho" 1991 erstmals veröffentlicht wurde, war er Skandalon. Natürlich entrüsteten sich seinerzeit die meisten über die wahrhaft extremen Sex- und Gewaltdarstellungen in diesem Porträt der "Masters of the Universe", als die sich die Wall Street Broker in den 1980er Jahren selbst feierten. Aber auch Ellis' klinisch-kalter Ton und sein unerbittliches Brand-Name-Dropping haben damals einen Nerv getroffen. So wollten sich die Yuppies der Reagan/Bush-Ära dann doch nicht literarisch verewigt sehen.
Neun Jahre später als Mary Harrons Verfilmung in die Kinos kam, war Ellis' zutiefst moralistischer Roman nur noch ein Dokument aus einer anderen Zeit, und so konnte die Filmemacherin aus ihm eine wilde, sich im Minutentakt überschlagende Satire destillieren. Die Taten des Patrick Bateman waren immer noch furchtbar, aber eben auch so übertrieben, dass sie sich perfekt für eine immer wieder ironisch blinzelnde Travestie eigneten.
Zeitlose Visionen
"Frei nach Motiven von Ellis/Harron" steht nun auf dem Programmzettel zu Hans Drehers Bühnenadaption. Und schon fragt man sich kurz, wie soll das eigentlich zusammengehen, so verschieden Roman und Film doch letztlich sind. Ellis' wütende Anklage und Harrons spöttische Abrechnung, da liegen trotz aller Berührungspunkte Welten zwischen. Dann erklingen vom Band die ersten Sätze des Romans, das berühmte Dante-Zitat, "Ihr, die hier eintretet, lasset alle Hoffnung fahren", und Ellis' pointierte Beschreibung dieser Hölle auf Erden, die besser unter dem Namen Manhattan bekannt ist. Und gleich darauf gleitet Felix Lampert über die Plastikfolie. Für den Augenblick werden die Visionen des Autors und der Filmemacherin eins, aber nur um sich schließlich in einer ganz neuen, radikal anderen Vision aufzulösen.
Felix Lamperts Figur heißt zwar noch Patrick Bateman und schwelgt ebenso wie einst Ellis’ Schöpfung fortwährend in Exzessen von Luxus und Gewalt. Aber er hat dessen konkreten Hintergrund verloren. Es spielt keine Rolle mehr, in welchem Jahr dieser Bateman seinen sadistischen Mordphantasien nachhängt. Selbst sein Job ist hier nicht mehr von Bedeutung. Dreher und Lampert führen ihr Publikum eben nicht mehr ins New York der späten 1980er Jahre.
Schwarzweißes Höllenspektakel
Die Welt, die sie im Sinn haben, ist ein zeitloser Ort, eine dunkle Albtraumlandschaft wie aus einer Radierung Goyas. Mal erstrahlt sie wie zu Beginn in einem fahlen, kränklichen Grün, dann verwandelt sie sich für einen von Patricks Morden in eine schwarzweiße Schattenspiel-Szenerie, in die am Ende – als sei’s ein Film von Quentin Tarantino – eine Explosion von Rot Farbe bringt. Einen anderen Mord inszenieren Dreher und seine Lichtkünstlerin Awa Winkel dann gleich als ein in stroboskopisches Rotlicht getauchtes Höllenspektakel. Es sind die Farben und Lichter des Wahns, der Patrick Bateman umtreibt.
Was real, was reine Fantasie ist, bleibt wie im Roman und im Film offen. Aber diese Ambivalenz ist nun keine Frage mehr von Moral oder Satire, sondern ein philosophisches Paradoxon. Der Wahnsinn und zugleich die Unsicherheit, ob es unter Batemans perfekter Oberfläche noch so etwas wie menschliche Regungen gibt, flackern von Anfang an in Felix Lamperts Augen. Und auch die junge Ronja Sczepanski, die aus dem Jugendclub des Rottsr5 Theaters kommt, kann ihm keinen Halt geben. Sie spielt alle andere Figuren und ist damit selbst eine Wanderin zwischen Welten, die nicht zusammenkommen. So gewinnt das erste Bild, dieses Gleiten über die Plastikplane, mit der Zeit eine ganz andere Bedeutung. Drehers "American Psycho" und Lamperts mal fast schlafwandlerische und dann wieder manische Performance sind eine einzige intellektuelle Rutschpartie, die nach dem Wesen des Bösen fragt.
American Psycho
frei nach Motiven von Bret Easton Ellis und Mary Harron in einer Fassung von Hans Dreher & Felix Lampert
Regie: Hans Dreher, Licht: Awa Winkel, Sounddesign: Simon Krämer.
Mit: Felix Lampert, Ronja Sczepanski.
Dauer: 1 Stunde 20 Minuten, keine Pause
www.rottstr5-theater.de
Mit "American Psycho" hätten Hans Dreher und sein Team "ein Stück auf die Beine gestellt, das eine der 'must see'-Produktionen des Jahres ist", jubelt Benjamin Hahn in den Ruhr Nachrichten (14.8.2015). Hans Dreher versperre sich in seiner Inszenierung "dem exploitativen Effekt." Er scheue zwar "den Exzess nicht, verlegt aber die Brutalität in Gesten, Worte, Andeutungen. Ausgerechnet das Kopfkino ist Drehers wichtigstes dramaturgisches Mittel – und das geht auf." Wie körperlich schließlich Felix Lampert seinen Bateman spiele, grenze "schon fast an Selbstzerstörung. Zwischen eiskalter Berechnung und schierem Wahnsinn spielt sich Lampert in eine gefühlte Ekstase und lässt die Zuschauer erschüttert zurück."
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