Berliner Theater o.N. droht Verlust seiner Spielstätte
Ältestes freies Theater der ehemaligen DDR
Berlin, 21. März 2017. Das Theater o.N., eine der ältesten freien Theatergruppen Berlins, droht nach 20 Jahren seine Spielstätte zu verlieren. Der Mietvertrag soll nicht über Juli 2017 hinaus verlängert werden, hatte die Eigentümer-GbR der Immobilie am vergangenen Donnerstag beschlossen. Das teilt das Theater in einer Presseaussendung mit. Seit längerem gibt es mit den Bewohnern des Hauses, in dessen Souterrain bzw. Erdgeschoss die Spielstätte ihren Sitz hat, Ärger wegen der Lautstärke.
Wie die Berliner Zeitung schreibt, verpflichteten sich die Schauspieler, auf alles zu verzichten, was Lärm erzeugen könnte: "Abends bauten sie die Bühne nicht mehr um, dauerhaft blieben die Fenster geschlossen, sie reduzierten sogar ihr Programm, abends gab es nun weniger Veranstaltungen, und auf gar keinen Fall laute Musik. Die Kunst passte sich dem Ruhebedürfnis der Obermieter an, die Künstler nahmen die Einschränkungen hin. Ab 22 Uhr war es ruhig. Zudem gab das Theater die Zusage, zusätzliche Schallschutzdecken einzubauen, sollte der Mietvertrag verlängert werden."
Kindertheater im Prenzlauer Berg
Letzter Stand war, dass die Künstler sich mehr Zeit erbaten, um mit einem Zweitgutachter einen neuen Vorschlag für Maßnahmen zum Schallschutz zu erarbeiten. Die Eigentümer beschlossen dennoch, den Mietvertrag nicht über den Juli hinaus zu verlängern. Die Kündigung gefährdet einen Verbund von Künstler*innen, der seit fast 40 Jahren besteht.
1979/80 gegründet als Theater Zinnober war es das erste freie Theater der ehemaligen DDR. Das Kollektiv entwickelte basisdemokratisch organisiert Theater für Kinder und Erwachsene. Heiner Müller, Christa Wolf und Ruth Berghaus unterstützten die Idee eines freien Kinder- und Jugendtheaters. 1996 musste man bereits in eine neue Spielstätte einziehen, nannte sich um in Theater o.N. und sitzt seitdem in der Kollwitzstraße in dem kleinen Theater mit 50 Plätzen. Noch heute gehören Gründungsmitglieder mit zum Ensemble. Der Berliner Senat hatte bei der Sanierung des Gebäudes in dern neunziger Jahren gefordert, dass in eine Gewerbeeinheit des Hauses eine gemeinnützige Einrichtung ziehen müsse. So kam das Theater zu seinen Räumen.
Wie die Berliner Zeitung schreibt, sollen die Gewerberäume neu ausgeschrieben werden, auch das Theater will sich wieder bewerben. Ob es überhaupt noch eine Chance hat, sei zweifelhaft. Die Schauspieler kündigten künstlerische Protestaktionen an, sie wollen weiter im Stadtteil Prenzlauer Berg Theater für Kinder machen.
(berliner-zeitung.de / sik)
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Weniger gut finde ich, wenn Leute genau damit argumentieren, dass es doch das erste und lange einzige ehemalige Freie Theater der DDR sei, das nun bedroht ist von Abwicklung und damit sie als Künstler*innen mit.-
Das ist ja wohl eine höchstens halbe Wahrheit. Weil es nur das ehemalige ehemalig erste und lange einstige Freie Theater usw. war. Nicht das widerständig erhalten gebliebene Original. Es heißt nicht mehr so wie zu DDR-Zeiten als es gegründet wurde. Und es wird schon seit langer Zeit nicht mehr durch die ehemaligen einst widerständige DDR-Bürger bespielt, die da also alteingesessen gewohnt haben. Und zwar weit länger als nur etwas über zwanzig Jahre. Mindestens die Hälfte von Ensemble und Gästen sind nämlich inzwischen alteingesessene ehemalige westdeutsche Bundesbürger, die sich sicher nach nunmehr mehr als 25 Jahren auch im PB alteingesessen fühlen dürfen. Aber doch bitte deshalb nicht gleich als eheamlig widerständige ehemalige DDR-Bürger, die trotz ihrer großen Widerständigkeit nun verdrängt werden wie beinahe Heilig Castorf! Das lässt sich ja prüfen. Schätze, dass viele der alt-alteingesessenen PB-Bewohner sich schon lange woanders lieber mit sich selbst als mit dem Theater o.N. langweilen. Möglicherweise aber ohne langanhaltende Förderung, die sich auf einer vermeintlichen ehemals widerständigen DDR-Vergangenheit ausruhen darf. Selbst wenn sie die gar nicht hat!
Ob und wieviele sehr Alt-Prenzlauer Berg-Leute dort noch mitmachen ist genau dann relevant, wenn das o.N. explizit mit einer DDR-Vergangenheit wirbt, aus der es hervorgegangen ist - Ich bin für weiterbestehende Mitverträge von auch kleinen Theatern, erst recht solchen für die Allerkleinsten. Aber wenn die Künstler*innen da so lange schon arbeiten und inzwischen vor allem Theater für Kinder machen (auch müssen???, wegen der Mitmieter, die sich durch Theaterlärm belästigt fühlen und allenfalls vormittäglichen dulden???), dann brauchen sie bitte nicht mehr mit 40 Jahren beständigem Kollektiv, Heiner Müller, Christa Wolf und Ruth Berghaus argumentieren, wenn es um ihren Weiterbestand geht. Das ist aus meiner Sicht dann auch so relevant für den Weiterbestand wie die Hustenbonbons aus der Schweiz- sehr schöne, treffende Vergleiche übrigens... Ich gönne den Künstler*innen jede Förderung, die möglich ist, aber die werden das doch bitte besser als notwendig begründen mit der Arbeit, die sie ganz real JETZT machen, inerhalb der letzten Gentrifizierungsrunde z.B. - Und nicht unbedingt mit Heiner Müller - Da liest sich nämlich für mich Solidarität und profundes Nachdenken ebenfalls anders - Ich denke, es zeitigt dann eventuell auch mehr Erfolg. Besonders bei dem neuen Kultursenator in Abstimmung mit dem Bildungs- und Jugendsektor. -
Danke für Ihre Aufmerksamkeit, ich weiß sie zu schätzen - diesem Fass schlägt so schnell keiner den Boden aus, es hat vielleicht keinen-
falsch: das Tilsiter Kino wurde nicht neu aufgebaut, sondern BLIEB die ganze ZEIT über am selben Ort ERHALTEN!!!! Und das Theater o.N. BLIEB erhalten!! Es ist nicht eine nostalgische Neuauflage mit falschen Background, es ist das ORIGINAL!! Das wäre so, wie wenn man ein altes Haus, das unter Denkmalschutz steht, einfach abreißt, weil neuen Investoren die Fassade nicht gefällt. Es ist die alte Bausubstanz, und nicht einfach ne Fälschung...hier werden DDR-Geschichten einfach wegen quengelnder Kulturbanausen , die leider Geld haben, weggeschmissen..auf den Müll.. fertig. Das ist kulturgeschichtlich sehr traurig. Sehr traurig.
Geht es nun um Bausubstanz oder Theatergeschichte?
Stand das als Theater o.N. lückenlos weitergeführte Zinnober-Theater unter Denkmalschutz? Dann kann es auch ein neuer Investor nicht abreißen, wenn ihm die Fassade missfällt.
Geht es nun um die Künstler*innen, die für ihr Publikum h e u t e dort arbeiten?
Oder um die, die einmal auch dort gearbeitet haben? Für eher ein anderes Publikum? Das Tilsiter Kino war in dem Haus, in dem es einst untergebracht war, sehr sehr lange nicht betrieben worden. Das war originell, dass es so ein kleines Kino gab mitten in der Häuserzeile eines Kiezes und deshalb ist es auch wieder eingerichtet worden. Nicht, weil andernfalls DDR-Geschichten einfach auf den Müll geschmissen worden wären. Was selbstverständlich sehr sehr traurig ist. Und zwar nicht nur kulturgeschichtlich, sondern in Größenordnungen von Personenzahlen vielfach persönlich tragisch. Was nach meiner Erfahrung nicht nur den neuen Investoren, sondern auch denen gleich war, die die alte Bausubstanz eher das Geld hatten zu runderneuern als die DDR-Bürger, die diese auch unter widrigsten Bedingungen belebt und wenigstens so erhalten hatten mit ihren begrenzten Mitteln, dass sie eben nicht abgerissen werden musste...
Wie das Tilsiter Kino inzwischen läuft, weiß ich nicht. Vielleicht hat es auch Mit-Mieter, die es ruhig haben wollen und muss sich um Schallschutz und Rückbau von Vorstellungszeiten kümmern, bis es den Namen Kino gar nicht mehr tragen kann. Es hat dann den Namen Kino wegen der bestehenden Besitzverhältnisse verloren. Ein zweites Mal.
Und für mich hört sich das alles an, als würde das Theater o.N. jetzt nicht einen Spielort verlieren, sondern an dem Spielort, an dem es sich erfreulicherweise bisher halten konnte, seinen Namen "Theater".
Man kann ja als Theatergruppe sich in Leisesein üben und auf Pantomime ausweichen zur Not, man kann die Musik weglassen und um 16.30 Uhr den Spielbetrieb einstellen oder dergleichen, damit es die Mitmieter nicht stört - Aber man kann sehr schlecht das Publikum bitten, möglichst nicht zu klatschen, zu lachen und auf jeden Fall bitte die Theaterräume nur auf Strümpfen zu betreten, um es den Vermietern recht zu machen - Vielleicht sollte man dann doch lieber umziehen und dem Original an einem neuen Ort damit eventuell besser treu bleiben???
Viele Leute, die Geld haben, sind auch keine Kulturbanausen. Viele von denen verstehen unter Kultur aber anderes, als Künstler und Künstlerinnen darunter verstehen. Man müsste miteinander sprechen. Und dafür muss man erst einmal selbst wissen: Ob man nun unter Denkmalschutz oder Bestandsschutz steht oder nicht? Ob man jetzt gerade für ein jetztiges Publikum weiterarbeiten möchte, weil man seine Arbeit mag und das Publikum für das man arbeitet? Oder ob man vor allem dort weiterarbeiten möchte an dem Ort, weil es über lange Zeit "immer" so war und man schließlich auf eine bis in die DDR zurückreichende Geschichte verweisen kann?
Ich wünsche ja jedem, dass sich Investoren, die seine Kunst-Kultur-Kreise stören, für seine Geschichte interessieren und seine Existenzbedingungen - Nur die Verhältnisse - die sind nicht so.