Peymanns Faust

Plön, 27.2.2017. Der Schauspieler und Regisseur Martin Lüttge ist tot. Wie der Bayerische Rundfunk berichtet, starb er vergangenen Mittwoch nach längerer Krankheit im Alter von 73 Jahren im schleswig-holsteinischen Plön.

Nach einer Landwirtschafts-Ausbildung  in England ging der gebürtige Hambuger an die Schauspielschule Zerboni in Gauting und später an die Neue Münchner Schauspielschule. Von 1966 bis 1970 war Lüttge an den Münchener Kammerspielen engagiert, später am Düsseldorf Schauspielhaus und bis 1977 am Staatsschauspiel Stuttgart, wo er als betont jugendlicher, tatkräftiger Faust in der Regie von Claus Peymann und Achim Freyer Furore machte. Außerdem war er Peymanns Graf Wetter vom Strahl (1975) und Annenkow in Camus "Die Gerechten" (1976) – Georg Hensel lobte damals in der FAZ seine "schöne, scheinbar mühelose Souveränität".

1978  gab er seine steile Bühnenkarriere auf und gründete in der Nähe von Mehring bei Burghausen (Oberbayern) ein Zelttheater im Geiste Dario Fos, den "Theaterhof Priessenthal". Dort engagierte er sich "für modernes, zeitkritisches Volkstheater, weit jenseits von Mundart-Folklore und bäuerlichen Klischees", wie Peter Jungblut in seinem Nachruf auf br24.de schreibt. "Stattdessen thematisierte er auf sehr unterhaltsame Weise soziale Ungerechtigkeit, Überfremdungsängste und Bildungsverluste."

Lüttge drehte auch immer wieder für das Fernsehen. Von 1992 bis 1995 war er in fünfzehn Folgen Tatortkommissar Bernd Flemming in Düsseldorf. Hohe Popularität erreichte Lüttge als TV-Partner von Hardy Krüger jr. in der Serie "Forsthaus Falkenau".

(BR / geka)

 

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Martin Lüttge: neue Wege mit dem Theaterhof Priessenthal
Wenn heute von freien Gruppen die Rede ist, als seien sie eine Erfindung des 21. Jahrhunderts, sollte an den Theaterhof Priessenthal erinnert werden. Als Martin Lüttge ihn 1980 gegründet hat, war er nicht etwa ein arbeitsloser Schauspieler auf der Suche nach einer Beschäftigungsmöglichkeit, sondern ein Star von Peymanns Ensemble. Er gehört geradezu exemplarisch zu jener Schauspielergeneration, für die der Wunsch nach politischer Einmischung nicht bloß ein Lippenbekenntnis war, sondern den Lebensentwurf bestimmte. Man mag über die künstlerischen Ergebnisse des Priessenthal-Kollektivs unterschiedlicher Meinung sein, aber die Konsequenz, mit der hier, wohlgemerkt: auf Kosten einer garantierten Karriere, neue Wege beschritten, neue Entwürfe ausprobiert wurden, verlangt Respekt, vor Martin Lüttge und für einen Künstlertypus, den er repräsentiert hat und der selten geworden ist. Und dennoch: dass die Zeit der Diven und der Gockel, wie sie noch in den fünfziger Jahren auf der Bühne die Norm waren, wohl vorbei ist, verdanken wir Leuten wie Lüttge und seiner Generation.
Martin Lüttge: großes Herz
danke für den beitrag, thomas rothschild! ich war von 1979-1991 mitglied beim theaterhof priessenthal. es war eine großartige zeit. ohne subventionen, also angewiesen auf den erfolg beim publikum, ohne sich ranzuschmeissen. höhen und tiefen, aber nicht eine einzige langweilige probe oder aufführung. was konnte ich als junge schauspielerin alles ausprobieren, wir haben wie entfesselt geprobt...und martin lüttge war ein großartiger kollege, auch ein lehrer, und - auch das sollte erwähnt werden - ein mensch mit einem ganz großen herzen.
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