Presseschau vom 27. Juli 2016 – Der Standard interviewt Alvis Hermanis vor seiner Opernpremiere bei den Salzburger Festspielen zu Kunst und Politik

Konservativ und stolz drauf

Konservativ und stolz drauf

27. Juli 2016. "Das Konzept, dass Kunst von Politik handeln muss, entstand erst im 20. Jahrhundert", sagt Alvis Hermanis, dessen Inszenierung von Richard Strauss' "Die Liebe der Danae" demnächst bei den Salzburger Festspielen Premiere haben wird, im Interview mit Andrea Schurian in Der Standard (27. Juli 2016) und bezeichnet sich als "altmodischen Künstler" – "Kunst ist für mich in erster Linie Schönheit und Poesie."

Er habe den Eindruck, dass politische Ideologen ziemlich verwirrt sind. "Links, rechts: Die Gesellschaft nach diesen Kategorien einzuteilen, macht längst keinen Sinn mehr." Die große Bedrohung für westliche Zivilisationen sei die technische Revolution, durch die immer mehr Menschen ihre Jobs verlieren. "Es ist offensichtlich, dass Globalisierung und technische Entwicklung nur einer kleinen Elite dienen und nicht der wahlentscheidenden Mehrheit."

Die deutsche Propagandamaschinerie

Er sei im übrigen nicht gegen politische Flüchtlinge, sondern gegen offene Grenzen. "Ich glaube nicht, dass ich radikal bin, die Mehrheit der Europäer denkt wie ich." Hermanis war im Dezember 2015 in die Kritik geraten, nachdem er seine Zusammenarbeit mit dem Thalia Theater Hamburg aufgekündigt hatte mit der Begründung, er wolle nicht mit dem humanitären Engagement des Thalia Theaters für Flüchtlinge in Verbindung gebracht werden.

"Ich zahlte 10.000 Euro aus meiner Tasche, um angefallene Produktionskosten abzudecken, schrieb dem Intendanten mehrere Mails und bat, mich aus privaten Gründen aus der Produktion zu entlassen. Ich wollte diesen Rückzug nie öffentlich machen. Aber eine, sagen wir, moralisch verkrüppelte Person denunzierte mich, indem sie aus den privaten E-Mails Sätze aus dem Zusammenhang riss, daraus einen Brief bastelte und damit an die Öffentlichkeit ging. Und die deutschen Zeitungen warfen die Propagandamaschinerie an", blickt Hermanis nun im Interview mit Der Standard auf die Vorgänge zurück.

Kultureller Niedergang

Der darauffolgende "Shitstorm" sei "eigentlich ein Déjà-vu" für ihn gewesen: "Die schmutzigen Tricks kenne ich aus der Sowjetunion, wo ich einen Teil meines Lebens unter kommunistischer Herrschaft gelebt habe. Auch da durften nur die Künstler arbeiten, die der offiziellen Mainstream-Ideologie entsprachen."

Er habe verstanden, dass in Deutschland jeder Künstler automatisch links ist. "Sorry, ich nicht. (…) Ich bin konservativ – und stolz darauf." Immerhin habe er "viele zustimmende E-Mails von deutschen Künstlern" erhalten, "auch solchen vom Thalia-Theater". "Aber sie wollten sich alle nicht öffentlich äußern, um keine beruflichen Nachteile zu haben." Er glaube allerdings, dass die deutschen Theater größere Probleme hätten, "als Hermanis zu bekämpfen". "Was mit der Volksbühne passiert, ist eine Tragödie. Ebenso wenig, wie die Deutschen imstande sind, ihre Frauen auf den Straßen zu beschützen, sind sie imstande, ihr kulturelles Erbe zu bewahren."

(sd)

mehr medienschauen