Presseschau vom 4. Januar 2016 – Bruno Ganz beklagt sich über das gegenwärtige Theater
Extrem eitel
Extrem eitel
4. Januar 2016. Und wieder singt einer der großen Alten den Abgesang aufs Theater. Diesmal Bruno Ganz, der im Interview mit Patricia Batlle auf ndr.de erzählt, dass er nicht mehr ins Theater geht: "Ich befinde mich in einer Art Dissens mit dem deutschsprachigen Theater. Ich finde es nicht so toll, was ich da sehe. Deswegen gucke ich es mir auch nicht mehr an."
Und weiter: "Die Art und Weise und wie diese deutschen Superregisseure Ironie zum Programm gemacht haben und das, was sie als Freiheit betrachten, und dieses lustige Herumspielen mit dem Material, das interessiert mich nicht. Ich finde es nicht mehr ernsthaft." Sondern extrem eitel.
(geka)
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Geschichten kann kaum einer mehr erzählen, Vorgänge will und kann kaum einer mehr spielen und alle halten ihre Beschränkung für Fortschritt.
Theater wird aber immer da schwach und irrelevant, wo die von Ganz vermisste Ernsthaftigkeit stiften geht. Wobei auch Ironie ernsthaft sein kann, solange man etwas mit ihr will. Bei Castorf, wengistens jedenfalls beim frühen Castorf hat(te) Ironie oder Sarkasmus dem Text gegenüber einen Sinn. Das war eine Breitseite gegenüber etablierten Stilen. Auch Dekonstruktion à la Marthaler oder Schleef hatte immer einen ernsten Hintergrund, bei Schleef etwa könnte man nicht einmal von Ironie sprechen.
Viele (nicht alle) Regisseure heute haben indes gar nicht das Gegenüber eines etablierten Stils, den sie ernsthaft aufzubrechen versuchen. Sie reproduzieren Castorf'sche Ironie, Castorf'schen Sarkasmus, ohne dass sie wüssten warum. Und das wird auf Dauer echt öde. Da gebe ich Ganz ganz recht.
ich hätte so gerne weiterhin Respekt vor ihnen. Sie dürfen das „heutige“ Theater nicht für einen Almöhi verraten.
Erinnern sie sich: Kann es sein, dass sie einmal in einem Stück mit einem von innen beleuchteten, übergroßen Phallus auf der Schaubühne standen und eine Parodie des Oberon gaben? In einem sehr ironischem Stück von Botho Strauss namens „Der Park.“, in dem der Autor sehr spielerisch mit Shakespeareschen Themen umging? Ein Stück, in dem es recht profane Nachzeichnungen des „Sommernachtstraums“ gab?
Und wenn „ja“, dann begeben sie sich doch bitte auf eine andere Ebene und beschreiben sie, wie sich das moderne Menschenbild aus ihrer Sicht heute entwickelt hat. Sie sind geübt darin, denn sie durchliefen die Schule der Schaubühne von ihrer Gründung her, und versuchen sie nachzuvollziehen, warum Theaterfiguren heute (kaum) anders entwickelt werden.
"Mann beißt Hund" ist keine Nachricht. "Ganz beißt Theater" ist auch keine. Ist eine Presseschau.
Herzlich Wolfgang Behrens
Interessant, daß ein kurzer Abschnitt eines Interviews über seine filmische Arbeiten, hier solche Wellen schlägt.
Als ich 1982 ans Theater kam, haben sich die "großen Alten" fast alle
über Peymann, Zadek & Co. aufgeregt und beschwert. Die wollten ihren alten Gründgens wieder haben.
Also lassen wir ihnen doch ihre Meinung und machen das Theater, wie wir es uns vorstellen und wünschen.