2. Oktober 2008. Christopher Schmidt, Theaterkritiker der Süddeutschen Zeitung und Juror des Theatertreffens, hat heute in seiner Zeitung unter dem etwas irreführenden Titel "Homo Laber" einen bemerkenswerten Aufsatz veröffentlicht:
In der gegenwärtigen Mode, Romane für die Bühne zu adaptieren sieht Schmidt eine "paradoxe Wendung" im Verhältnis von Theater und Literatur. "Zum einen erneuert das Theater seine Bindung an das geschriebene Wort, dem treu zu sein es lange als Fessel verstand, von der es sich zu befreien galt. Indem es sich aber mit der Epik und nicht mit der Dramatik verbündet, festigt es zum anderen seine erworbene Freiheit."
Schmidt hebt darauf ab, dass Versuche, Romane treulich nacherzählend auf die Bühne zu übertragen, regelmäßig künstlerisch scheiterten. "Die subalterne Bebilderung ist im besten Fall eine Tautologie, meistens bloß ein matter Abglanz des Romans ... Nur eine entschiedene Lesart und eine genuine Phantasie können den Roman einholen, indem sie sich ihm entgegensetzen."
In der paradoxen Wendung des Theaters zum Roman sieht Schmidt eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Die kleineren Theater, wie zuletzt Halle mit Feuchtgebiete oder Braunschweig mit Die Vermessung der Welt (für beides siehe unten) verschafften sich überregionale Aufmerksamkeit. Die Regisseure erzielten durch die Romanadaption auf dem Markt "Distinktionsgewinne", gleichzeitig entzögen sie sich dem bei der Inszenierung des klassischen Repertoires üblichen "Dauerdruck zur Zwangsoriginalität", weil die Adaption des Romans ihnen die "Freiheit gegenüber dem Material gratis" liefere. Wenn die Inszenierung vermittels "unverwechselbarer Regie" glücke, würden die Zuschauer zum Lesen des Romans verführt: "Denn nur das, was selbst ein Kunstwerk ist, kann das Publikum auch für ein anderes begeistern."
(jnm)
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