Presseschau vom 11. September 2016 – Deutschlandradio über die Situation der Theaterschaffenden in Ungarn

s="text_titel_ohne_autor">Im Einparteienstaat

Zur Situation des Theaters in Ungarn schreibt Stephan Oszváth auf der Seite des Deutschlandradios (10.9.2016 - hier gibt's den Beitrag zum Nachhören):

Arpad Schilling vom Teatr Kretakör habe vor laufender Kamera den Vertrag zur staatlichen Förderung zerrissen. Er wolle sich nicht als unliebsamer Theatermacher "allmählich aushungern" lassen, lieber verzichte er ganz, sagt er.

Säuberung des Kulturterrains

Schilling könne sich das leisten. Kretakör lebe von Auslandsengagements und Förderungen aus dem Ausland. Kretakör sei aber auch mehr als Theater. Die Stiftung organisiere "soziale Interventionen, Stadtspiele, produziert Videos, regt zum Nachdenken an – über Nation, über Korruption, über Ausgrenzung von Minderheiten". Das missfalle der Regierung meine Schilling, der glaubt, dass es eine "Art ideologisch grundierten Rachefeldzug in der Kultur" gebe. Die Regierung Orban säubere systematisch das Terrain von den eher links oder liberal denkenden Leute. Das Druckmittel dafür sei das Geld. Das fließe in die großen Häuser und in die "ungarischen Theater in den Anrainerstaaten". Spitzenposten in der Kultur würden mit "regierungstreuen Leuten" besetzt. Was seit dem Putschversuch "an Zensur und Einmischung in der Türkei" zu beobachten sei, kennten die Ungarn schon seit 2010.

Die Folge sei Selbstzensur, meine der ehemalige Intendant des Budapester Nationaltheaters, Robert Alföldi. Ungarn sei ein "Einparteienstaat geworden, wie unter Kádár".

László Hudi vom Dachverband der etwa 100 freien Theater klage über mangelnde Proberäume und die allgemein schwierigen Umstände. Die Projekte könnten sich nur mit Auslandsjobs über Wasser halten, oder indem sie in Schulen auftreten.

Der Nationale

Wer sich dagegen mit der Regierung gut stelle, profitiere. Wie der Chef des Budapester Nationaltheaters Attila Vidnyánszky. Dessen Inszenierungen seien barock. Vidnyánszky betone das Nationale, kritisiere auf der Bühne die EU – und stehe mit den ungarischen Theaterkritikern auf Kriegsfuß, weil sie solche Stücke bevorzuge, die aktuelle politische Fragen sezierten, "regierungskritisch" seien und die Frage der Nation fast ausklammerten. Solche Stücke mache er nicht, meint Vidnyánszky.

(jnm)

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