William Shakespeare bekommt einen Koautor zur Seite gestellt
Shakespeare sind viele
25. Oktober 2016. Unter anderem der Standard berichtet heute über die neue Ausgabe von "Heinrich VI.", das große dreiteilige Historiendrama über den letzten König aus dem Hause Lancaster, an dem William Shakespeare zwischen 1589 und 1592 schrieb.
Das Besondere an der neuen kritischen Ausgabe von Oxford University Press: Man hat Shakespeare einen Koautor zur Seite gestellt. Bereits seit dem 18. Jahrhundert mutmaßt man über eine Beteiligung des Schriftstellers Christopher Marlowe ("Die tragische Historie vom Dr. Faustus") mindestens an diesem Shakespeare-Text. Nun wollen Wissenschaftler Beweise dafür gefunden haben: "Wir zählten, wie oft bestimmte Wörter und Phrasen in den Texten von Shakespeare und anderen Autoren der Zeit auftauchen. Diese Muster sind ziemlich unverkennbar", meint der Literaturwissenschaftler Gabriel Egan. Auf Details können die Wissenschaftler bislang nicht schließen, allerdings steht für sie fest, dass Shakespeare "bei weitem" kein isoliert arbeitender Autor gewesen sein kann.
(der Standard/ sae)
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Frage: Hat man auch im Marlow-Text Belegstellen gefunden, die den Verdacht erhärten, Shakespeare könnte dem Marlowe geholfen haben??? Und wenn ja, warum sollte der??? Das muss den Marlowe absolut gegrämt haben: es gibt praktisch kein desillusionierenderes Urteil über einen Autor (oder Regisseur), als zu bemerken, dass er inhaltlich übertroffen und formal locker imitiert werden kann...Gleichzeitig. Bei lebendiger Konkurrenzsituation ist das natürlich bedauerlich für den imitierten Autor. Ich für meinen Teil käme ohne writers-küchenroom und google ja so gar nicht klar. Schmidt, sagen wir Schmidt, ist mein Co-Autor, das ist die bittere Wahrheit!!!! Ohne ihn ja geht praktisch nix - nicht vor der Dramaturgischen Gesellschaft am Whitboard - Salieri musste auch einst einsehen, dass Mozart bei aller Liebe zur Musik in ihm nicht drin war- Und man kann das auch bis heute soagr prüfen! Wenn man keine Ohren hat, sogar an der Notenschrift pur- Mutmaßende Wissenschaftler sind einfach toll, wenn genug Geld in die Wissenschaft fließt! Genial. Einfach genial sind die. - Is zwar nur eine Mutmaßung, über die Wissenschaftler, in Oxford, aber die Geschichte wird mir darin schon recht geben- Darauf ein Pils!
Die Marlowe-Hypothese ist schon seit geraumer Zeit in der Welt, verbunden mit einer Spionage-Affäre und einem fingierten Mordanschlag. Der Name Shakespeares demzufolge als Tarnung für den im Untergrund weiterlebenden und -schreibenden Marlowe. Interessant lediglich, dass diese wilde Spekulation jetzt sprachwissenschaftliche Adelung erhalten hat.
Das ist so nicht ganz richtig. Sie bringen zwei Themen durcheinander.
Die absurde Verschwörungstheorie, dass Shakespeares Werke von Marlowe geschrieben wurden, ist schon lange in der Welt und wird immer wieder mal aufgewärmt - was sie nicht richtiger macht.
Hierauf bezieht sich aber nicht die erwähnte neue "sprachwissenschaftliche Adelung". Es geht hierbei nur darum, dass Marlowe an den drei sehr frühen Shakespearestücken Heinrich VI 1-3 Teil mitgeschrieben haben könnte - so, wie Shakespeare auch mit anderen Autoren zu Beginn und zum Ende seiner Karriere im Team geschrieben hat (mit Flechter, Wilkins, Middleton, etc). Dieses Schreiben im Kollektiv, ähnlich wie heute im Writer's Room für Fernseh-Soaps, war in elisabethanischer Zeit ein durchaus übliches Verfahren, wenn nicht sogar die Regel, um die texthungrigen Theater schnell mit dramatischen Stoffen zu versorgen.
Begründete Zweifel an Shakespeares alleiniger Autorschaft an Heinrich VI gibt es schon seit vielen Jahrzehnten. Neu an dieser Meldung ist lediglich, dass man meint, mittels computerisierter statistischer Linguistik (stylometric analysis) nun Marlowe als Ko-Autor dieser drei Historiendramen dingfest gemacht zu haben - nicht mehr und nicht weniger. Diese Text- und Stilanalysemethoden stehen erst neuerdings zur Verfügung dank der Erfassung riesiger elisanethanischer Textkorpora in elektronischen Datenbanken, die statistisch nach Auffälligkeiten und Sprachmustern (word-cluster) durchsuchbar sind - und diese ganz neuen Forschungsressourcen haben inzwischen auch zur Identifikation Shakespeares als Verfasser von Textpassagen in Dramen anderer Autoren geführt (z.B. bei Kyd und Munday).
Shakespeare war eben nicht jenes einsam verträumte, solitäre Genie, das die Romantik von ihm gezeichnet hat - er war in die Gebräuche seiner Zeit ebenso eingebunden wie alle anderen damaligen Autoren, die mal im Kollektiv, mal als Einzelautor geschrieben haben. Shakespeare tat vor allem letzteres - aber seine Fußabdrücke finden sich nun vermehrt auch in Texten, bei denen man an ihn bislang nicht dachte; ebenso wie die Handschrift anderer Autoren in einiger seiner eigenen Werke auftaucht.