Presseschau vom 7. September 2016 – Die Süddeutsche Zeitung diskutiert über Kuratoren und das zukünftige Stadttheater
Theater der Zukunft
7. September 2016. "Es geht um das System, es geht um das deutsche Stadttheater", schreibt Amelie Deuflhard in der Süddeutschen Zeitung (7.09.2016) in Bezug auf die Volksbühnen-Debatte. "Es geht um die Frage, wie man diese Häuser mit ihrem Personal nutzen kann, ob man sie öffnen, verändern und internationalisieren soll." Die Berufung Dercons löse Ängste vor u.a. Marktangepasstheit und Neoliberalismus aus, die Berufszeichung Kurator werde gerade zum "Schimpfwort". "Der Kurator, die Kuratorin wird zum Inbegriff des Theaterzerstörers. Sein oder ihr Programm steht für internationalen Mainstream und Austauschbarkeit."
Deuflhard beantwortet die Frage, was dieser Begriff heute, wo er inflationär gebraucht wird und sich ohnehin jeder als Kurator seines Selbst versteht, überhaupt bedeutet: "Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Kuratoren sind keine Künstler. Sie sind Forscher, Komplizen der Künstler, Möglichmacher, Anreger oder Berater von Projekten. Sie sind Kontextualisierer (...)". Wenig später ergänzt sie, Kuratoren seien unter anderem "Pioniere im Schaffen von neuen öffentlichen und sozialen Räumen".
Als Positivbeispiele für gut funktionierende Kurator*innen-Arbeit am Theater führt Deuflhard Frie Leysen ("die Grande Dame der internationalen Performanceszene") und das flämische Stadttheater "KVS" in Brüssel an. Dessen Ensemble wurde aufgegeben, um engeren künslterischen Beziehungen zu afrikanischen Künstlern Platz einzuräumen. Dies habe einen produktiven Diskurs über Postkolonialismus ausgelöst und ein "großes Publikum aus der afrikanischen Diaspora" in Brüssel angezogen.
Positiv erwähnt werden aber auch Kampnagel-Projekte wie der Badetempel Hamamness. "In solchen Räumen entstehen Architekturen, denen eine Nutzung eingeschrieben wird und die temporäre Gemeinschaften und Spielräume produzieren. Utopische Räume mit anderen Zeitlichkeiten für die kommende Gemeinschaft." Die Debatte um die Volksbühne wiederum verkompliziere die Tatsache, dass gerade diese mit Projekten wie der Rollenden Roadshow schon früh neue Communities fürs Theater erschloss. Letzten Endes seien es gerade Konzepte wie diese, über die das Theater der Zukunft nachdenken müsse – nicht die Frage, ob ein Regisseur ein guter Intendant sein kann oder ob Kuratoren aus der Bildenen Kunst vorwärts gedachte Theaterarbeit fördern können.
(sae)
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