Presseschau vom 13. Dezember 2016 – Die Neue Zürcher Zeitung spricht mit Matthias Lilienthal über seinen umstrittenen Kurs für die Münchner Kammerspiele

"Überhaupt kein Bruch"

"Überhaupt kein Bruch"

13. Dezember 2016. Er würde nichts anders machen, wenn er "jetzt die Zeit anderthalb oder drei Jahre zurückdrehen könnte", sagt Matthias Lilienthal im Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung. Im Rückblick auf seine ersten anderthalb Spielzeiten als Intendant der Münchner Kammerspiele, die zuletzt in die Dauerkritik geraten sind, räumt Lilienthal ein: "Ich hatte ehrlicherweise vonseiten der Zuschauer in der ersten Spielzeit mit stärkeren Reaktionen gerechnet und gehofft, dass die Medien in einer anderen Art und Weise unsere Arbeit übersetzen würden."

Er entwickle "sehr auf eine Stadt zugeschnittene Konzepte", deswegen käme er nicht auf die Idee, etwa am Zürcher Schauspielhaus dasselbe zu machen wie hier. Ihn interessiere immer, eine Stadt mit etwas zu konfrontieren, was sie bisher im Stadttheater so noch nicht erlebt hat. "Das könnte natürlich auch in Zürich der Fall sein."

Gesellschaftswandel bedingt Theaterwandel

Zurück nach München – sein Vorgänger Johan Simons habe "die Internationalisierung in Richtung Niederlande und Belgien aufgebaut, und wir versuchen das jetzt geografisch weiter zu spreizen, indem man halt Tokio, Beirut oder Paris mit reinnimmt", so Lilienthal. Er sehe da "überhaupt keinen Bruch, sondern eine Kontinuität". Auch in Bezug des Gegenwinds gegen die neue Richtung sehe er sich in bester Kammerspiele-Tradition: "Bei uns fällt das jetzt eben etwas härter aus."

Er glaube, dass sich das Theater sehr deutlich wandele. "Ich glaube aber auch, dass sich speziell die deutsche Gesellschaft deutlich wandelt." Die Auseinandersetzungen in alten Rechts-links-Schemata funktionierten überhaupt nicht mehr, "es gibt ein Patchwork von Identitäten, die sich frei kombinieren. Die Gesellschaft ist gerade dabei, völlig neue Regeln für sich zu entwickeln." Und in dem Moment müsse auch Theater seine Funktion neu definieren.

Allerdings halte er nichts von der "Angst um die Identität von Stadttheater überhaupt: Wenn an einem Ort Veränderungen gemacht werden, dass die dann gleich generalisiert werden müssen – das ist totaler Blödsinn."

(sd)

Mehr zur Debatte um die Münchner Kammerspiele:

– Presseschau vom 13. Dezember 2016 – die taz analysiert die Debatte um die Münchner Kammerspiele und diagnostiziert falsche Fronten

– Welches Theater braucht München? – Bericht von einer Podiumsdiskussion zur Debatte um die Münchner Kammerspiele (21.11.2016)

– Presseschau vom 17. November 2016 – Die Debatte um Matthias Lilienthals Münchner Kammerspiele in der Übersicht

– Interview mit Matthias Lilienthal vom 12. November 2016 – Die Kammerspiele haben nichts mit dem HAU zu tun

– Podcast vom 27. April 2016 – Die turbulente erste Spielzeit Matthias Lilienthals an den Münchner Kammerspielen

Kommentare  
Presseschau Lilienthal-IV/NZZ: Unterschied Manager/Künstler
Ich finde das ja immer total schön, was Herr Lilienthal immer so ganz schnell alles "Blödsinn" findet. Und dann will er das auch noch von den Medien sich übersetzen lassen, damit die Stadtbevölkerung als potentielle Zuschauer das gefälligst richtig verstehen können, was er und die seinen machen - die Münchner müssten ja demnach sowas von doof sein, dass es kasum mehr auszuhalten geht, wenn die ohne Übersetzung durch medien gar keine Kunst mehr als Kunst bemerken können! Vielleicht probiert er es ja mal mit den Zürchern, vielleicht sind die weniger doof als die Münchner oder Berliner... und verstehen seinen "Blödsinn" richtiger. (...) es ist ein Unterschied, ob ein Künstler wie Castorf schnoddrig Nachfragen abbügelt oder ein Kunst-Manager. Beim ersten gehört das - auch Herr Peymann wird das bestätigen können - zu Kunst-Leben, beim zweiten ist es einfach nur schnoddrig Künstler imitierend und daher eindeutig überbezahlt.
Presseschau Lilienthal-IV/NZZ: Offenlegungs-Angebot
Ach ja, ich sag das gern auch Herrn Lilienthal unter meinem richtigen Namen, wenn er wert darauf legt. (...)
NZZ-Interview Lilienthal: Chuzpe
Die Presse als Übersetzer, am besten wohl gleich Simultan, das erklärt doch einiges.. und mit welcher Chuzpe Lilienthal sich nebenbei noch für Zürich ins Spiel bringt, das hat schon Trumpsche Qualitäten, Chapeau.
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