Presseschau vom 3. November 2016 – Der Berner Bund über den Ensemble-Umbau am Konzert Theater Bern

Garantien für kurz

Garantien für kurz

3. November 2016. Im Berner Bund berichten Lena Rittmeyer und Daniel Di Falco über den Umbau des Schauspielensembles am Konzert Theater Bern. Sechs von vierzehn Schauspielerinnen und Schauspielern verlassen das Haus, zwei von ihnen unfreiwillig.* Dabei hätten Intendant Stephan Märki und Stiftungsratspräsident Benedikt Weibel bei der Abberufung von Schauspieldirektorin Stephanie Gräve im Januar 2016 öffentlich bekräftig, mit dem bestehenden Ensemble in die Zukunft gehen zu wollen, merkt der Bund kritisch an.

"Das Versprechen", mit dem bestehenden Ensemble weiterzuarbeiten, "haben wir gehalten", erklärte Märki auf Anfrage der Journalisten. Allerdings habe sich das Versprechen auf die "Interimszeit" zwischen dem Abgang Gräves und dem Amtsantritt ihres Nachfolgers im nächsten Jahr bezogen. "Über diesen Zeitpunkt hinaus haben wir keine Garantien geben können", sagte Märki. Der neue Schauspielchef Cihan Inan müsse die Möglichkeit erhalten, "'eigene Vorstellungen der Ensemblezusammensetzung' zu realisieren". Märki stufte die beiden Nichtverlängerungen als "vergleichsweise kleine Änderung" ein. "Wenn Sie auf andere Häuser schauen – dort werden bei einem solchen Wechsel nahezu ganze Ensembles ausgetauscht."

Update 18.11.2016: In der ursprünglichen Version des Artikels erklärt Stephan Märki, diese Ensemblemitglieder hätten ihren Wunsch, weiterzuziehen, bereits Ende 2015 formuliert, also schon vor dem Eklat zwischen ihm und Gräve. "Dieser Darstellung widersprechen allerdings drei der vier Schauspieler", ergänzt die Berner Zeitung in einer aktualisierten Fassung.

(chr)

Kommentare  
Presseschau Bern: Schauspieler nur Verschiebemasse
Woanders werden ganze Ensembles ausgetauscht? Auch nicht gut, aber vor allem passieren woanders solche Wechsel nicht im 1.5 Jahrestakt. Rein numerisch betrachtet: Märki ist seit 2011 in Bern, ein Jahr später ging der erfolgreiche Schauspieldirektor Sidler. Laufenbergs Entscheidung weiterzuziehen fiel im zweiten Jahr. Gräve wurde nach einem halben Jahr rausgesetzt, Begründung: persönlich. Jetzt leiten übergangsweise Märki und seine frühere Referentin Krempl das Schauspiel. 2017 kommt jemand mit einem Zweijahresvertrag. 5 Schauspielleitungen in 7 Jahren, die Verweildauer hat sich verkürzt. In Weimar hatte er 5 (Paryla, Potzger, Frings, Winnacker, Schültke) in 12 Jahren.
In der Debatte über Ensemblerechte und Intendantensystem ist das ein Musterbeispiel: die Schauspieler sind nur noch Verschiebemasse. Ihr Engagement und ihre Lebensplanung stehen und fallen im Konfliktfall mit der Intendantenentscheidung, sich von der Schauspielleitung zu trennen.
Jetzt sagt Märki, das Bleibeversprechen, das er auf besorgte Nachfragen geäussert hat, war nur für 16/17. Er hätte ja im Februar gar nicht mehr kündigen können! Wofür war dann das Versprechen?
Presseschau Bern: weiß jemand mehr?
Potdamer zeigt in Zahlen auf, wie schlimm es um dieses Theater und die Ensemblepolitik steht. Man muss ihm nur recht geben. Das Versprechen war nur heisse Luft. Komisch finde ich nur, dass die SchauspielerInnen schon Ende 2015 abspringen wollten. Davon habe ich nun wirklich noch nie was gehört. Stimmt das wirklich Weiss da jemand mehr? http://www.bernerzeitung.ch/kultur/theater/Sechs-Abgaenge-beim-Berner-Theaterensemble/story/23979943
Presseschau Bern: warum?
Es ist wirklich eine Schande, wie hier ein Ensemble zerstört wird (...) Als langjähriger Berner Theatergänger war ich positiv überrascht, welche Art von interessanten Menschen die Schauspielleiterin Gräve nach Bern gelockt hatte. Eine vielversprechende Gruppe junger, engagierter Künstler kam da zusammen, um aneinander zu wachsen. Warum hat man Gräve nicht machen lassen? Auch nach einem Jahr Hick-Hack um ihre Person ist mir immer noch nicht klar, was man ihr vorwirft.
Presseschau Bern: nicht die Wahrheit
@2
Nur ein einziges Ensemblemitglied hat im Dezember 15 das Gespräch mit uns über eine vorzeitige Vertragsauflösung gesucht. Die Äußerung über "diese jungen Ensemblemitglieder" von Stephan Märki in der BZ entspricht schlicht nicht der Wahrheit. Ich habe Konzert Theater Bern und die Zeitung auch schon um Richtigstellung gebeten.
Presseschau Bern: normal?
Ist sowas eigentlich normal?! Ein Intendant sagt öffentlich die Unwahrheit über seine Schauspieler, es wird hier darauf hingewiesen, und niemand reagiert? Ist die Theaterwelt so gleichgültig?
Ich habe die jungen Schauspieler, um die es geht, in Ersan Mondtags ästhetisch toller Vernichtung gesehen und ich habe sie bewundert, weil sie es geschafft haben, mit dem ziemlich dünnen Text präsent zu sein.
Presseschau Bern: die Unberührbaren
@Marie Brenner: Ich glaube nicht, dass Theaterwelt gleichgültig ist, einfach eingeschüchtert. Was die SchauspielerInnen am KTB-SchauspielerInnen - grad auch jene mit Kindern, die unter Druck stehen und sich nicht getrauen, sich zu wehren - noch nicht verstanden haben: Zwar gilt innerhalb des Theatersystems die Meinung der SchauspielerInnen nichts. Sie ist im ersten Moment die unwichtigste Meinung. Was die SchauspielerInnen auch immer sagen, wird zuerst immer belächelt von Intendanz und Dramaturgie (sieht man auch grad am Beispiel Münchner Kammerspiele. Die SchauspielerInnen, die sich da äussern nach Kündigung, werden als dumm hingestellt vom Theaterbetrieb, auch hier auf Nachtkritik von gewissen KommentatorInnen). Ganz anders beurteilen aber die Menschen "da draussen" die Funktion der SchauspielerInnen. Für die Menschen da draussen sind die SchauspielerInnen die TrägerInnen des Theaters. Sie sind die Heiligen. Die Unberührbaren. Die Wichtigen. Wenn die Berner SchauspielerInnen den Mund aufmachen würden, dann würde es zwar hier sicher ein paar wenige blöde Kommentare über "Profilierungsneurosen" etc geben, die Menschen, die Fans, das Publikum und auch die Presse würden diesen gekündeten und unterdrückten SchauspielerInnen sofort beistehen und sie unterstützen. Sie hätten nichts zu verlieren. Der Kampf gegen mächtige lügende alte Männer und ihre Höflinge und Sekretärinnen beginnt hier. Nicht in Washington.
Presseschau Bern: Empfehlung Ensemble-Netzwerk
Man sollte den Schweizern das Ensemble-Netzwerk empfehlen, gibt es da nicht Leute, die sich anschließen wollen? Hey Berner, mal auf Facebook gucken, ihr seid nicht allein!
Presseschau Bern: geldwerter Nachteil
Ein Gang ins Engagement nach Bern ist unser solchen Umständen für Schauspieler kein aussichtsreicher. Man muss erwarten, dass nach einer solchen Vorgeschichte Schauspieler nur dann ein Angebot aus Bern noch annehmen, wenn sie vorher alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft haben.

Da wir Schweizer normalerweise darauf achten, für unser Geld die beste Qualität zu erhalten, muss ich darauf hinweisen, dass Herr Märki mit seiner Ensemblepolitik nicht nur die Schauspieler belastet, sondern auch der Stadt, dem Kanton und den Regionsgemeinden eine geldwerten Nachteil erwirtschaftet.
Presseschau Bern: Meinungsmache
Erneut wird hier Meinungsmache betrieben. Es wird im Namen von Ensemblemitgliedern gesprochen, unter dem Vorwand der Solidarität, dabei werden diese Leute einmal mehr von denen instrumentalisiert, die sich hier als moralische Instanz aufspielen, dabei aber ganz klar eigene Ziele verfolgen. Meines Wissens blickt das Berner Ensemble durchaus positiv und neugierig in die Zukunft mit Cihan Inan. Dass das hier immer wieder anders dargestellt wird von Leuten, die damit schlichtwegs ihre eigenen Interessen verfolgen, ist unendlich ärgerlich, ja widerwärtig.
Presseschau Bern: Darwinismus?
@Max
Die Leute, die dort noch eine Zukunft haben (für zwei Jahre, länger dauert der Vertrag des Neuen ja anscheinend nicht) schauen mit Sicherheit positiv in die Zukunft. Für zwei Jahre. Weil sie den neuen Wechsel überstanden und dort eine Zukunft haben. Es geht aber hier gerade um die Leute, die dort keine Zukunft mehr haben, sondern jetzt ein Problem. Finden sie es "widerwärtig", das zu sagen, zählen nur die, die es "geschafft" haben? Ganz schöner Darwinismus!
Presseschau Bern: meine Ziele
@Max (wie heisst du in Wirklichkeit?): Also ich kann nur für mich sprechen. Ich verfolge ganz offen eigene Ziele. Ich muss nichts verstecken. Diese Ziele sind für mich: 1) Förderung einer neuen Kulturpolitik die mehr auf Jugendkultur und Digitalisierung ausgerichtet ist 2) Informierung von KulturpolitikerInnen über Hintergründe 3) Zuarbeitung hinsichtlich eine Neubestellung des KTB-Stiftungsrats mit jüngeren Personen 4) Machtteilung an der Spitze von KTB. 5) andere Hierarchie- und Produktionsmodelle in der eigentlichen Produktion am KTB aufgrund anderer Geschlechter-Bilder der Machenden. Wenn Stefan Märki unter den neuen Bedingungen, Intendant bleiben will, darf er das natürlich. Natürlich bin ich der Meinung, dass es jetzt eine weibliche neue StadtpräsidentIn braucht, die diese Missstände am KTB beheben hilft und Märkis Macht beschneidet/modifiziert. Deshalb unterstütze ich nun in der Schlussphase des Wahlkampfs für das neue Stadtpräsidium eine der linken SP-KandidatInnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das KTB dann erfolgreicher und weniger willkürlich regiert wird, ist mit so einer linken Stadtpräsidentin grösser. Weil die Identifikation mit dem Role-Model "mächtiger unnahbarer Mann" nicht mehr funktionieren wird.
Presseschau Bern: kein Zufall
http://www.derbund.ch/13483075
"Dies sind Ideen, welche klarmachen, dass die Zeit der selbstverständlichen und unhinterfragten Alimentierung der grossen Kulturdampfer wie Konzert Theater Bern vorbei ist."
Es ist kein Zufall, dass solche Stimmen lauter werden. (…) die Wiederaufnahme von Wie im Himmel wurde sogar abgesagt.
Presseschau Bern: noch mehr Abgänge
http://www.bernerzeitung.ch/kultur/theater/Sechs-Abgaenge-beim-Berner-Theaterensemble/story/23979943

Der Intendant sagt etwas über seine Schauspieler in der Presse und die müssen es richtigstellen lassen. Klingt nach einer offenen und vertrauensvollen Arbeitsatmosphäre in Bern.
Presseschau Bern: Loyalitätsbekundungen?
Hab ich es mir doch gedacht, dass da was nicht stimmen kann. Interessant auch, wie der Intendant am Ende des Artikels jene, die nun als Ersatz gebucht werden, schon gleich instrumentalisiert und vereinnahmt. Die Nennung der Namen dieser Gäste hört sich eher wie eine Drohung an. Im Sinne von: Wenn ihr euch anständig und loyal verhalten werdet, dann werde ich euch vielleicht anstellen. Das Ensemble und die Gäste sollte sich solches Gebahren nicht bieten lassen. Vielleicht möchte man als professionelle SchauspielerIn man an diesem Haus im Moment mehr als nur öffentliche Gelder abziehen (die einem ja auch zustehen, man muss ja von was leben). Interessant ist auch: Bis jetzt an Loyalitätsbekundungen der Ensemble-SchauspielerInnen gemangelt. Wenn sie hinter diesem System stehen würden, hätten sie angesichts dieser flächendeckenden Kritik längst ihr Haus in Schutz genommen.
Presseschau Bern: Regime der Schwachen
Bei Brecht und Elisabeth Hauptmann gibt es die Ja-Sager und die Nein-Sager. "Wichtig zu lernen ist das Einverständnis."
Es geht auch in Bern nicht immer nur um die künstlerische Leistung der Schauspieler, sondern darum, dass sie sich bejahend gegenüber Leitung und leitungsnahen Regisseuren verhalten. Wer nicht bejaht, nickt, Beifall klatscht, muss gehen. Das ist das Regime der Schwachen. Ein Maß für das Regime ist die sinkende Qualität der Kunst. Eine Claque erzeugt kaum mehr als Mittelmaß. Der Betrogene ist der, der dieses System invitiert und keinen Widerstand mehr findet bei seinen Schauspielern. Der Regisseur, der Intendant, der so viel Mögliches verschenkt. Dazu gehören auch Streit, Tränen, Flüche und Antagonismus. Wer das nicht aushält, hat nichts zu suchen im Theaterberuf. Also, Trauen Sie sich, Herr Direktor, und auch Sie, Frau Regisseurin!
Und werte Stiftungsräte. Es offenbart sich, dass ein solches Unternehmen, wie das KTB von einem allein nicht klug zu regieren ist!
Presseschau Bern: der wahre Skandal
Der wahre Skandal ist, dass ein Vorgesetzter öffentlich Lügen über seine Mitarbeiter verbreitet und die Mitarbeiter sich deshalb selbst an die Presse wenden müssen.
Wie verhält sich dazu der Stiftungsrat und die Stadt Bern? Es ist ein subventioniertes Theater! Kann so einer Institution jemand vorstehen, der über seine Angestellten in der Presse lügt?
Das Ganze wirft im Nachhinein auch ein anderes Licht auf den Rauswurf von Gräve und die Aussagen von Märki über sie.
Presseschau Bern: gefährliches Desinteresse
@Potsdamer: nicht nur künstlerisches Personal ist hinsichtlich der Lebensplanung abhängig von den "Launen" der Intendanz / der (Gesamt-) Leitung am Theater - dies trifft auch auf nicht-künstlerisches Personal zu. Dass sich "von außen" trotz Subventionierung der Theater keiner für schlechte bis fehlene Personalpolitik interessiert, begünstigt das Handeln mit der "Verschiebemasse"
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