Verlängertes Kommunikationsproblem

von Christian Rakow

25. November 2016. Wenn Debatten so richtig unübersichtlich werden, wenn die Nebelbomben von hier und dort herunterprasseln, dann muss man sich offenbar in der eigenen Stellung einbunkern. Dann wird auf Linie gebracht, was schwerlich einer Linie folgt.

Richtig, es geht um die Volksbühnen-Debatte und die Frage, ob Chris Dercon der geeignete Nachfolger für Frank Castorf als Intendant des Hauses am Rosa-Luxemburg-Platz ist. Der designierte Berliner Kultursenator Klaus Lederer hat sie jüngst mit einer Infragestellung der Entscheidung aus dem April 2015 noch einmal entfacht (siehe Überblick der Pressestimmen dazu).

Eine Pressemitteilung, die ihrer Überschrift widerspricht

"Michael Müller steht zu Chris Dercon" lautet eine dpa-Nachricht, die heute in einen Kommentar der Tagesspiegel-Feuilletonchefin Christiane Peitz Eingang findet. Der Tagesspiegel schreibt bekanntlich seit Monaten aus der Überzeugung heraus, dass mit Castorfs Volksbühne nach 25 Jahren nun einmal Schluss sein muss und Chris Dercon schon der richtige Mann sein wird. So wenig man bisher über seine Pläne weiß. Entsprechend lautet der Untertitel des kleinen Textes: "Berlins Bürgermeister Michael Müller hält am Vertrag mit Chris Dercon fest. Er stellt sich damit gegen den neuen Kultursenator Klaus Lederer."

Chris Dercon Istanbul 2015 560 Daizafu89 CC BY SA 4 0Dercon oder doch nicht Dercon? Steht das überhaupt zur Debatte? © Daizafu89 / CC BY SA 4 0

Wer den Text allerdings bis ins letzte Drittel liest, wird auf Widersprüchliches stoßen, das der Autorin selbst Stirnrunzeln bereitet: "Müller reagierte nach den klaren Bekenntnis zugleich mit einem gewundenen diplomatischen Manöver Richtung Lederer", steht dort, und dann wird Müllers tatsächlich recht gewundene Position referiert: "Politikern, die ein Amt übernehmen, stehe es zu, Entscheidungen zu hinterfragen. 'In eigener Verantwortung muss das dann vollzogen und geguckt werden, ob man Möglichkeiten sieht, mit getroffenen Entscheidungen auch anders umzugehen als bisher.'"

En vogue: Behauptungen und Verallgemeinerungen

Nachvollziehbarerweise ruft die Autorin an diesem Punkt aus: "Wie bitte? Lederer kann eigenverantwortlich prüfen, aber am Vertrag für Dercon wird nicht gerüttelt?" Bis zu den Kollegen der Textproduktion ist dieser Ruf allerdings nicht gedrungen, sonst wäre die Titelbotschaft "Müller steht zu Dercon-Vertrag" (die auch Seite Eins des heutigen Tagesspiegels ziert) wohl etwas undeutlicher ausgefallen.

Die Volksbühnen-Debatte ist so verdrießlich, weil sie an derartigen Pauschalismen und Vereinfachungen reich ist. Das lokale Konkurrenzblatt, die Berliner Zeitung, schickte jüngst Jens Balzer und Christian Schlüter in den Ring, um der Volksbühnen-Mannschaft um Frank Castorf ordentlich eins auf den Deckel zu geben. In Erinnerungen an das schöne Pop-und-Diskurs-Programm von einst schwelgend (an dessen Weiterführung Balzer in Abenden u.a. mit Tim Renner selbst munter gebastelt hat) rufen sie aus: "Damit ist es aber lange vorbei. Oder kann uns irgendjemand etwas Vergleichbares nennen, das in den letzten fünf Jahren an der Volksbühne stattgefunden hat? Dann schreiben Sie an: Balzer & Schlüter, Berliner Zeitung, 10171 Berlin. Als Belohnung winkt eine Flasche unseres Lieblings-AC/DC-Rotweins 'Back in Black Shiraz"."

von einem der auszog 560 leonoreblievernicht h"Von einem der auszog..." von René Pollesch © Lenore Blievernicht

Mindestens auf die visionäre Oper von René Pollesch und Tocotronic-Frontmann Dirk von Lowtzow Von einem der auszog… hätte man schon kommen können. Und ja, ich würde den Wein gern nehmen. Aber ich fürchte, so richtig stand er gar nicht zum Gebot. Denn das Gebot lautet vielmehr: Behauptungen, wo's an Erfahrung mangelt. Verallgemeinerungen, wo konkrete Auseinandersetzung ausbleibt.

Ein paar Fragen an Chris Dercon

Darin aber verlängert sich lediglich ein Kommunikationsproblem, das die neue Volksbühnenmannschaft um Chris Dercon sich – und den Berliner Medien – gebaut hat. Seit eineinhalb Jahren schweigt das Team um den verdienten und in seinem Format als Museumsmann auch unumstrittenen Tate-Modern-Direktor Chris Dercon zu den Visionen der kommenden Theater-Intendanz. Niemand will konkrete Spielplanpositionen schon jetzt. Aber Ideen in Grundzügen dürften es schon sein. Und wenn dann mal etwas durchdringt, wie die Entwürfe von Francis Kéré für ein mobiles Amphitheater in Tempelhof, dann wird das in München im Vorübergehen verkündet? Kein guter Stil.

Was ist mit Antworten auf Fragen, die seit der Antrittskonferenz im April 2015 im Raum stehen? Zum Umgang mit dem Repertoiresystem etwa. Wird man prägende Arbeiten, die den Charakter der Stadt widerspiegeln, jeden Monat am Haus schauen können, oder gibt's doch ein en-suite-Programm, wie man es vom HAU kennt? Anders gesagt: Sucht man die Identifizierbarkeit eines Angebots vor Ort, oder gibt's fluide Formen, in denen Produktionen alle Quartale mal in die Stadt gespült werden. Was wäre der Gewinn einer solchen Verflüssigung? Wie steht es um die Ensemblebeschaffenheit? Wie um das Verhältnis des Sprechtheaters zu anderen Ausdrucksformen? Wie um die klangvolle Idee einer "digitalen Bühne"? Sicher hat Chris Dercon hierauf Antworten. Man müsste sie nur mal zu hören kriegen.

 

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Kommentare  
Rakow-Kommentar Volksbühne: das übliche Entweder-Oder
Als ich sah, es gibt einen Kommentar von Christian Rakow zum Thema, hatte ich mich schon gefreut und erwartete eine ausgewogene Reflexion zu diesem Thema. Leider scheint es solche aber zur Causa Volksbühne nicht mehr zu geben oder geben zu können. Und so haben wir auch hier das übliche Entweder-Oder, die alberne Polarisierung. Das Kommunikationsproblem kommt ausschließlich von der Seite Dercon-Renner, die Vereinfachungen, Behauptungen und Verallgemeinerungen nur von denen, die Dercon eher wohlwollend gegenüberstehen, der Vorwurf des Kampagnenjournalismus steht (unausgesprochen) im Raum und trifft natürlich nur die Dercon-Apologeten.

Nein, lieber Christian Rakow, so einfach und schwarz-weiß ist das eben nicht. Auf beiden Seiten (so man die Existenz zweier Seiten akzeptieren will), wird verallgemeinert, unterstellt und ohne irgendeine faktische Grundlage behauptet. Egal wo man steht – und es ist bekannt, dass ich eher nicht zur Fraktion "Die Volksbühne muss bleiben, wie sie ist" zähle – wenn man eine sinnführende Diskussion will, sollte man die fundamentalistischen Positionen (und auch die in Teilen besorgniserregenden Positionen und Tonalitätet der einen oder anderen öffentlichen Auslassung) zur Kenntnis nehmen und hinterfragen. Ob die abschließenden Frage wirklich zum jetzigen Zeitpunkt schon zu beantworten sein müssten, ob es für einige von ihnen gar eine faktische Grundlage gibt, auch darüber kann man unterschiedlicher Meinung. Wem aber an der Volksbühne und dem Theater im Allgemeinen gelegen ist, von dem erwarte ich ein Mindestmaß an Offenheit für die Möglichkeit differierender Meinungen. Was mich an diesem Kommentar besonders ärgert, ist dass er die Dercon-ist-böse-Castorf-ist-gut-Fraktion bestätigt und keinerlei Anstöße gibt, vielleicht mal die eigene Position zu hinterfragen. Wie gesagt: Das sollten beide "Seiten" tun.
Rakow-Kommentar Volksbühne: Missverständnis?
#1 Habe ich da etwas mißverstanden? Ich dachte, Dercon-ist-böse-Castorf-ist-gut ist keine Position, sondern einfach ein Fakt. :)
Rakow-Kommentar Volksbühne: es bleibt bei Polarisierungen
Herr Rakow hat in der Vergangenheit in dieser Thematik schon sehr deutlich Stellung bezogen und das ist ja auch sein gutes Recht. Ansonsten schließe ich mich in jedem Punkt #1 an. Es bleibt bei Polarisierungen und Fragen, die zum Teil wirklich jetzt noch nicht beantwortet sein müssen bzw. zum Teil schon längst beantwortet sind.
Rakow-Kommentar Volksbühne: Verdacht
Vielleicht darf man auch verstehen: Müller hat zur Halbzeit übernommen mit Renner und musste blind vertrauen vor der gründlichen Einarbeitung in alle und eben auch in das gerade Kulturressort für das neue wegweisende Entscheidungen anstanden. Dabei hat ihn einiges überzeugt und einiges weniger, ohne starke Gegenargumente auffahren zu können. Es wird schließlich keiner als OB geboren und als Kultursenator auch nicht. Ich denke schon, dass alle kraft ihrer erworbenen Kompetenzen versucht haben, eine gute Lösung für Berlin zu finden. Und sich vielleicht einfach geirrt haben, weil schon Theaterleute selbst kaum eine Übersicht über die Theatervielfalt, die inzwischen entwickelt wurde haben. Warum müssen das dann die Politiker noch besser als die können? Vor allem in Zeitrahmen entwickeln, der äußerst eng gesteckt ist und auch andere Ressorts mit zu berücksichtigen hat. Der neue Koalitionsvertrag zeigt, z.B. mit dem Anstreben der Offenlegung der angebotenen und angenommenen Verdienste auf den entsprechenden Posten, dass es nicht darum geht, Freie Szene oder Theater zu beschränken - auch die Signale von Grüttner gehen nicht dahin. Sondern, dass es auch um etwas wie prinzipieller "Entfilzung" geht im Kulturbereich. Bemerkenswert ist doch der Satz von Schmitz bezüglich Dercon zu der Causa. Verkürzt würde ich sagen: die Entscheidung von Renner für Dercon in der Stadt war vielleicht gut. Für Dercon als VB-Intendant jedoch schlecht. Seine last-minute-Entscheidung für die neue Staatsballett-Kombi: mutig und gut. Gleichwertig visionär mit der, die Schmidtz einst in Bezug auf die Opern getroffen hatte und bei der die Entwicklung des Balletts eventuell hinten runterfiel. Ich finde den Vorwurf an Lederer aus eigenen Reihen genauso unsinnig wie den, den Renner am Beginn hinzunehmen hatte: den der völligen kulturellen Inkompetenz, weil der eben nicht genau der Theatergänger ist, wie man eben aus einer anderen Sozialisierungstradition und zwanzig Jahre älter auch sein kann... Müller hat Kultur abgegeben aus dem Chefbereich. Und er kann gar nicht anders, als zeigen, dass er richtig abgegeben hat. Dercon konnte auch relativ schnell wissen, dass in dieser Stadt, der Hauptstadt, bald gewählt wird und sein Vertragsabschließer dann eventuell nicht mehr sein Chef sein wird. Er hat deshalb auch Zeit gehabt, Vertreter eventuell anders ausgerichteter Kultur-Interessen von sich und seinen Plänen für diese Stadt zu überzeugen. Dercon ist doch ein sehr kluger Mann! Warum also hat er das nicht getan??? Hätte er, müsste ja Lederer nicht prüfen wollen. - Ich glaube, genau das ist es, was Schmitz uns elegant nicht sagen wollte. Die Wahrheit ist dem Menschen aber zumutbar.
Rakow-Kommentar Volksbühne: kein lächerlicher Streit
Übrigens sollte man den Personalien-Streit sich nicht ausreden lassen dadurch, dass er Berlin international "lächerlich" machen könnte. Macht er bestimmt nicht. Berlin war lange eine geteilte Stadt in einem irgendwie geteilten Land, es ist gut und alles andere als lächerlich, wenn da gestritten wird um die Kultur und darum, für wen alles und für welches ehemals geteilte Land diese Stadt - auch kulturell - Hauptstadt sein will! In jeder anderen irgendwie geteilten Stadt der Welt wird so ein Streit verstanden und auch nicht als lächerlich bezeichnet werden!
Rakow-Kommentar Volksbühne: wo der Kampagnenjournalismus wirklich zuhause ist
Lieber Sascha, Dercon wurde aber bisher gar nicht öffentlich in den Medien hinterfragt. Es gibt nur einen offenen Brief der Volksbühnenmitarbeiter, der in den Medien zwar besprochen, aber als legitime Meinungsäußerung meist gar nicht ernst genommen wurde. Wenn es hie und da einen Kommentar auf Nachtkritik für die Volksbühne ohne Dercon gab und immer wieder mal wieder gibt, oder ein Statement der Redakteure dazu, ist das noch lange keine Fortsetzung einer Kampagne gegen Dercon, die auch weiterhin in der regionalen und überregionalen Presse, bis auf einen kleinen Artikel in FAZ (nicht gerade eine Hochburg der Volksbühnenfans) gar nicht stattfindet. Der Streit, der wie gesagt bisher keiner in den öffentlichen Medien war, wurde jetzt nach Bekanntgabe der Personalie Lederer und seiner Äußerung, Dercons Berufung zu überprüfen, erst durch den Tagesspiegel neu entfacht. Mit, wie man nachlesen kann, sehr drastischen und polemischen Äußerungen, die nicht vor Trump- und Iran-Vergleichen halt machen. Dazu gab es bisher lediglich eine direkte Antwort mit einem Pro-Dercon-Inhalt im Freitag, den wahrscheinlich gar nicht so viele Leute gelesen haben. Moderate Töne gab und gibt es wieder aus der Berliner Zeitung von den in Sachen Volksbühne durchaus kompetenten Theaterkritikern Seidler und Pilz. Dass die Feuilleton-Redakteure und Popkritiker Balzer und Schlüter in das Horn von Rüdiger Schaper aus dem Tagesspiegel stoßen mussten, ist gerade noch aus Gründen der Meinungsvielfalt vertretbar. Allerdings ist die überwiegende Mehrheit der Journalisten klar auf der Seite Dercons. Der Kampagnenjournalismus, von dem du schreibst, richtet sich gerade einzig und allein gegen Klaus Lederer. Das hat aber meiner Meinung nach kaum noch etwas mit dem Streit um die Volksbühne zu tun. Der Artikel von Balzer und Schlüter strotzt nur so vor billiger Polemik gegen den Linkspolitiker. Es drängt sich mir der Eindruck auf, hier soll eine Rot-Rot-Grüne Koalition im Bund schon im Ansatz für gescheitert erklärt werden. Dazu gab es sogar einen fast schon unglaublichen Kommentar vom Leiter Innenressort der taz, der sich zwar nicht über eine angeblich provinzielle Kulturpolitik mokierte, die Linkspartei aber in einer Irrsinns-Vision eines Einmarschs Russlands in Lettland als unsicheren Kandidaten für die Außenpolitik gegen Putin bezeichnet und wegen eines August-1914-Trauma der Linkspartei (nicht etwa der SPD) Rot-Rot-Grün für tot erklärt. In der Berliner Zeitung amüsiert sich Kolumnist und Historiker Götz Aly über den „Genderstar“ in den Schriften zum Koalitionsvertrag. Und zu den ständigen Vergleichen der Linkspartei mit der AfD sage ich schon gar nichts mehr. Das alles nimmt Ausmaße eines neuen Kalten Kriegs der Worte in der ehemaligen Mauerstadt an. Um Inhalte geht es schon lange nicht mehr. Und wie gesagt, wir reden hier nicht über offene Briefe oder Kommentare im Internet, sondern über Hauptstadt-Journalismus. Hier muss man fast schon konstatieren, 25 Jahre Volksbühne unter Castorf sind scheinbar ohne Wirkung verpufft. Oder sollen sie gerade wegen der Angst vor ihrer Wirkung unbedingt beendet werden?
Rakow-Kommentar Volksbühne: Stramm
Dercon wurde nicht öffentlich hinterfragt? Kann man hier denn alles hinschreiben? Balzer und Schlüter sind die erste abweichende Meinung zu Dercon im Ostblatt seit anderthalb Jahren Kampagne Seidler und Co, die heute wieder übernommen haben (als "echte Berliner", wie man am Schluss lesen kann und womit den Zugezogenen wieder mal gezeigt wird, wo der Hammer hängt), die SZ mit Dössel und Laudenbach ist im Theaterfeuilleton geradezu monothematisch. Muss man dies echt erwähnen? NK hat ja den Dissens auch nur über die Außendienstmitarbeiter hingekriegt, der Berliner Stamm steht einigermaßen stramm. Aber Ihr dürft Euch gern marginalisiert fühlen, wenn es der Sache dient.
Rakow-Kommentar Volksbühne: Sorry
Sorry, da hab ich mich wohl etwas in Rage geschrieben. Der Freitag hat natürlich einen Pro-Castorf-Artikel veröffentlicht. Übrigens den einzigen, den ich kenne. Ansonsten wäre ein verstärkt inhaltlichen Informationsfluss zwischen den Beteiligten in dieser nun öffentlich in den Medien geführten Debatte dringend erforderlich. Es muss kein runder Tisch sein, aber vielleicht eine Informationsrunde zwischen neuem Kultursenator und neuer Volksbühnenleitung. Eine Rückkehr zu Castorf, und da widerspreche ich dem Artikel Freitag, kann es nicht geben. Und so verstehe ich auch Klaus Lederer nicht. Über die zukünftigen Aufgaben Dercons kann und muss man aber reden. Ansonsten machen es andere, und damit ist der Diskurs nicht zu befrieden.
Rakow-Kommentar Volksbühne: Gut/ Böse
#1 Lieber Sascha, um der nun wirklich steilen Verallgemeinerung (Dercon-böse-Castorf-gut ?!?) vorzubeugen: Ich für meinen Teil finde Castorf gut, zumindest seine Kunst. Aber ich halte auch Chris Dercon für einen guten Mann. Ob er am richtigen Platz ist, wird sich zeigen. Was ich aber grundlegend ungut finde, ist eine Kommunikationsstrategie, die darauf setzt, allen Fragen und teils auch Bedenken durch Stillschweigen zu begegnen. Das führt dann wieder zu einer unguten Debattenlage (siehe oben).
Rakow-Kommentar Volksbühne: Berliner Zeitung
In der Berliner Zeitung steht heute aber ein wohltuend gelassener und guter Beitrag zum Thema, darauf sollte man auch hinweisen!

http://www.berliner-zeitung.de/kultur/debatte-um-die-volksbuehne-um-das-theater-wird-gestritten-wie-lange-nicht-25164914
Rakow-Kommentar Volksbühne: Alles gesagt
Lieber Christian, du gehst von Voraussetzungen aus, die Teil des Problems sind. Wieso sollte die künftige Volksbühnenleitung verpflichtet sein, jetzt bereits ihre Pläne vorzustellen? Ist das bei Intendanzwechseln üblich? Fordert man das von Reese? Die Kommunikationsstrategie ist doch nur dann als problematisch zu werden, wenn man eine erwartet, wenn man also will, dass anders kommuniziert wird als sonst üblich. Du darfst das natürlich so sehen, wo es aber schwierig wird, ist wenn man diese erwartete "Kommunikationsstrategie" unhinterfragt als notwendig setzt und nicht mitdenkt, dass sie in anderen Augen vielleicht völlig normal sein könnte. Das Problem ist einfach, dass die meisten in dieser Diskussion auf einem Auge blind zu sein scheinen. Das ist einfacher, ich kenne das von mir, bringt aber nichts. Das Problem ist weniger die Kommunikationsstrategie des Senats oder Dercons, sondern deine Erwartung daran, die gerechtfertigt sein kann, es aber vielleicht auch nicht ist. Dich führt sie aber dazu, dass du die "Schuldfrage" eindeutig verortet siehst und ich glaube, das ist nicht fair.

Zu Stefan sage ich lieber nichts, du kennst meine Ansichten hierzu und ich deine. Es ist aber natürlich Unsinn – und ist Symptom der vergifteten Diskussion – wenn du behauptest, es gäbe keine Anti-Dercon-Kampagne auch in Teilen der Medien (dieses Portal ist ein gutes, aber nicht das einzige Beispiel). Es gibt Unterstellungen und Vereinfachungen auf beiden Seiten. Das ist Fakt, auch wenn diese im postfaktischen Zeitalter – und dafür, was das heißt, ist die Volksbühnendiskussion ein Paradebeispiel – nicht mehr viel gelten.

Und damit bin ich raus – es ist schließlich schon alles gesagt. Vor Monaten.
Rakow-Kommentar Volksbühne: Kammerspiele 2.0?
Lieber Christian Rakow, die Debattenlage ist nun mal wie sie ist. Und daran ist natürlich u.a. die schlechte Informationspolitik des alten Kulturstaatsekretärs Renner, auf den sich Müller fast blind verlassen hat, schuld. Aber auch die ständige Unterschätzung des Widerstandspotentials einer Volksbühnenbelegschaft, die sich eben nicht einfach einem von oben angeordneten Erneuerungsprozess unterwerfen wollte. Man hat das einfach nicht für möglich gehalten, dass jemand im Theaterbetrieb so vehement seine Interessen vertreten könnte.

Dass das in den Medien seinen Wiederhall findet war klar. Auch gab es da zunächst etwas Verwunderung über die Personalie Dercon, sogar von Seiten Rüdiger Schapers, nur hat sich die ja sehr schnell gewandelt. Nur noch wenige, wie etwa der von Altpapier ins Feld geführte Peter Laudenbach, haben da noch gezweifelt, ob Dercon tatsächlich der Richtige für die Volksbühne ist. Ich kenne allerdings keinen einzigen Zeitungsartikel vor der Berliner Wahl, der den Tenor Dercon-böse-Castorf-gut-gehabt verbreitet hätte. Da wären höchsten einige Stimmungsberichte aus dem Kreis der alten Volksbühne. Hätte man die totschweigen sollen? Hier lesen einfach einige zu viele Kommentare im Internet. Die bilden natürlich eine ungefähre Stimmungslage unter Berliner Theaterinteressierten ab, allerdings stellen sie noch lange keine umfassende öffentliche Meinung dar.

Wenn aber Sascha Krieger sich beschwert, es gäbe keine ausgewogenen Reflexionen zum Thema, dann liegt das einfach daran, dass lange überhaupt kein Kultur-Journalist richtig an das Thema ran wollte. Da schwelt dann so etwas unausgesprochen herum, bis einer kommt, der den Mut hat, das Ganze auch öffentlich noch mal zu überdenken. Aber wie ausgewogen sollten diese Reflexionen denn bitteschön aussehen, wenn dann sofort auf diesem Mann herumgehackt wird? Das ist doch auch am Thema vorbeidiskutiert.

Je breiter die Neubesetzung der Intendanz an der Volksbühne vorher diskutiert worden wäre, umso besser und reflektierter würden jetzt alle dastehen. Jetzt muss Dercon halt mit diesem Makel seinen Job in Berlin antreten, aber vielleicht hilft ihm das ja, nicht die Fehler der neuen Kammerspiele in München zu begehen, die nach nicht mal zwei Jahren nun in der schweren Kritik der Münchner Presse stehen. Eine Debatte Kammerspiele 2.0 braucht Berlin sicher nicht.
Rakow-Kommentar Volksbühne: Alles bleibt gleich
ist eher eine Sache der Sprache.
politische Sprache bleibt oft im ungefähren - und lässt bewusst Hintertüren auf. Lederer schlägt auf - um seine Klientel zu befriedigen. Müller will den Koalitionspartner nicht direkt brüskieren - und gleichzeitig nicht als unlauterer Vertragspartner da stehen, die message ist also: vertrag steht, aber wir verstehen dass Lederer seine Fangroup streicheln muss.

Dass dieser "Gegensatz" so scharfsinnig "aufgedeckt" wird ist pure Heuchelei. längst haben sich Journalisten wie Peter Laudenbach und Rüdiger Schaper (um nur zwei zu nennen, die es ganz ungeniert betreiben) als Aktivisten in die Debatte eingemischt, es wird nicht mehr viel berichtet, sondern stattdessen nur noch "gemeint". Selbstverständlich kann jeder eine Meinung haben - und die auch in der SZ oder im Tagesspiegel oder in der Berliner Zeitung äußern - oder halt hier in den kommentarspalten der Nachtkritik.
Auffällig ist dabei das permanente aneinander vorbei reden, das Desinteresse an anderen Meinungen und die Vehemenz. Lederer handle wie trump - und Renner war der neoliberale Gottseibeiuns, dessen Namen wir nicht aussprechen dürfen. jeder Artikel zur "Sache" strotzt vor Unterstellungen, die Skandalisierungsabsicht ist leicht erkennbar. Kaum kündigt eine Kollegin in München - wird gleich der alte hut Performance versus Schauspieltheater aus der Kiste gezogen - und, oh Überraschung, mit der "Volksbühnenkrise" in direkten Bezug gesetzt. Die große Krise, die Vierhundersechsundneunzigste. Das Feuilleton als Echokammer der ewig gleichen Melodien.
Könnte man eigentlich nach Facebook verlagern. Und dann schnell auf digitale Diät gehen.
Rakow-Kommentar Volksbühne: Glückwunsch
@Krieger: Wenn ein so berühmtes, stadtidentitätstiftendes und markantes Theater so komplett und per Dekret umgewandelt wird. Wenn es so massive Fragen sowohl einer Belegschaft als auch einer weiteren Öffentlichkeit gibt. Wenn die Entscheidung für Chris Dercon anfangs von vielen Seiten zunächst mit großer interessierter Neugier zur Kenntnis genommen wurde. Wenn die brennenden Fragen, die später auftauchten, von Dercons diletantischen bis arroganten Verlautbarungen extern und uninformierten peinlichen Auftritten intern (die das Protestschreiben der Mirabeiter ja erst provozierten) erst ausgelöst wurden - da glauben Sie wirklich, es besteht kein Gesprächsbedarf zwischen Chris Dercon und der Stadt, für die er Theater machen will? Ich kann Sie zu dieser Ignoranz nur beglückwünschen.
Rakow-Kommentar Volksbühne: Komm.-Probleme
Der Herr Dercon hat das Protestschreiben der Mitarbeiter schon sehr ernst genommen. Flink hatte er ja nachgerechnet, wieviel freie und feste Mitarbeiter da unterschrieben haben und auch in Einzelgesprächen nachgefragt, ob die jeweiligen Gegenüber unterschrieben haben. Vielleicht wäre es besser gewesen, nachzufragen, warum die Leute unterschrieben haben und hätte auch nicht jede fehlende Unterschrift als Votum für sich zu beanspruchen sollen. Wenn Eitelkeit die Taten lenkt....
Die Petition, die sich auf den Brief der Mitarbeiter stützt, bekommt gerade wieder viele Stimmen.
Sogar Balzer und Co benannten in ihrem Pro-Renner-Artikel in der Berliner Zeitung Dercons erratisches Kommunikationsverhalten als Problem. Im Übrigen habe ich das Gefühl, dass gerade dieser Artikel, der von Unterstellungen nur so strotzte, das Fass bei vielen Berlinern zum Überlaufen gebracht hat.
Und warum sucht er nicht selbst das Gespräch mit Lederer? Wenn seine Vorbereitungen denn so weit fortgeschritten sind, müsste er doch die Initiative ergreifen und nicht abwarten. Stattdessen bringt er Lederer in eine Linie mit Pim Fortuyn, oberflächlich gesehen. Wie ich in dem anderen Thread schon schrieb, ist es aber ein Verweis auf die vielleicht größte Niederlage in seinem Leben (2002). Der geneigte Leser darf sich jetzt was aussuchen. Die Unverschämtheit oder eine passiv-aggressive Äußerung. Beides nicht hilfreich für ihn. Hatte er nicht diesen formidablen Pressesprecher?
Jedenfalls muss es endlich zu einem Ergebnis kommen. So oder so.
Rakow-Kommentar: obs für ein miteinander reicht
sorry ,
die einen scheissen sich ein, weil die volksbühne nicht mehr der heisse nadelpunkt in berlins mitte ist.
die anderen, weil sie gerne genau den daraus machen wollen.

volksbühne, die am rosa luxemburg platz vs volksbühne.17/18

gewonnen haben eh beide.
die alten, weil sie die sind, die sie sind, und jetzt mythos werden.
(wenn sie die bastion nicht halten dürfen)

die neuen, weil sie den alten namen übernehmen könnten, fein für die vita. (wenn sie die bastion nicht übernehmen dürfen, ist eh die provinzgedachte kulturpolitik schuld,)

wenn dercon übernimmt, muß er schnell, gut und erfolgreich liefern.

wenn dercon sich mit etwas anderem abspeisen läßt, ist es eh schnuppe,
doch was ist dann los im stalinbebildertem intendantenzimmer?
will frank überhaupt noch???

beide wollen nicht ertrunkenen flüchtlinge im mittelmeer.
ob dies reicht, für ein miteinander ???
Rakow-Kommentar Volksbühne: abwickeln
Diskussion Volksbühne
Ich hätte ja gar nicht gedacht, dass die Volksbühne, in der Frank Castorf jetzt noch Intendant ist, genauso wie Tim Renner jetzt noch Kulturstaatssekretär (was mal die einen, mal die anderen schon aus ihrem Gedächtnis und ihren Überlegungen gelöscht haben), dass die Volksbühne in der westlich, insbesondere ‚westberlinisch‘ geprägten Mehrheitsgesellschaft so tief gehasst wird, die Ungeduld, diese OST-Bastion zu erobern, dieses letzte gallische Dorf zu vernichten, so ausgeprägt.
Und man ahnt, was nach der Eroberung kommt: Wie sich neue Herren in bräsiger Selbstgerechtigkeit, fern jeder „zerrissenen Lebenspraxis“, im Glanz ihrer Werte oder ihres Wertes, auf Ai-Weiwei-Abenden sonnen, denen – jetzt macht ja auch die Berliner Zeitung mit – „intellektuell anregende Diskursveranstaltungen“ (Jens Balzer & Christian Schlüter), man denke etwa an Günther Oettinger, folgen. Und natürlich keine Sitzsäcke (vielleicht Clubsessel ?) und Putin-Bashing statt Dostojewski-Ergründung.
Nicht unerwartet hat sich das ewige FRONTSTADT-Blatt TAGESSPIEGEL positioniert, wo sich Christiane Peitz jede Korrektur der intervenierenden Kulturpolitik Tim Renners mit dem entwaffnenden Satz „Eine intervenierende Kulturpolitik ist gefährlich.“ verbat.
Dabei durfte Christoph Menke in der FAZ schreiben: Wer die Volksbühne „abwickeln will, vergeht sich an der Kunst“. Ist das aus Versehen durchgerutscht?
Frank Castorf behauptet ja von sich selbst, dass er die Rage, den Furor, die Wut braucht, um künstlerisch produktiv zu sein. Grund hätte er jetzt genug, Wir sind gespannt, (ob) was kommt.
Rakow-Kommentar Volksbühne: gelangweilt
Lieber Claus Günther,

ich bin eher unheimlich gelangweilt. Die Debatte ist in ihrer Wiederholung noch öder als im Original!
Rakow-Kommentar Volksbühne: Hutschnur
eigentlich mag ich die Verbindung zwischen Theater und Kunst: Performance, Installationen, Musik, ein bisschen mit Politik gewürzt und natütlich dann auf ner intelligenten ästhetischen Basis. Das ist die Grundlage der "alten " Castorfschen Volksbühne, aus deren Zutaten Dercon jetzt angeblich neue Internationale Lust ins etablierte Osthaus wehen will. Gab es alles schon, also klare Fortführung, krine Aufregung. Wenn er aber Intendant eines SCHAUSPIELhauses werden will und lauthals kräht, dass er sich für TEXTE und SPRACHE nicht interessiert ( selbst Murmelmurnel von Fritsch beschäftigt sich auf seine Art mit Sprache!), also offensichtlich kein Gespür für das Metier besitzt, das er in Zukunft leiten soll... dann platzt mir die Hutschnur , und ich sehe nur noch rot. Sorry.
Rakow-Kommentar Volksbühne: alle gleich
Claus Günther, genau umgekehrt wird ein Schuh draus. Wer setzt in großen Lettern auf sein Haus OST? Die Volksbühne.
Wer versteht wirklich gar nichts von Kulturpolitik, sondern vermutet hinter allem nur Geld- und Machtinteressen? Dirk Pilz von der Berliner Zeitung, die nur im Kulturteil immer noch ein Bollwerk des Wir-sind-die-Besseren-Ostens ist.
Und wer reagiert aggressiv und panisch, wenn man einem Theater nicht die alte Identität bei einer neuen künstlerischen Leitung lassen will? Die, die grundsätzlich Feindschaften gegenüber allem Fremden hegen.
Ihr seid echt alle gleich.
Rakow-Kommentar Volksbühne: meinungsstark
Für die Theaterkritik sollte man allein aus kulturpolitischen Gründen für ein jounalistisches Bollwerk Pilz in der BZ plädieren dürfen: da wird ja so ich habe läuten hören ein gutes Drittel der Redakteure aussortiert durch Umstrukturierung - die bewährten Redakteure dürfen sich zwar mit-bewerben um den verschlankten Postenpool, aber jede Wette: auch da sind Praktikanten, die die von der Software erstellten Texte mit journalistischem Gestus redaktionell redigieren dürfen, eher willkommen als Journalisten, die sich über Tatsachen in ihrem Gesichtskreis gründlich und unter Einsatz persönlicher Anwesenheit informiert haben und darüber sich eine eigene Meinung gebildet haben. Es braucht nicht mehr unbedingt eines Erdogans heutzutage, um meinungsstarken Journalismus oder investigativen Journalismus zu Konformität zu kanalisieren, zu zensieren oder ganz mundtot zu machen - ich bin mir nicht sicher, ob Theater das weiß?
Rakow-Kommentar Volksbühne: Kontinuität
Paranaoia-Resolution
Von der “genau umgekehrten“ (#20) Position ist gewiss auch Martin Baucks (#18) nicht unheimlich gelangweilt und angeödet. Dabei wäre es ja so schön, wenn – zum Beispiel durch ein verbindliches Bekenntnis zur atmosphärischen und – zumindest teilweisen - künstlerisch-inhaltlichen Kontinuität der Volksbühne - Dirk Pilz, ich und andere wie anna (#19) erfahren würden, dass wir paranoischen Überzeichnungen aufsitzen. Die rühren sicher auch daher, da sind sich Volksbühne, Berliner Zeitung und viele andere „Arbeitgeber“ ähnlich, dass heute recht schnell berufliche Existenzen zur Disposition gestellt werden können, ohne dass darin ein Beitrag zur Verbesserung der Welt erkennbar wird. In die ganz grosse Weltpolitik (#21) muss man deswegen nicht gleich ausgreifen.
Rakow-Kommentar Volksbühne: Berlin und die Welt-Politik
#22 zu 21 und retour: Nein, muss man nicht. Aber darf man auch mal, damit auch mal in unserer kleinen Berlin-Politik klar wird, dass wir mit der ganz großen Weltpolitik auf allen Ebenen zu tun haben. Und eben auch umgekehrt.
Rakow-Kommentar Volksbühne: ohne Waffen
kultur ohne waffen,

ich lach mich schlapp.
meine fresse, wie doof will man eigentlich sein, um diesen austausch nicht als weichgespülte feindliche übernahme zu begreifen.

ihr wißt alle was ich damit meine.

machts besser
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