Presseschau vom 31. Mai 2016 – Der Bayrische Rundfunk interviewt den Vorsitzenden des Vereins "art but fair"

Fahrrad-fahrende Opernsängerinnen

Fahrrad-fahrende Opernsängerinnen

31. Mai 2016. "Oft glauben Leute im Publikum, dass etwa die Sängerin der Violetta in der "Traviata“ nach der Vorstellung in ihren BMW steigt und auf ihre Finca nach Mallorca fliegt. In Wirklichkeit steigt sie in den Bus oder auf ihr Fahrrad und fährt nach Hause in ihre Ein- oder Zweizimmerwohnung." In einem Interview mit Uta Sailer für BR Klassik (23.5.2016) spricht Johannes Maria Schatz, Vorsitzender des Vereins art but fair, ausführlich über die prekären Arbeitsverhältnisse vieler, die in Künstler-Berufen arbeiten.

"Bei den größten Missständen, die sich laut der Studie ergeben haben, lag an erster Stelle die unsichere Beschäftigungssituation." Während die Anzahl der festangestellten Künstler deutschlandweit stagniere, würde die Anzahl an Gastverträgen für Künstler überproportional ansteigen. "Damit hängt auch die drohende Altersarmut zusammen. Sie lag auf Platz zwei der größten Ungerechtigkeiten: Weil die meisten Künstler mittlerweile freischaffend tätig sind, müssen sie für ihre Rente selbst vorsorgen." Damit eng zusammen hängt selbstverständlich das drittgrößte "Problem" der Künstler in Musik und darstellenden Künsten: Geringe Vergütung. Zudem werden laut der von art but fair betriebenen Nachforschungen immer mehr Künstler nur noch für Aufführungen und nicht mehr für Proben bezahlt.

Insgesamt 75 Prozent aller Künstler würden angeben, "ein Netto-Jahresgehalt zwischen 10.000 und 20.000 Euro zu erhalten. (..) Oft ist es so, das der Verwaltungsangestellte im Hinterhaus mehr bezahlt bekommt als der Solokünstler auf der Bühne."

Johannes Maria Schatz und art but fair schlagen zur Lösung eine Art Kultur-TÜV beziehungsweise Gütesiegel vor: "Kulturinstitutionen wie Theaterhäuser oder Festivals würden sich dann im Idealfall bemühen, dieses Gütesiegel zu bekommen. Im zweiten Schritt müsste dann von der Politik das Bekenntnis kommen, in Zukunft ausschließlich oder zumindest überwiegend nur noch Institutionen mit diesem Siegel zu fördern." In Bezug auf die Wirkungskraft eines solchen Siegels gibt sich Schatz abschließend zuversichtlich: ""Wir kennen solche Gütesiegel ja aus dem Nahrungsmittelbereich oder der Bekleidungsindustrie schon länger. (..) Wenn wir es schaffen, das Publikum dahingehend zu triggern, dass auch sie in Zukunft sagen, mir geht es nicht nur darum, was ich für einen Genuss hatte, wenn der Vorhang gefallen ist auf der Bühne, sondern eben auch darum, wie dieses Kunstprojekt entstanden ist, nämlich mit fairen Arbeitsbedingungen und angemessenen Gagen, dann haben wir ganz viel erreicht."

(BR Klassik/ sae)

Kommentare  
Presseschau Art but Fair: Eigenengagement der Künstler
Wichtiger mit den Künstlern selbst zu sprechen, wie zum Beispiel mit Lisa Jopt vom ensemble netzwerk, die wirklich etwas bewegen.
Was soll dabei rauskommen, wer das Gütesiegel nicht bekommt, der wird zukünftig gemieden? Das würde bedeuten, stark in der Fläche zu werben, damit alle Menschen erreicht, was ein solches Gütesiegel wirklich heisst.

Wenn die Gewerkschaften es nicht geschafft haben, wird eine außenstehende Organisation es kaum eher schaffen, die Intendanten müssen gewonnen werden und die Künstler müssen es selbst in die Hand nehmen.
Presseschau Art but Fair: komische Sprache
Eigentlich ein sehr guter Vorschlag, auch übertragungsfähig in andere Arbeitsfelder(!), das Arbeitgeber-Gütesiegel.- Weniger erfreulich diese Sprache: ... "wenn wir es schaffen, das Publikum zu triggern..." - Wenn man bedenkt, dass Theatermenschen eigentlich berufsbedingt verinnerlicht haben, dass Haltung Sprache erzeugt und umgekehrt... Da kann man dann nur wünschen, dass "art but fair" das nicht schafft!
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