Aderlass am Theater Trier
Zehn Abgänge
Trier, 18. Februar 2017. Das Theater Trier verliert zum Saisonende fast sein gesamtes Schauspielensemble. Neun Mitglieder des Ensembles, die seit 2015 am Theater Trier engagiert sind, haben sich gegen eine Vertragsverlängerung entschieden; ein weiteres Engagement endet vertragsgemäß ebenfalls nach der laufenden Spielzeit. Das berichten heute diverse regionale Medien unter Berufung auf eine Mitteilung des Theaters, unter anderen der Trierer Volksfreund. Zwei bereits länger am Theater beschäftigte Schauspieler*innen bleiben dem Haus erhalten.
Ebenfalls ausscheiden werden zwei Mitarbeiter der Schauspielsparte aus Dramaturgie und Regieassistenz. Der Volksfreund bringt die Abgänge mit der Nichtverlängerung von Schauspieldirektor Ulf Frötzschner in Verbindung. Das neue Führungsteam habe sich gegen eine Verlängerung von Frötzschner über 2016/2017 hinaus entschieden. "Entsprechend groß war der Unmut in großen Teilen des Ensembles. Infolgedessen kam es zu etlichen Krankheitsfällen, so dass die Premiere von 'Steppenwolf' verschoben werden musste", schreibt Der Volksfreund.
Zur kommenden Spielzeit wird, wie bereits gemeldet, Caroline Stolz die Leitung der Schauspielsparte übernehmen. Die nach der Entlassung von Karl Sibelius frei gewordene Intendantenstelle des Theaters Trier soll im Frühjahr neu ausgeschrieben werden. Gesucht ist eine künstlerische Leitung; für die Finanzen soll der Verwaltungsdirektor verantwortlich bleiben.
(volksfreund.de / chr)
Update, 6. März 2017. In einem vom Trierer Volksfreund veröffentlichten Statement solidarisieren sich die 12 Schauspieler*innen und Mitarbeiter*innen, die das Theater zum Saisonende 2016/2017 verlassen werden, mit Schauspieldirektor Ulf Frötzschner und kritisieren, dass es "seitens eines Teils der Leitung des Hauses für uns und unsere Arbeit an Rückhalt fehlt".
Mehr zum Fall Trier: Das Exemplarische an den jüngsten Vorgängen in Trier arbeitet Rainer Nolden in seinem Debattenbeitrag Große Verheißungen, große Enttäuschungen und ein modellhaftes Scheitern von Karl Sibelius in Trier heraus.
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„Lola 17. Februar 2017
Das Kulturhaus wird in kürzester Zeit mit neuen und auch wieder tollen SchauspielerInnen bestückt werden können, denn der Markt ist übervoll mit Talenten und arbeitssuchenden KünstlerInnen. Das sollte keine Schwierigkeit darstellen. Das sind aber letztlich weiterhin die Auswirkungen des Personaldesaster...“
so spricht eine Userin im „Trier Reporter“. Schlicht, einfach, klar, mit der Quintessenz: Egal. -
So sieht also das Einstudieren von Demokratie, dass Fitnessprogramm für eine demokratische Globalisierung wirklich aus Herr Rakow, schauen Sie ruhig einmal genauer hin. Zwischen „Hänsel und Gretel“, „In 80 Tagen um die Welt“, „Terror“, „Steppenwolf“, „Faust I“ und dem „Weissen Rössl“ ein totaler Kahlschlag ohne größere Resonanz. Alle Darsteller gehen!? Na und! Ist die Antwort. Kann man ersetzen. Keiner fragt nach. Keine Interviews. Kein Problem. Aber wenn Menschen so unwichtig sind, wie kann man dann durch ihre Arbeit wesentliche Kunsterfahrungen machen, wo sie doch fast einfacher austauschbar sind als Kellner und Servicekräfte. Keine Solidarität bei den Zuschauern. Kein Interesse bei der Redaktion, muss man annehmen. Eine kurze Nachricht und weiter.
Kurzum: Die lebendige Auseinandersetzung mit unterschiedlichen künstlerischen Erfahrungen trainiert „nicht“ für die pluralistische Disposition einer offenen Gesellschaft – ein kollektives, ortsspezifisches Fitnessprogramm fürs globale Demokratieverständnis „findet nicht statt“.
Stattdessen der gesamte Stumpfsinn, den man heute höchstens noch bei der Insolvenz einer Drogeriemarktkette erleben könnte, aber nicht in einem modernen Unternehmen.
Und das in einem städtischen Kulturbetrieb! Wie kann das sein!? Was klafft da zwischen Anspruch und Realität. Ignoranz?! Ganz einfache, schlichte Ignoranz!? Wieso etwas hinterfragen, dass meinen redaktionellen Anspruch zermörsern könnte, mein schönes, applauswürdiges Bild vom „guten Funktionieren“ der deutschen Stadttheater. Trotz aller Debatten über Arbeitsbedingungen, die etwas ganz anderes als Demokratie und Mitbestimmung dokumentieren, bleibt man bei seiner positiven Sicht der Dinge. Weil´s bequemer ist? Ist es Bequemlichkeit? In die man sich fraglos einkuscheln kann, um weiterhin seinen „heldenhaften Kulturbegriff“ ungestört pflegen zu können? Das kann nicht sein: Ignoranz und Bequemlichkeit, statt Anteilnahme und Forderung nach Demokratisierung der Arbeitsverhältnisse?! Verbirgt sich das Gute doch hinter schlechten Verhältnissen? Und man muss einfach nur wegschauen und weiter machen? Der Lappen muss ja weiter hochgehen! Und fertig!
Na dann: Auf eine neue „Spielzeit“! Mit neuen „Animateuren“! Willkommen auf dem Tradition-Dampfer „Theater an der Mosel“ in Trier.
Zur komplexen Problemlage des Theaters Trier hat nachtkritik.de regelmäßig berichtet, in längerer Zusammenfassung noch einmal im Dezember 2016 (von Rainer Nolden): http://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=13406:theater-trier-grosse-verheissungen-grosse-enttaeuschungen-und-ein-modellhaftes-scheitern-von-karl-sibelius-in-trier&catid=101:debatte&Itemid=84
Der Fall Trier fand ja nicht von ungefähr Eingang in die Reform-Überlegungen von Gräve/Zipf. Und Kündigungsorgien bei Leitungswechseln stehen auch außerhalb von Trier in der Kritik. Das wissen Sie selbst.
Für Leser*innen, dieses Threads, die nicht alle Diskussionen auf nachtkritik.de verfolgen: Martin Baucks spielt @3 auf diese Debatte an http://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=13598:debatte-um-die-zukunft-des-stadttheaters-xxx-christian-rakow-widerspricht-dieter-haselbachs-forderung-nach-einem-ende-des-stadttheatersystems&catid=101:debatte&Itemid=84
ich lese ihre Antwort wie einen Offenbarungseid. Theater als "Hundermeterlauf" mit dem sturen Blick auf die Ziellinie. Der Blick des Theaters wendet sich jedoch fast ausnahmslos den Gestrauchelten zu, egal ob komisch oder tragisch, ob Peformance oder Diskurs. Eine Grundvoraussetzung ist die Ziellinie zu enttarnen, zu dekonstruieren, unmöglich zu machen und darüber sogar gegebenenfalls Freude zu empfinden.
Und über Trier berichteten sie hauptsächlich über die Krise der Leitung und der Verantwortlichen in der Stadt. Jetzt, wo sich das Ensemble positioniert hat, bleibt es merkwürdig still.
Könnten wir jetzt bitte wieder zurück zum Thema?
Ja, was in Trier abläuft ist hammerhart, zumindest aber sehr unorthodox. Das ist es allerdings schon seit einer ganzen Weile, auch unter Sibelius. Ob dieses Triersche Chaos zur Diagnostik über das Befinden der deutschen Theaterlandschaft taugt, würde ich allerdings anzweifeln. Dazu sind die Vorgänge zu outstanding. Massenkündigungen und Berufung der Schauspielleitung, noch bevor die Intendanz berufen ist, ist ja fast schon ein Alleinstellungsmerkmal. Wenn wir über die Theaterlandschaft im Ganzen sprechen, dann, finde ich, muss man sich verschiedene Systeme, Häuser und Projekte anschauen und am Besten noch mit einer Idee dahinter, zu welchem Besseren man hinanalysieren will. Die Kolleg*innen in Trier haben mein ganzes Mitgefühl, Trier jedoch zum Symbol des Abgesangs des deutschen Theaters zu machen, ist - ich sage es ungern - BILD-Niveau. "Schauspieler-Exodus in Trier. Haben Goethes Erben fertig?". Lasst uns lieber hinterhersetzen und fragen: Warum, liebe Trierer Kommune macht ihr das? Bekommen die Schauspieler eine Abfindung? Was macht der Betriebsrat? Herr Baucks übernehmen Sie! (Ohne Ironie!)
ich benutze und verdrehe nichts. Man kann die Freiheit nicht als Hundertmeterlauf inszenieren und wer nicht im Ziel ankommt, kann eben nicht an ihr teilnehmen. Auf einem Galeerenschiff wird die Demokratie nur an Deck für Privilegierte simuliert. Form und Inhalt bedingen sich. Kein undemokratischer, unfreier Apparat ist fähig eine globale Lernstube für Pluralismus und globale Demokratisierung zu sein. Auch wenn ich den Fair Trade Kaffee im Geschmackstest nicht von einer üblichen Sorte unterscheiden kann, Menschen, Darstellern merkt man an unter was für Verhältnissen sie produzieren und sie können keinesfalls für etwas stehen, dass sie nicht selber auch leben können und dürfen.
Wenn Herr Rakow sich nur auf betriebliche Abläufe bezieht mit seinem Hundertmeterlauf, verkennt er, dass man den Lauf dem Bühnenvorgang anmerkt, und in dem Sinne bildet er auch nicht Ideale ab, sondern seinen Defizit.
Dies nur am Rande.
Kündigungen? Wieso Kündigungen? Ich denke die Darsteller gehen freiwillig! Hieß es nicht, es sei ihre Entscheidung? Kann man das mal darstellen. Und natürlich stehen Trier, Rostock, Wuppertral und Hagen auch für das Stadttheatermodell! Für was denn sonst?!
Lieber Martin Baucks, liebe(r) Olympe,
"Massenkündigung" kann m.E. bedeuten, dass viele aus freien Stück kündigen oder viele gekündigt werden. Um der Klarheit willen: Unseren Informationen zufolge verlassen die Schauspieler*innen freiwillig das Haus.
Viele Grüße
miwo/Redaktion
Und klar haben Sie Recht, Herr Baucks, dass all die von Ihnen genannten Häuser auch zum Stadttheatersystem gehören. Trotzdem braucht es genaues Hinschauen. Nicht überall, wo etwas schief läuft, steckt zwangsweise der gleich Grund dahinter - auch nicht da, wo etwas gut läuft. Es braucht eine genaue Analyse der einzelnen Fälle, um sie dann in einen Zusammenhang bringen zu können, oder auch nicht. Die bleiben Sie schuldig. Ist ja auch nicht ihre Aufgabe. Okay, verstehe ich sogar. Diesen Schritt zu überspringen und gleich eine Meinung zu haben, macht aber auch keinen Sinn. Es entwertet die notwendigen Diskussionen. Und im Fall von Trier geht es Ratz-Fatz eben gar nicht mehr darum, sondern um ihren Disput mit Herrn Rakow. Das ist schade!
Ich habe noch nie eine so vergiftete Atmosphäre erlebt, (...). Vollzogen wurde hier ein ständisches Theater in dem die Künstler alles, alle anderen Mitarbeiter nichts sind. Die Egos gigantisch. Am Ende haben alle Parteien wohl dermaßen gnadenlos aufeinander eingedroschen, dass bestenfalls mäßiges Theater dabei herauskam, welches zu Recht vom Publikum gemieden wurde. Doch um die Kunst ging es dabei schon lange nicht mehr. Sondern nur noch um gekränkte Gemüter.
(...)
Für Trier kann es ein Neuanfang sein. Vielleicht wird dieses Theater dann stiller, ruhiger, nachdenklicher. Ist das schlecht? Ich denke nicht.
Allerdings: der einzige Künstler, der ein solch großes Ego hatte, dass er sogar sein Gesicht auf die Wand hat sprühen lassen, war Sibelius. Leider kommen die anderen Künstler, Schauspieler, täbzer, Sänger, etc gar nicht ins Bewusstsein der Stadt, da sie noch nicht einmal im spielzeitheft erwähnt werden... Also von ständischem Theater zugunsten der Künstler lann in Trier mitnichten die Rede sein.
Ich bin ehrlich gesagt schockiert, dass sich fast die ganze Sparte auflöst. Das ist ein so deutliches Signal, das schreit zum Himmel! Offensichtlich kann auch die neue Leitung diese Spieler nicht künstlerisch davon überzeugen zu bleiben. Ich mochte das schauspiel sehr, in seiner Vielseitigkeit und Unterschiedlichkeit und Mut. Sie werden mir fehlen!
Hier noch ein entsprechender Link: "Für das Theater bedeutet das nach Einschätzung mehrerer Beobachter eine deutliche Schwächung des künstlerischem Niveaus."
http://www.trier-reporter.de/theater-trier-schauspiel-ensemble-blutet-aus-trier-trier-trier-trier/
Ebenso ist es am Theater, kommt es zu keiner geordneten Übergabe der Intendanz, bricht die Intendanz ins sich zusammen, bricht gleich in Folge eine ganze Sparte oder mehr zusammen. Die darauffolgenden Interimslösungen sind noch fragiler. Stirbt der König, zerfällt auch der Hofstaat und muss sich erst neu organisieren. Und manch einer nutzt die Chance und haut einfach ab und sucht sich einen neuen Hof. Das ist legitim.
Zeigt aber auch, wie das Stadttheater wirklich strukturiert ist und was es mit dieser Struktur tatsächlich für Inhalte transportiert.
http://www.trier-reporter.de/untreue-ermittlungen-gegen-egger-und-sibelius/#more-28163
(Hier zwecks Ausgewogenheit der Bericht des Trierischen Volksfreunds dazu, auch vom 3. Juli 2017: http://www.volksfreund.de/nachrichten/region/kultur/Kultur-Ermittlungsverfahren-Ehemaliger-Theaterintendant-und-Ex-Kulturdezernent-der-Stadt-Trier-unter-Untreue-Verdacht;art764,4668338 / d. Redaktion)
"Nach zwei enorm spannenden Jahren, die dem Schauspiel des Theaters Trier Spiellust, frischen Wind, engagierte Kunstdebatten und namhafte Regisseure bescherten, darunter Christina Friedrich ('Zauberberg'), Thorleifur Örn Arnarsson ('Molière'), Alice Buddeberg ('Caligari', 'Happy Hour') oder Marco Štorman ('Wintermärchen'), heißt es jetzt Abschied nehmen."
Hier der vollständige Artikel: http://www.volksfreund.de/nachrichten/region/kultur/Kultur-Zehn-gehen-weg-Dahin-zieht-es-die-Trierer-Schauspieler;art764,4686418
http://www.trier-reporter.de/theater-trier-vertrag-mit-john-aufgeloest/