Presseschau vom 2. März 2016: Der Freitag kritisiert zu hohe Zahl an Schauspielabsolvent*innen

Zu viele Schauspieler = schlechte Schauspieler?

Zu viele Schauspieler = schlechte Schauspieler?

2. März 2016. Martin Eich kritisiert im Freitag (Ausgabe 08/16) das "Rekrutierungssystem für Schauspieler". Im Umstand, dass die Schulen zu viele Absolvent*innen auf den Markt werfen würden, sieht er den Grund, dass die Absolventen die Publikumslieblinge als "nicht mehr zu ersetzende Fixpunkte örtlicher Theaterlandschaften verschwinden". Aus Überfluss könne Mangel entstehen.

Das Problem sei bekannt, es gebe allerdings keinen Willen, den Missstand zu beheben. "Staatliche Schauspielschulen fürchten um Apparate und Etats, bilden deshalb über Bedarf aus; Politiker sind dem Statistik-Tuning verfallen und wollen gemäß OECD-Ideal mehr Absolventen – gerne auch von privaten Instituten, die den großen Profit wittern und anstandslos anerkannt werden; Intendanten freuen sich über den stetig wachsenden Konkurrenzdruck, der das eigene Ensemble schikaniert." Die Folge sei Konformismus: "Die Karriere im Blick, nicht anecken: Rebellion war gestern, Bewusstheit im Großen und Kleinen auch."

Alltäglicher Überlebenskampf 

Die Angst vor den vielen Konkurrenten erschwere oder verhindere sogar den Erfolg jener sperrigen Minderheit an Schauspielern, "die Umwege und Integrität nicht als Luxus, sondern als Notwendigkeit betrachtet". Der Bühnenkünstler sei heute häufig nur noch ein Selbstständiger: "Isoliert und desinteressiert, weil Schulen und Intendanten es so wollen." Wer vom alltäglichen Überlebenskampf auf einem überdimensionierten Bewerbermarkt aufgerieben werde, könne Energie nicht in Kreativität und Unabhängigkeit transformieren.

(miwo)

Kommentare  
Presseschau Schauspielabsolvent*innen: zusätzlich
Sehr gut auf den Punkt gebracht!!! Zudem werden die Ensemble auch immer kleiner, was den Druck noch zusätzlich erhöht.
Presseschau Schauspielabsolvent*innen: wie überall sonst
Das Problem ist das gleiche wie in den allermeisten Ausbildungsberufen. Ausbildung befreit erst einmal für einige Jahre den Arbeitsmarkt von arbeitnehmerseitiger Nachfrage. Berufe verschwinden zunehmend. Der Begriff der Arbeit ist indifferent geworden und nicht mehr kongruent mit Erwerbsarbeit. Ausbildung mutiert in vielen Fällen zu Psychosozialtherapie und dieser Umstand wird verschleiert. Das ist das eigentlich Schlimme. Wer das Erlernen eines Berufes heute als Weg zur Erwerbsarbeit sieht und geht, hat das Nachsehen. Die heute im Erwerbsleben "erfolgreichen" Biografien gründen sich auf mehrfacher und möglichst breit gefächerter Motivation, aus der ein ganz eigenes, individualisiertes Berufsbild entsteht, mit dem jemand seinen Platz finden kann. Es müsste eigentlich heißen, ja und studierter Schauspieler bin ich auch, aber das hat noch nicht viel zu sagen... Hier ist ein Generationsproblem entstanden, das weit unterschätzt wird: die ältere Generation mit geradlinigen Ausbildungsbiografien und Berufsleben kann das nicht als Leistung schätzen und die jüngere Generation ist noch nicht in der Lage, Respekt für ihre neue Art der Leistungserbringung im Berufsleben einzufordern.
Presseschau Schauspielabsolvent*innen: Link
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Presseschau Schauspielabsolvent*innen: Systemfrage
Das Problem ist doch vielmehr, dass die Schauspielschulen weiterhin profillose Menschen hervorbringen. Dass diese spätestens nach dem ersten Ausbildungsjahr überhaupt nicht mehr wissen, was sie von Ihrem Beruf wollen, da ihnen das selbstständige Denken systematisch aberzogen wurde. Es sitzen zu viele Personen in Führungspositionen, die überhaupt keine Kompetenzen haben andere auszubilden. Für Gegenbeispiele wäre ich dankbar! @Nachtkritik: Habt ihr mal nachgefragt, mit welchen Methoden heute noch ausgebildet wird? Fragt mal die Schauspielstudenten. In jedem Unternehmen würde da der Personalrat einschreiten.
Presseschau Schauspielabsolvent*innen: Gründer-Wahn
Ja, logisch ist das eine Systemfrage. Was macht ein langzeitarbeitsloser Schauspieler am liebsten?? - Genau. Und wenn er das nicht kann, gründet er eben eine Schauspielschule oder zumindest mit Förderung ein eigenes Studio. Wahlweise auch eine Coachingfirma. Obwohl das eher den arbeitslosen Regisseuren obliegt... Und so eine Firma braucht schließlich Studenten oder "Teilnehmer". Und hat erst gar keinen Personalrat.
Presseschau Schauspielabsolvent*innen: mehr davon
PersonalRat: Oh ja, bitte, viel viel mehr davon! Ich sehne mich danach, endlich einmal zufällig einen profillosen Menschen kennenzulernen und komme so selten an Schauspielschulen dabei. Aber wenn die so hervorgebracht auf die Straße rüberschwappen, klappts vielleicht mal mit dem Zufall!
Presseschau Schauspielabsolvent*innen: Schweigen
In dem oben beschriebenen Fall meint "Coaching" jedoch auch nur Training bzw. Beratung, bei dem das eigene Wissen oder Handwerkszeug (Sprechen, Auftritt, "Präsenz") weitergegeben wird. Damit wären wir dann wieder beim Verblödungsprinzip. Hier bitte sauber zwischen den verschiedenen Coaching-Ansätzen unterscheiden (oder schweigen, wenn man davon keine Ahnung hat).
Presseschau Schauspielabsolvent*innen: was zu tun ist
@WahnSinn. Bitte lassen Sie mir meinen EigenSinn. Sie dürfen Ihre Begegnungen gerne dem Zufall oder Wahn überlassen. Von den (Hoch-)Schulleitungen im Bereich der Darstellenden Künste sollten wir jedoch erwarten dürfen, dass sie wissen, was sie mit den ihnen anvertrauten Schauspielern in spe tun. Ansonsten wünsche ich Ihnen weiterhin viel Erfolg beim anschwappen lassen.
Presseschau Schauspielabsolvent*innen: frustrierte Opfer
oh je, da schreiben aber doch wohl recht frustrierte studenten von privaten schauspielschulen. opfer eines tatsächlich perversen systems. leider alles sehr klischeemäßig die denke der oberen posts. viele grüße von einem glücklichen studenten einer engagierten offenen und vielschichtigen staatlichen schauspielschule.
Presseschau Schauspielabsolvent*innen: Name der Schule
@sich fragender: bitte nennen sie den Namen der Schule. Wäre sehr interessiert positive Beispiele zu finden! Danke (oder sind Sie Lehrer/Dozent einer solchen Einrichtung und glauben nur, dass es ihren Schülern so geht?)
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