Presseschau vom 5. März 2017 – Die Zeitschrift der GDBA spricht mit Opernsänger Thaisen Rusch über den Rassismus in Deutschland
Du siehst scheiße aus
Du siehst scheiße aus
5. März 2017. In einem Interview der monatlich erscheinenden Zeitschrift der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger erläutert der in Sri Lanka geborene, deutsche Opern- und Liedsänger Thaisen Rusch, wieso er als einer von vier Künstler*innen sein Engagement am Theater Gera-Altenburg vorzeitig beendet hat.
Gefragt "wie ausschlaggebend die Fremdenfeindlichkeit" in Thüringen für seine Entscheidung gewesen sei, antwortet Rusch: "Die in der Presse genannten Zwischenfälle kann ich bedauerlicherweise bestätigen und sie waren unter anderem ein sehr entscheidender Grund, meinen Vertrag am Theater Gera über den Sommer 2017 hinaus nicht weiter zu verlängern." Die vorzeitige Vertragsauflösung zu Weihnachten sei allerdings auch "anderen Gründen geschuldet".
Alltagsrassismus
Gefragt nach den konkreten unangenehme Erfahrungen und deren Auswirkungen auf den Alltag lautet die Antwort: Neben kleineren Alltagsdiskriminierungen wie bösen Blicken hätten sich die lauten rassistischen Beleidigungen gehäuft: im Wirtshaus "Roberto Blanco, warum trägst Du ein Jacket, denkste Du bist was Besseres?"; auf dem Wg zur Arbeit unmittelbar vor dem Theater "Du siehst scheiße aus!"; im Zug von Leipzig nach Gera "Scheiß Neger im Viehtransporter".
"Für mich als Deutscher mit einer anderen Hautfarbe gab es einen Punkt, wo es schwierig wurde, einzuschätzen, ab wann laute Rufe in gelebte Aggression gegenüber meiner Person ausufern könnten." Die "berechtigte Sorge" um das leibliche Wohl habe zugenommen. "Um Eskalationen zu vermeiden, habe ich auf Beschimpfungen geschwiegen und diese ignoriert, was nicht immer leicht ist und einen natürlich auch verletzt – immer nachzugeben und der Vernünftige sein zu müssen, um ja nicht Ärger zu bekommen."
Beschimpfter Repräsentant des bunten Deutschlands
Dennoch habe er von "polizeilichen Anzeigen" abgesehen, da erfahrungsgemäß die Verfolgung solcher Zwischenfälle eher selten bleibe.
Als Deutscher mit sri-lankischen Wurzeln sei er in die bizarre Situation gekommen, einerseits "die moderne und bunte Bundesrepublik Deutschland beim Empfang des deutschen Botschafters in der Schweiz" zu repräsentieren und andererseits daheim in Thüringen als "Scheiß Neger" beschimpft zu werden.
Dennoch seien Fremdenfeindlichkeit, aufkeimender Nationalismus und Rechtspopulismus keine neuen Wunden unserer demokratischen Gesellschaft sind und nicht ein exklusives Problem der ostdeutschen Bundesländer.
(jnm)
Mehr dazu:
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Ich fände es jedoch wichtig, den dritten Schwerpunkt des Gesrächs nicht völlig unerwähnt zu lassen, in welchem Thaisen Rusch die Möglichkeiten und Chancen die die Musik selbst und das gemeinsame Musizieren einerseits bei der Bewältigung der eigenen Verletzungen und andererseits bei der Schaffung eines gesellschaftlichen Klimas bietet, das dem Aufkeimen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit etwas Wirkungvolles und Nachhaltiges entgegensetzen kann.
Für mich ist eben gerade diese thematische Erweiterung auf Lösungswege und die Mitveratwortung der Kulturschaffenden einen ganz wichtigen Aspekt, der auch bei der Zusammenfassung zumindest Erwähnung finden sollte.