Adam sühnt nicht

von Katrin Ullmann

Hamburg, 25. März 2017. Es ist ein Bild ganz ohne Missverständnisse: Zwei Guckkästen wurden da aus einer portalhohen schwarzen Wand herausgeschält. Der eine ist erdrückend schmal und eng, der andere Raum liegt etwas erhöht. Er ist größer und weiter, lässt Luft nach oben. Wo drei schlichte schwarze Stühle auf der einen Seite einen schäbigen Wartesaal assoziieren, behauptet ein einzelner Ledersessel andererseits souveräne Macht. Olaf Altmann hat das Bühnenbild entworfen und ganz vorn an die Rampe geschoben. Es ist ein Bild mit wenigen klaren Zeichen in Altmanns gewohnt schlichter und zugleich hochästhetischer Wucht.

Darin inszeniert Michael Thalheimer – zum ersten Mal arbeitet der Regisseur mit langjähriger Thalia-Theater-Geschichte am Hamburger Schauspielhaus – Heinrich von Kleists "Der zerbrochne Krug". Das Drama, 1808 uraufgeführt, wird meist als Lustspiel, als Komödie auf die Bühne gebracht. Schließlich erzählt es die Geschichte des Dorfrichters Adam, der über einen Fall Gericht hält, in dem er tatsächlich selbst der Schuldige ist. Ein vertrottelter Jurist, der allzu offensichtliche Blessuren aufweist, der sich in verräterische Lügengeschichten verhakt und sprecheifrig versucht, die anwesenden Zeugen zu manipulieren, ist komödiantisch genug. Noch dazu, wenn er bei seinem wirren Handeln und Reden von einem just angereisten Revisor und Gerichtsrat Walter ins Visier genommen wird.

ZerbrocheneKrug1 560 Horn uHier spielt keiner Komödie: Josefine Israel, Christoph Luser, Markus John, Carlo Ljubek
© Matthias Horn

Thalheimer jedoch, Experte für radikale Reduktion und subkutan Bedrohliches, inszeniert den "Krug" als bedrückende Parabel über Macht, Ohnmacht und die ganz persönliche Interpretation von Wahrheit. Die Mittel sind die typisch Thalheimer'schen: Straff gekürzt ist seine Version des Textes – die Aufführung braucht keine zwei Stunden –, die Figuren agieren frontal und mit nur wenigen Gesten. Unterschwelligen Druck erzeugen drei wechselnde, raunende Streicherklänge in steter Wiederholung (Komposition: Bert Wrede). Thalheimers stimmige und dichte Inszenierung provoziert nur selten ein Schmunzeln, der Schrecken überwiegt.

Nichts zu lachen

Da ist etwa Frau Marthe (Anja Laïs), aus deren erregter, wasserfallartiger Rede über den zerbrochnen Krug die ganze "zerscherbte" Familienehre herausbricht, oder Frau Brigitte (Ute Hannig), die mit flackernden Augen vom Teufel spricht und dabei fast hysterisch hyperventiliert. Da ist Ruprecht (Paul Behren) der zu Unrecht verurteilte Bräutigam, der bei seinen Ausführungen in nahezu kindlichen Eifer gerät. Seine Hände kleben dann langfingrig, ängstlich an den Oberschenkeln – in ständiger Habachthaltung vor den Übergriffen seines cholerischen Vaters (Aljoscha Stadelmann).

ZerbrocheneKrug3 560 Horn uSündiger Körper: Carlo Ljubek als Dorfrichter Adam © Matthias Horn

Und da ist – am Ende – Eve. Für ihren fantastischen, und klar auch berührenden Schlussmonolog tritt Josefine Israel aus Altmanns Bühnenbild heraus (das da schon langsam zurückgefahren wurde). Ruhig geht sie nach vorn und erzählt ihre Wahrheit der Ereignisse. Erzählt vom Dorfrichter Adam der ihr ein Attest besorgen wollte, um ihren Verlobten Ruprecht vom bevorstehenden Fronteinsatz freizustellen. Und davon, dass er sie für eine kleine Gegenleistung nachts aufgesucht habe, ihr in die Kammer folgte und so weiter, bis er bei seiner hektischen Flucht jenen titelgebenden Krug zerbrach.

Mit fragender, rauer Stimme erzählt sie von ihrer Not. Von der Nötigung. Von der Erpressung. Verständnislos, mit enttäuschtem Blick, ihr Körper ein schiefes Fragezeichen. Der joviale Gerichtsrat Walter (Markus John) erkauft sich dann noch einen viel zu langen Kuss. Und Dorfrichter Adam (Carlo Ljubek) sitzt weiterhin nackt, breitbeinig und selbstgefällig auf seinem Richter-Sessel. Sein Unrecht ist offenbar. Doch Recht ist eben nicht gleich Gerechtigkeit und ein Happy End also nicht in Sicht.

 

Der zerbrochne Krug
von Heinreich von Kleist
Regie: Michael Thalheimer, Bühne: Olaf Altmann, Kostüme: Michaela Barth, Musik: Bert Wrede, Dramaturgie: Jörg Bochow, Licht: Annette ter Meulen, Holger Stellwag.
Mit: Paul Behren, Ute Hannig, Josefine Israel, Markus John, Anja Laïs, Carlo Ljubek, Christoph Luser, Aljoscha Stadelmann.
Dauer: 1 Stunde 40 Minuten, keine Pause

www.schauspielhaus.de

 

Kritikenrundschau

Till Briegleb von der Süddeutschen Zeitung (27.3.2017) sieht Carlo Ljubeks Nacktheit als dramaturgischen Nachteil. "Mit der derangierten Nacktheit des Dorfrichters ist die Schuldfrage in diesem Bildungsschwank vom ersten Moment an exponiert. Die schrittweise Entzauberung des schrulligen Rechtsverdrehers als Erpresser von sexuellen Gefälligkeiten, aus der diese unermüdlich aufgeführte Justizposse für jeden, der das Stück tatsächlich zum ersten Mal sieht, ihre Spannung bezieht, ist sofort außer Kraft." So stehe der Schwank still, "und das ist der Tod aller Komik."

"In seiner grandiosen, radikal entschlackten Inszenierung entblößt Michael Thalheimer nicht nur den Richter als tyrannisch brutalen Triebtäter, sondern die gesamte Konfliktanlage als humoresk verbrämte Unterdrückungsmechanik: Buckeln und Treten, Gewalt und Leidenschaft", so Irene Bazinger in der FAZ (27.3.2017). Über Thalheimers alternatives Ende des Stücks schreibt sie: "In Kleists Original verjagte Walter hingegen Adam, so dass Eve und Ruprecht heiraten konnten. Das mag schon vor über zweihundert Jahren – 'Der zerbrochne Krug' entstand 1806 und wurde 1808 in Weimar uraufgeführt – utopisch gemeint gewesen sein. Heute erachtet es der historisch kritische wie tiefenpsychologisch geschulte Regisseur Michael Thalheimer, dem alle Traditionen fragwürdig erscheinen, nur noch als zweifelhaft."

"Wie al­le In­sze­nie­run­gen die­ses Re­gis­seurs hat auch sein Zer­broch­ner Krug et­was Schlicht-Mo­nu­men­ta­les, ei­nen Drang, das Stück bis in un­se­re stam­mes­ge­schicht­li­che Früh­zeit zu­rück­zu­bin­den. Der Dorf­rich­ter Adam durch­läuft bei Thal­hei­mer den Zi­vi­li­sa­ti­ons­pro­zess in we­ni­gen Mi­nu­ten: Ei­ne Krea­tur lernt das Krie­chen, das Sit­zen, dann das Spre­chen – und schließ­lich das Be­har­ren und Ver­wal­ten", analysiert Peter Kümmel in der Zeit (30.3.2017). Adams Nackt­heit sei wahrscheinlich, "in Ver­keh­rung des al­ten An­der­sen-Mär­chens, ei­ne, die nur der Kö­nig selbst wahr­nimmt – und die von ihm, je scham­lo­ser sie sich Raum schafft, im­mer mehr ge­nos­sen wird". Das sei der po­li­ti­sche Kern der In­sze­nie­rung: Die Nachtkeit Adams solle je­ne des Sys­tems be­leuch­ten. "Adams Blö­ße greift auf das 'Recht' über be­zie­hungs­wei­se ist ei­ne, die vom Staat ge­deckt wird."

Das Stück, eigentlich eine überaus beliebte Komödie des Theaterkanons, werde bei Thalheimer "eine dunkle Parabel über Machtmissbrauch, Ohnmacht der Chancenlosen und einen gedehnten Wahrheitsbegriff", schreibt Annette Stiekele im Hamburger Abendblatt (27.3.2017). Man wundere sich, "wie folgerichtig, hellsichtig und logisch doch auch ein Zugriff sein kann, der wenig auf Pointen zuläuft. Die da oben kommen davon, egal wie offensichtlich und groß ihr Vergehen auch ist. Die da unten interessieren nicht, das ist die bittere Wahrheit dieses verstörenden, gewalttätigen und doch an prägnanten Momenten reichen Abends."

"Schön, stringent, spannend, bitter komisch und durchaus den aktuellen gesellschaftlichen Zustand persiflierend" sei der Abend, befindet Stefan Grund in der Welt (27.3.2017). Dass Carlo Ljubek seinen Dorfrichter Adam splitterfasernackt spiele, mache den ganzen Irrsinn der Unrechtspflege offenbar, überhöhe Kleist im Symbol. Ein "bereits einen Tag nach ihrer Premiere klassisch zu nennenden Inszenierung des Kleistschen Kanon-Krachers" sei der Abend, ein "Theaterwunder".

Kommentare  
Der zerbrochne Krug, Hamburg: Und der Titelheld?
Ähm, wie war der Schauspieler, der die Hauptrolle spielte? Sie erwähnen ihn gerade mal so im Vorbeigehen im Schlusssatz?! Schön, dass Sie ihn offenbar überhaupt bemerkt haben...
Der zerbrochne Krug, Hamburg: nackt
"Der zerbrochene Krug" wird schon lange nicht mehr als Lustspiel,als Komödie gesehen,denn er zeigt Unterdrückung-Abhängigkeit-Nötigung etc. Wie auch an diesem Abend und wenn der Gerichtsrat zum Schluß Eve den Geldbeutel zuschmeißt,dann selbst runterspringt,sie küsst und ihren Kopf in seinen Schoß drückt,zeigt es das überdeutlich und erschreckend . Die gr.Monologe der einzelnen Figuren,immer an der Rampe zum Publikum -wie man es von Thalheimer kennt- sind fesselnd. Meine Frage aber ist und bleibt: was bedeutet die Nacktheit von Adam den ganzen Abend über? Ein ausgemergelter,geschundener Körper,der sich zu Beginn wie eine Schlange windet,sich dann einpudert und immer selbstsicherer wird und nackt bleibt und - und da ist meine Frage: von KEINEM wird diese Nacktheit zur Kenntnis genommen?! Was also bedeutet sie? Welche Aussage soll diese Nacktheit hier haben???
Der zerbrochne Krug, Hamburg: nackig
hallo Lieneweg. Kleist hat die beiden Adam und Eve genannt und ihnen dann diese Geschichte gegeben... ich finde das immer wieder verstörend. Ich habe den Abend nicht gesehen, klingt spannend was du schreibst, aber in der Regel geht es nicht um "Aussagen" in der Entscheidung welche Zeichen man auf dem Theater verwendet, sondern eher um eine "Verdichtung" der angesprochenen Themen oder Diskurse. Also: Adam und Eva. Adam nackt. Du beschreibst ja eine art Prozess, wie eine Geburt und ein heranwachsen von Adam. Denke über das Bild nach. Er ist der Täter, aber auch der mit der Macht, und der dem es an den Kragen geht. Die ersten Menschen, das Paradies, der Sündenfall und wie ist es heute? Und wo stehen die Eves heute? etc. Und nicht verzweifeln, wenn sich keine Lösung ergibt, die sich in einem Wort formulieren lässt.
Der zerbrochne Krug, Hamburg: Eve
Kleist hat sie Adam und EvE genannt. Adam sollte wohl an Adam erinnern, den Richter seiner Welt, der nur die Kontrolle seinesgleichen fürchtet - und Eve sollte wohl eher daran erinnern, dass es nicht EvA ist. Nicht die, die den Älteren und Mächtigen, den selbstgewiss Urteilenden, selbstbewusst "verführt", sondern eben eine, die das könnte, aber gar nicht will. Und die wegen des größeren Unterdrückungs-Erfahrung des Älteren und des sozialen Machtgefälles genötigt werden kann. Die Eves, denen es an dem Selbstbewusstsein der Evas mangelt, stehen heute genauso da, wie zu Kain und Abels Zeiten. Ihre Ruprechts übrigens auch. Immer wieder. Immer wieder müssen die nötigenden Richter neu nackt gemacht sein. In echt oder wenigstens ideell. - Thalheimer will eben der bessere Kleist sein: ideell wie Kleist und echt kleistischer als Kleist...? Wo der Sprache nicht getraut wird, sollen es immer die Bilder richten-
Der zerbrochne Krug, Hamburg: Wo ist die kritik?
ich les' das und habe das gefühl, daß die zweite hälfte der rezension noch fehlt. kommt da noch was?
Der zerbrochne Krug, Hamburg: führt ein Eigenleben
Dank für die Überlegung Adam und Eva,nur stimmt sie in dieser Inscenierung nicht. Hier haben Adam und Eva NICHTS miteinander zu tun.Der nackte Adam hier führt ein Eigenleben mit total zerschundenem Leib und selbst Gerichtsrat Walther- im Strassenanzug -nimmt die Nacktheit nicht wahr....
Der zerbrochne Krug, Hamburg: Vorbild Ares?
Vielleicht kann man sich das so erklären, dass Michael Thalheimer seit einigen Jahren in öffentlichen Gesprächen bekennend im Theater "einen neuen Eros" sucht. Offenbar hat er ihn noch nicht gefunden- Oder doch, aber dieser neue Eros hat eine Vorliebe für geschundene Körper, weil vielleicht Ares sein heimliches Vorbild ist?
Der zerbrochne Krug, Hamburg: immer das gleiche
Hallo !
Warum macht jemand , der einen "neuen Eros " sucht
dann immer das gleiche ? Ich glaube nicht , dass da jemand sucht . Suchen birgt ein größeres Risiko . Warum sollte er das eingehen ?
Alles läuft doch so wie es soll . Und nackt und geschunden ist doch interessant, weil urdramatisch . Jedenfalls am Arsch besser als die Klamotten von H und M . Gab es auch schon mal .
Zerbrochene Krug, HH: entblößt
Der zerbrochene Kleist ! Wie kann man nur ein solches Stück dermaßen vereinfachen ? Kleists Kunst besteht doch gerade darin, dass er seine bittere Gesellschaftskritik in so gekonnt witziger Form verpackt, dass sie dem Zuschauer nahegeht. Sie aber zeigen einen Adam, an dem nun gar nichts Witziges ist, der nur abstoßend wirken kann und der den Zuschauer gar nicht berührt. Und da Ihr Adam nun vom Anfang des Stückes an nackt über die Bühne kriecht, kann natürlich das eigentliche Anliegen des Stückes, nämlich Adam zu entblößen, gar nicht mehr gezeigt werden. Hier wird ein heilsames Lachen im Keim erstickt. Und falls ein Zuschauer am Ende immer noch nicht angewidert sein sollte, tut Ihr frei erfundenes Schlussbild, in dem der Gerichtsrat sich dann auch noch an Eva vergreift, ein Übriges, um ihn verstört, hoffentlich nicht zerbrochen, nach Hause zu schicken.
Zerbrochne Krug, Hamburg: gab's das nicht schon früher?
Hatte nicht Andrea Breth 1990 bereits die Idee und Konzeption, dass der Dorfrichter Adam den ganzen Abend nackt ist?
Zerbrochne Krug, Hamburg: weibliche Vorbilder nicht erwähnt?
#10:WENN es dieses Konzept 1990 von Andrea breth schon gab, kann man nur hoffen, dass das wenigstens im Programmheft zur Inszenierung mal erwähnt ist. In öffentlichen Vor-Gesprächen hab ich jedenfalls Thalheimer das nicht erwähnen hören, sonst wüsste ich das ja. So wird das nix mit seiner Suche nach einem n e u e n Eros, wenn er die weiblichen Vorbilder im eigenen Fach nicht erwähnenswert findet wie die Machos von anno dunnemals-
Zerbrochner Krug, Hamburg: bei Breth war Adam nackt nur zu Beginn
#10 Nein, der Dorfrichter Adam (es war Traugott Buhre) war in Andrea Breths Inszenierung des "Zerbrochnen Krug" am Burgtheater keineswegs den ganzen Abend nackt auf der Bühne! Er nur zu Beginn des Spiel, am frühen Morgen nackt.
Zerbrochner Krug, Hamburg: Nacktheit
Dito übrigens Edgar Selge in Zürich/Stuttgart 2013f. (R: Jan Bosse). Er wütet nackt im Foyer, bis Licht ihm "einen" Mantel von der Zuschauergarderobe aufnötigt.
Zerbrochner Krug, Hamburg: Nacktheit
Genau wie Edgar Selge am Maxim Gorki Theater in der Inszenierung von Jan Bosse. Selge stand damals zu Beginn nackt auf den Tresen der Garderobe im Foyer.
Der zerbrochne Krug, Hamburg: Parabel
Als „Lustspiel“ hat Heinrich von Kleist „Der zerbrochne Krug“ bezeichnet. Bei Michael Thalheimers klug auf knapp 90 Minuten gestraffter Stückfassung im Schauspielhaus Hamburg bleibt dem Publikum das Lachen im Hals stecken. Komödie wurde gestern Abend nur einige Meter weiter beim „Thalia Vista Social Club“-Dauerbrenner gespielt.

„Der zerbrochne Krug“ wird hier zur Parabel über Machtmissbrauch und Nötigung. Carlo Ljubek flätzt als Dorfrichter Adam nackt und breitbeinig in seinem Sessel, während vorne an der Rampe Josefine Israel als Eve ein zweites Mal bedrängt und begrapscht wird. Der Gerichtsrat Walther, der aus Utrecht hergeschickt wurde, um die Einhaltung der Regeln zu überwachen, stellt sich auf die Seite des Stärkeren. Hier hackt die sprichwörtliche Krähe der anderen kein Auge aus, lieber plaudert man bei einer guten Flasche Wein aus dem Keller des Dorfrichters.

Thalheimer kann auf ein starkes Ensemble bauen, aus dem Carlo Ljubek als Dorfrichter herausragt. Ohne unnötige Längen bietet er einen konzentrierten, sehr soliden und durchaus sehenswerten Klassiker-Abend mit hervorragenden Schauspielern und klarer These.

Komplette Kritik: https://daskulturblog.com/2018/03/30/der-zerbrochne-krug-thalheimer-inszeniert-kleists-klassiker-als-parabel-ueber-machtmissbrauch-in-hamburg/
Der zerbrochne Krug, Hamburg: Parabel
Michael Thalheimer treibt Kleists „Komödie“ alles Schenkelklopfen aus, er gräbt sich durch die Schichten, bis er bei der untersten ankommt. Sein zerbrochner Krug ist eine klaustrophobische Parabel über patriarchale Macht, über das Zusammenspiel selbiger mit und ihr Münden in sexuelle Gewalt, die hier ebenso Instrument der Machtausübung und -erhaltung ist wie die staatliche, in diesem Fall in Form der Rechtsprechung. sein Richter Adam bleibt am Ende auf seinem Stuhl sitzend, die perücke wieder auf dem Kopf, ein Symbol einer „Ordnung“, die auf sich selbst achtet. Da gibt es nichts zu lachen, da kann Anja Lais als hochkonzentrierte, zum Zerreißen gespannte Marthe noch so sehr überkommene Wortbedeutungen dekonstruieren und und ihre Mechaniken offenlegen, was Wahrheit ist und was Lüge, entscheiden die mit dem Geldbeutel und der Perücke. Nach intensiven und spannungsreichen – nicht im Sinne von „suspense“, sondern von „tension“, diejenige, die den seidenen Faden ganz erhält und sogleich bedroht – 100 Minuten (durchpulst von der subkutanen Gealt von Bert Wredes Sttreicher-Loops) bleibt alles beim Alten, die „Ordnung der Dinge“ aufrecht. Die einen sind unten, die anderen oben, Durch- und Ausbrüche werden nicht geduldet. #MeToo? Nicht in diesem Gerichtssaal.

Komplette Rezension: https://stagescreen.wordpress.com/2018/11/19/triebtater-der-macht/
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