Presseschau vom 17. Februar 2017 – Das Magazin der Süddeutschen verbringt ein ganzes Jahr mit dem kommenden Volksbühnen-Intendanten Chris Dercon
"Ich habe eine Elefantenhaut"
"Ich habe eine Elefantenhaut"
17. Februar 2017. Das Magazin der Süddeutschen Zeitung bringt heute unter dem Titel "Der Unruhestifter – Ein Jahr mit Chris Dercon" eine große Personality Story von Gabriela Herpell über den designierten Intendanten der Berliner Volksbühne. In Teilen liest sich der Artikel wie ein Best-Of von Zitaten, die im vergangenen Jahr aus Dercons Mund kamen ("In Berlin ist ja jeder verdächtig, der Erfolg hat. Vor allem, wenn er von außen kommt, das mögen die Berliner nicht.") oder über ihn gesagt wurden ("Eventbude", "alerter Kunstmanager" etc.).
Herpell hat unter anderen mit Tim Etchells von Forced Entertainment über Dercon gesprochen, und der sagt von dem Belgier er, "sei kein Zweifler. Nicht der Typ, der alle Möglichkeiten durchspielt, den Teufel an die Wand malt, sich fragt, was die anderen denken, und nachts nicht schlafen kann." Dercon versetze "sich nicht hinein in diese Welt, in den Castorf-Kult". Und wahrscheinlich traue sich "auch nur so einer, die Nachfolge eines solchen Intendanten anzutreten."
offene Brief der Volksbühnen-Mitarbeiter die Runde machte: Chris Dercon erzählt da nach einer Diskussionsveranstaltung mit Milo Rau zwei ehemaligen Mitarbeiterinnen "von den vergangenen Tagen, eine Ausstellungseröffnung, Abendessen. 'Sie sehen, ich kann mich gut auf was anderes konzentrieren', sagt er und grinst so breit, dass man die Lücke zwischen seinen schiefen Schneidezähnen sieht. 'Ich habe eine Elefantenhaut, hat man im Haus der Kunst immer gesagt.'" Und: "Jetzt ärgern sie sich in Berlin, dass ich mich nicht ärgere. Mir macht das alles nichts mehr aus."
Zur Illustration des von Etchells Gesagten erzählt Herpell vom Abend des Tages, an dem derHerpell lässt auch Mitarbeiter*innen Dercons zu Wort kommen, die ihn als "als großzügig, ohne Dünkel, als Meister der Kommunikation" beschreiben. Und sie entlockt Dercon Programmatisches, wenn dieser etwa äußert, er wolle "über die Zukunft von Theater auf eine andere Weise nachdenken. Nicht: Welche Stücke spielen wir? Sondern: Wie spielen wir welche Stücke?" Auf die Nachfrage "Und wie?", kontert er: "Frei, ohne Rechtfertigungs- und Veröffentlichungsdruck." Er plane das "Gegenteil des Theaters zu machen, das man in London jede Woche sieht– eines durchökonomisierten Theaters, das auch die besten Autoren kaputtmacht. Also: Unterschiedliche Spielorte – die Volksbühne plus Tempelhof. Unterschiedliche Genres. Und vor allem die Kollaboration. Ich habe mein ganzes Leben in Kollaboration gedacht und gearbeitet."
Marietta Piekenbrock, Dercons Programmdirektorin, ergänzt, dass "das Reaktionäre, Lähmende, Abweisende" an der Volksbühne unter Castorf gewesen sei, dass "die Avantgarde am Rosa-Luxemburg-Platz nahezu hundert Prozent Männersache" war. "Zu unserer Idee von Öffentlichkeit gehört, den Feminismus als künstlerisches Programm in einen anderen, größeren Maßstab zu setzen. Die heutige Welt unterscheidet sich nun mal fundamental von den Gründungsjahren der Volksbühne. Was bedeuten Globalisierung und Digitalisierung für ein Theater des 21. Jahrhunderts?"
Am Ende des Artikels räumt Dercon ein, was ihn am meisten gekränkt habe: "Ständig zu hören, dass ich neoliberal bin, wird mich mein Leben lang verfolgen. Neoliberal ist jemand, der soziale und andere kollektive Konstruktionen zugunsten des Markts kaputt macht. Ich versuche eher, den Markt zu sabotieren zugunsten der kollektiven Konstruktionen."
(wb)
Näheres zu den Plänen Chris Dercons für die Berliner Volksbühne finden Sie in dieser Presseschau.
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Herrr Lederer sollte sich etwas einfallen lassen, um die Personalentscheidung von Tim Renner zu verändern bzw. abzuwandeln und den beteiligten Personen einen ihnen gemäßen Bereich zu überlassen.
einfach mal den Beitrag oben lesen und verstehen.
Hier einige weitere Quellen:
http://www.nachtkritik.de/images/stories/pdf/2015_04_20_OB_an_Tim_Renner.pdf
https://www.welt.de/kultur/article160047389/Wie-kaputt-ist-Berlin-wirklich.html
https://www.welt.de/kultur/buehne-konzert/article156553115/Die-Angst-vor-einer-neoliberalen-Seifenblasenfabrik.html
http://www.bz-berlin.de/berlin/intendant-arogant-der-kuenftige-chef-der-volksbuehne-aetzt-gegen-berlin
http://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=13385:presseschau-vom-10-dezember-die-sueddeutsche-zeitung-portraetiert-chris-dercon&catid=242:presseschau&Itemid=62
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buehne-und-konzert/chris-decron-gibt-auskunft-ueber-programm-fuer-berliner-volksbuehne-14584652.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2
Das können auch Frauen. So über Frauen und Feminismus denken. Selbst solche, die zur Avantgarde gehören wollen.
Oder meinen D&P die Arbeitsbedingungen? Auch das wäre interessant, welche Vorstellungen da zwei haben, die über keinerlei Erfahrungen an einem Haus wie die VB verfügen.
Gleichzeitig macht man es sich in vorliegendem Fall viel zu einfach mit dem Finger zu zeigen. Herr Dercon verdankt schließlich identischem Nährboden seine Karriere. Das reflektiert NICHT automatisch seine eigene Einstellung zum Thema. Es läßt sich trotzdem nicht von der Hand weisen, daß er in einem inhärent sexistischen System nicht nur funktioniert hat, sondern darin aufgestiegen ist. Wie so viele übrigens, ich sehe darin gar keinen Sonderfall.
Ohne die eigene (Dercons) Anerkennung dieser Tatsache halte ich mich mit dem Jubel zurück- es hat sicherlich seinen Grund warum Frau Piekenbrock spricht. Es ehrt Dercon, dass er in seinem Team Frauen aufnimmt. Aber mal ehrlich, dies nicht zu tun bei Neuantritt einer leitenden Funktion in 2017 wäre auch ein starkes Stück.
Es wäre schön wenn Feminismus (nicht schon wieder) so offensichtlich für Machtspiele instrumentalisiert werden würde. Hoffentlich sind wir uns alle einig, daß Frauen gleichberechtigt sind und dies gesellschaftlich nicht nur gedacht, sondern auch ausgeführt werden soll. Einen Keks gibt es dafür aber nicht.
(Liebe*r Comment, wir veröffentlichen keine unüberprüfbaren Tatsachenbehauptungen und keine Diskreditierungen einzelner Personen – von beidem wimmelte es in Ihrem Kommentar so sehr, dass ich beim besten Willen noch nicht mal eine Stelle fand, die ich als Auszug veröffentlichen hätte können, ohne gegen unsere Regeln zu verstoßen. Formulieren Sie Ihr Anliegen doch noch einmal nachvollziehbarer und weniger polemisch, dann wird der Kommentar auch veröffentlicht. Mit Bitte um Verständnis und freundlichem Gruß, sd/Redaktion)
(Ich bitte Sie um Verständnis dafür, dass es für dieses Kommentarforum Regeln gibt, die auch für Sie gelten. Einstweilen könnte ich mir durchaus vorstellen, dass Sie Ihre Wahrheit auch weniger polemisch vorbringen könnten ... ? MfG, sd/Redaktion)
„Vorbei und reines Nicht, vollkommnes Einerlei!
Was soll uns denn das ew’ge Schaffen!
Geschaffenes zu nicht hinwegzuraffen!
„Da ist’s vorbei!“ Was ist daran zu lesen?
Es ist so gut als wär es nicht gewesen,
Und treibt sich doch im Kreis, als wenn es wäre.
Ich liebe mir dafür das Ewig-Leere.“
Sehr geehrte Damen und Herren von Nachtkritik,
wie Sie mitbekommen haben, erwärme ich mich wieder für das Kommentieren als moderne Variante des Leserbriefschreibens. Ich hatte dies vor 30 Jahren eifrig betrieben, als Ausreise-Antragsteller in olle DDR. Damals waren meine Briefe sicher etwas weniger ironisch als meine heutigen Kommentare, sie wurden auch nicht gedruckt, aber immerhin wurde ich sogar einmal, es war ja Gorbatschow-Reformtauwetter, zu einer recht offenen Diskussion in die Bezirksredaktion Gera des NEUEN DEUTSCHLAND eingeladen, wer auch immer meine Diskussionspartner waren. Es ging, natürlich, um die Notwendigkeit von (Wirtschafts-)Reformen in der DDR, genauer um die Notwendigkeit einer sozialistischen Marktwirtschaft.
Ich freue mich, dass Sie Ihre gesamtgesellschaftliche Verantwortung so ernst nehmen und sich infolgedessen zu einer strengeren Vorgehensweise genötigt sehen als das ehemalige NEUE DEUTSCHLAND.
Wenn Sie beim ZDF wären, hätte die Böhmermann-Affäre nie stattgefunden, was ich sogar gut fände, aber auch die HEUTE-SHOW mit Oliver Welke käme nie auf Sendung.
Ich finde es Zeit, dass Sie Ihre, sicher gut gemeinten Zensur-Regeln überarbeiten und dann auch veröffentlichen. Wir möchten uns ja gern wie früher in Selbstzensur üben, um erfolgreich kommentieren zu können. Bitte bedenken Sie, dass das Theater, worum es bei Ihnen geht, nicht selten als Zumutung und Provokation für die Zivilgesellschaft angelegt ist, der Sie jedoch gleiche Rechte keinesfalls zugestehen wollen.
(Liebe*r Claus Günther, gucken Sie doch mal im Impressum unter dem Punkt "Kommentarkodex" nach. Im Fall Ihres Vorkommentators habe ich ja sogar die zwei betreffenden Kriterien genannt. sd/Red.)
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