Ödipus/Antigone - Michael Thalheimers verkühlter Sophokles-Verschnitt eröffnet die Intendanz Reese
Das Heulen des Helden
von Esther Boldt
Frankfurt am Main, 1. Oktober 2009. Die Blutflecke sind schon da auf der kargen Sperrholzbühne und mit ihnen das kalte Grausen. Bei Regisseur Michael Thalheimer ist es besonders kalt. Er hat sich als Klassiker-Skelettierer einen Namen gemacht, nun eröffnet er mit gleich zweimal Sophokles die Intendanz von Oliver Reese am Schauspiel Frankfurt: "Ödipus" und "Antigone", die fortgesetzte Geschichte einer Blutschuld. Und zwei antike Tragödien, in denen streng und stolz nach Wahrheit geforscht wird, auch wenn diese mit Tod und Schrecken verbunden ist: König Ödipus, der unversehens über sich selbst zu Gericht sitzt, als er herausfindet, wer er ist. Und seine Tochter Antigone, die Gottesgesetz vor Menschengesetz stellt und dafür lebendig begraben wird.
Isolationshäftlinge ihrer selbst
Aus beiden Tragödien macht Thalheimer, der 2006 am Deutschen Theater bereits Aischylos' Orestie inszenierte, Fallstudien, dem Publikum wie zum Richterspruch vorgeführt. Bühnenbildner Olaf Altmann hat auf der Vorderbühne einen sperrhölzernen Laufsteg errichtet, auf den die Schauspieler durch den Zuschauerraum auftreten, als seien sie welche von uns. Wie oft bei Thalheimer sprechen die Schauspieler frontal ins Publikum, mehr oder minder artifiziell die Silben spaltend, um sie vielleicht nach einem neuen Sinn abzutasten. Sie trennen die Geste vom Wort und machen sie zum Zeichen – ein Schauspiel der zum Himmel gereckten Hände und der nickenden Köpfe, aus dem Kontext gelöst und durch Wiederholung bedeutungsentleert.
Aus den leidenserprobten Blutsverwandten, bei denen eine Generation die Schuld der anderen aufträgt, macht Thalheimer eisig-getrennte Glieder einer Schicksalskette, frei von Berührung und doch hart geschlagen. Zwischenmenschliches wird auf Gesten reduziert, im blutbesudelten Haus der Thebaner will niemand allzu viel mit dem anderen zu tun haben. Vielmehr zeigen sie mit dem Finger aufeinander: Der blinde Seher Teiresias auf Ödipus, Ödipus auf seinen Schwager Kreon, Kreon auf seine Nichte Antigone, Antigone auf ihre Schwester Ismene. "Schuld ist Schmerz", sagt Ödipus einmal, doch hier ist Schuld vor allem Einsamkeit. Loyalität ist diesen Isolationshäftlingen ihrer selbst ein Fremdwort, Denunziation an der Tagesordnung.
Gretchenfrage ungelöst
Marc Oliver Schulze spielt Ödipus als Zerdehnungsredner und Verzweiflungsheuler, der mit nasal-öliger Stimme seine Vorherrschaft behauptet und jene mit Schießbudenfigurengelächter bedenkt, die er im Unrecht glaubt. Eine einzige Übertreibungs- und Überspielungsgeste ist dieser Schauspieler, der jeden Satz und jede Geste mit Anführungszeichen versieht und damit Ödipus' Wahrheitsstreben die Dringlichkeit nimmt. Im zweiten Teil des Abends spielt er König Kreon als machtversessenen Misstrauensmenschen, samtmundig, mit blutigem Gesicht und irr werdendem Blick.
Ihm zur Seite steht Constanze Becker als Iokaste in "Ödipus" und später als Antigone, und natürlich ist es eine Freude, sie in Frankfurt zu sehen – sei es mit dem stillen Entsetzensgesicht der Iokaste, als diese begreift, wer da in ihrem Bett liegt oder als stolze, hohe Antigone. Doch auch Becker kann diese karge Thalheimer-Welt nicht erwärmen, in der jeglicher gesellschaftliche Zusammenhalt zerfällt und am Horizont weder Trost noch Hoffnung liegen – umso mehr, als die Gretchenfrage ungelöst und unkommentiert im Raume steht: Wie hält es das 21. Jahrhundert mit Seherworten und Göttergeboten, um die sich doch beide Tragödien drehen? Dass die Zeit der Lonesome Cowboys und der anderen einsamen Kämpfer jemals zu Ende gehen könnte, ist nach dieser Inszenierung jedenfalls nicht zu hoffen.
In einem entsetzlich-schönen Schweigemoment gen Schluss steht der Chor still da. Sein Schatten fällt reihum an die Wände des Zuschauerraums, und für einen Moment spiegeln sich beide Öffentlichkeiten ineinander. Dann aber setzt das Heulen des Helden wieder ein. Sollten diese Unglücksmenschen Wahrheitsberührung suchen: Hier findet sie nicht statt.
Ödipus/Antigone
von Sophokles
Deutsch von Ernst Buschor
Regie: Michael Thalheimer, Bühne: Olaf Altmann, Kostüme: Katrin Lea Tag, Musik: Bert Wrede. Mit: Marc Oliver Schulze, Isaak Dentler, Michael Benthin, Constanze Becker, Oliver Kraushaar, Michael Abendroth, Bettina Hoppe, Susanne Buchenberger u.a.
www.schauspielfrankfurt.de
Mehr über Michael Thalheimer? Seine Orestie am Deutschen Theater Berlin (September 2006) wurde zum Theatertreffen 2007 eingeladen, ein Jahr später war er mit den Ratten (Oktober 2007) zum Berliner Großfestival geladen.
Kritikenrundschau
"Man kann in Frankfurt wieder ins Theater gehen", ist Gerhard Stadelmaiers Kritik in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (5.10.) überschrieben, für den diesem Neustart ein Ur-Zauber innewohnt. "So wie am Anfang des Theaters vor zweieinhalbtausend Jahren das Drama dadurch geschaffen wurde, dass einer (später dann noch ein Zweiter und Dritter) heraustrat und vor und gegen und mit dem Kollektiv mit Mächten und Göttern und Verhängnissen rechtete, so naiv, mutig, wuchtig uranfänglich fängt das Schauspiel Frankfurt im Jahr 2009 neu an." Michael Thalheimer, unter den Regisseuren "der große Entblößer und Entkerner", wage in diesem 'Ödipus' "den großwuchtigen Wurf nach dem, was eine ganze Welt zerstört: die Schuld eines kleinen Menschen. Und Thalheimer trifft sehr schön: lauter Ur-Kerne. Kopffüßler aus Theben." Stehe im 'Ödipus' das Wesen des Menschen zur Debatte, dann in der 'Antigone' das Wesen des Staates.
"Ein langes Luftholen," hört auch Peter Michalzik für die Frankfurter Rundschau (5.10.) im Parkett des Schauspiel Frankfurt. "Das Parkett atmete Theaterluft. Erleichterung, Freude, Zustimmung, alles noch etwas verhalten. Wie verkrampft das Verhältnis zwischen Stadt und Theater die letzten Jahre hier war, man merkte es so richtig erst am Donnerstag bei der Eröffnungspremiere der neuen Spielzeit." Michael Thalheimer, dieser 'Purist und Pathetiker', nehme sich, zusammen mit dem Bühnenbildner Olaf Altmann und den Schauspielern, den riesigen Raum des Frankfurter Schauspiels, "wie er seit den Zeiten von Einar Schleef nicht mehr genommen worden ist." Souverän findet Michalzik besonders Olaf Altmanns Bühne. Aber auch, wie Thalheimer sie anfüllt mit "Unheil, Auseinandersetzung, Streit, Gedankenschärfe und vor allem Sprachwucht" beeindruckt ihn seht. Die Kombination der beiden Stücke erweist sich aus seiner Sicht zwar als überflüssig. Denn wo in Teil 1 Erkenntnis gewesen sei, walte in Teil 2 Demagogie. Ohnehin sei die 'Antigone' deutlich schwächer. "Die gesamte Aufführung ist eine Fortsetzung von Thalheimers teils bejubelter, teils für zu leicht befundener Berliner 'Orestie'. Chor, Holz und Blut sehen aus wie ein Direktimport aus der Hauptstadt, Blut vom gleichen Blut."
Auch Ulrich Weinzierl zeigt sich auf Welt online (5.10.) grundsätzlich angetan. "Keineswegs will das nun heißen, Thalheimers Produktion sei völlig geglückt. Aber zum einen beeindrucken Konsequenz und Strenge, der spürbare Ernst des Regie-Kunstwollens. Zum anderen der gestische, der lautmalerische Expressionismus der Darsteller, die zu emotionalen Skulpturen, zu reiner Gefühlsplastik werden: Ausdruck, bis hin zu Verrenkung und Schrei, ist alles." Die Statik der Spieler und Sprecher sei oft über weite Distanzen hinweg Teil eines auf Psychologisierung verzichtenden Konzepts: "Unvereinbare Positionen stehen einander unversöhnlich gegenüber. Die Handlung spielt, das ist beim Mythos mal so Sitte, vor und außerhalb der Zeit. Deshalb sind die unheimlichen Schatten, von den Handelnden geworfen, mehr als dekorativ: Hier agieren Monster aus dem Unbewussten, die Drachensaat urweltlicher, echsenhafter Wesen." Mit dem Doppelpack von "König Ödipus" und "Antigone" wuchs für Weinzierl in Frankfurt zusammen, was zusammen gehört. "Man sollte es dort nur im Notfall wieder trennen."
In der Süddeutschen Zeitung (6.10.) apostrophiert Jürgen Berger Michael Thalheimer als "Spezialist für eine zeichenhafte Antike", und macht deutlich, dass es ihm zuliebe diesmal aber durchaus etwas mehr um das Bezeichnete selbst hätte gehen dürfen. Marc Oliver Schultze sei als Ödipus letztlich vor allem ein "tönendes Pathosinstrument" und als Kreon in "Antigone" ein "schleimiger Satzzerdehner und Wortverkoster", dem "der Gegenpart" fehle, da Thalheimer die Figur der Antigone "fast vollständig aus der Inszenierung verbannt" hat. Constanze Becker stehe in den "wenigen ihr verbleibenden Antigone-Momenten wie ein unantastbares Denkmal im Raum".
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daß thalheimers "KONZEPT" inzwischen auch vielleicht durch müdigkeit nicht neu überdacht wird von ihm und er sich wiederholt, steht auf einem anderen blatt..da hat er sich selbst zur methode und marke gemacht..und wurde bürgerlich-angepaßt..das ist traurig, aber das heißt nicht, daß er , als er siene "methode" erfand, nicht dachte..er ist, bzw, einer der intelligentesten, die ich kannte...inzwischen leider wahrschienlich nur noch müder und vielleicht geldgeil, - abhängig..wie so voele seines faches und ruhmes....das wäre/ist schade..hat aber nichts damit zu tun, was sie oben kritisieren..
brügerlichkeit im postivien sinne bedeutet, sich gegenseitig zu unterstützen, weil jeder sich mit den idealen der anderen identifiziert.. die gefahr ist bei der positiven seite, daß es in langeweile und gleichmacherei abdriftet.. an der negativen, daß es zu terrorisstischen zügen kommt...- für die kunst allerdings bedeutet bürgerlichkeit der tod.. denn die kunst entstand nicht (nur, jedenfalls das theater nicht) aus der spinettbegleitung für die stickende dame im hintergrund, sondern aus dem hofnarrentum, der den menschen den grinsend, unkonvetionellen, ehrlichen, provozierenden, mutigen spiegel hinhält, um die zuschauer zum neu-überdenken ihrer bürgerlichen und althergebrachten lebensweise zu bringen.. ein korrektiv, dass ruhig auch mal bis ins zotige-grenzwertige gehen darf... damit die menschen nicht steckenbleiben in ihrer watteweichen lebensweise.. da darf es manchmal ruhig ein wenig pieksen und wehtun..
Ach ja, noch an die Adresse an Nanni Krüger: Poser-Blabla in möglichst verkünzelten Sätzchen ersetzt nicht die Kompetenz.
Die Beiträge von Nanni Krüger sind eine Privatmeinung und als solche akzeptabel, sie ist keineswegs inkompetent. Die Anpassungsdiskussion rund um die Bürgerlichkeit ist mitunter unvermeidlich, kommt es doch vor, dass der Typus Bürger (oder was man darunter versteht) zuweilen die Bastionen der Kultur betritt und dort eine Überflutung seines Wahrnehmungsapparats erlebt. Offensichtlich wünscht sich die Nachtkritikerin Boldt keine kämpferische Individualität, die eine auflehnende Haltung einnimmt und gegen das Bestehende revoltiert. Als Beleg hierzu reicht ein Satz:
"Dass die Zeit der Lonesome Cowboys und der anderen einsamen Kämpfer jemals zu Ende gehen könnte, ist nach dieser Inszenierung jedenfalls nicht zu hoffen." Bei einer solchen Einstellung bleibt nur noch das müde Sich-Einreihen in den Menschenstrom. Aber da es sich um eine Stadt handelt, die zwischen hoch entwickeltem Metzgertum (Würstchen) und architektonischer Gigantomanie hin- und herpendelt, wäre Frau Boldt ein unreflektierter Lonesome Liftboy wesentlich lieber. Der kann den ganzen Tag hochfahren, also dahin, wo das Geld noch in den Himmel wachsen möchte. In Anlehnung an ein Gedicht von Eichendorff: Es war, als hätte der Himmel nicht still die Erde geküsst, sondern den Turm von Babel. Immerhin ist ein guter Ausblick eine Menge fürs Theater. Vielleicht wird irgendwann ein Überblick daraus - zum Beispiel für den "gesellschaftlichen Zusammenhalt" oder einen anderen Hoffnungschimmer.
Na gut, die Schweger war nicht grade die Beste,aber dafür gleich allen Österreicherinnen eine Kolektivschuld unterzujubeln und es als Schimpfwort zu benutzen, ist doch wohl völlig blöde und unterste Schublade
Ansonsten wünsche ich den Frankfurtern viel Freude mit Reese. In Berlin hat er das Deutsche Theater wohl ganz ordentlich geleitet - ich bin kein Interner! -, aber seine Inszenierungen waren nicht gerade hochkarätig. "Ritter, Dene, Voss", recht gelungen, lebt hauptsächlich vom Personal (C.Becker/Zilcher/Matthes).
Das neue schauspiel strahlt aus allen ecken, von der neuen web-presänz bis zur strahlenden hostess und den neuen buttons.
Thalheimer ist es gelungen endlich ein stück zu inszenieren, dass auf der großen bühne funktioniert, begeistert und provoziert. Er setzt gleichwohl auf starke bilder UND die strahlende individuelle vielfaeltigkeit der schauspieler.
Ein bisschen berlin in frankfurt! Ein brummender bass der die gehirne aufweckt!
Ich habe nicht geweint, ein bisschen gelacht aber viel gesehen und verstanden, also gedacht!
Ich freue mich auf die neue spielzeit, das frische ensemble und einen neuen wind! Ahoi!
Es ist peinlich das Erwachsene kultivierte Menschen wie du denkst einer zu sein, sich herablassen sich hier anonym fertig zu machen.
Ich bin glücklich das es Jan Bosse, Jürgen Gosch und sogar Gotscheff nach Frankfurt zieht um Oliver Reese zu folgen!
Die einzigen Inszenierungen die man sich in den letzten Jahren ansehen konnte wurden in der Schmidtstrasse inszeniert!
Und die Schauspieler waren so verstaupt wie Thalheimers Bote.
Jan Bosse folgt auch nicht Oliver Reese, sondern wurde neu engagiert...Herr Gotscheff ist auch nicht mehr der Jüngste...und: verstaubt schreibt man mit b...
glaub was du magst, gedanken sind frei, ich zeig mich hier so offen und sensibel und vielleicht noch naiv wie ich es gott sei dank noch bin...nichts ist egal. kontroverse sind wichtig, danke, ich hab wieder was gelernt.
Was die "Leistungsträger" angeht, so gestatte ich mir hier mal eben den Namen "Petras" in die Runde zu werfen. Er gilt bekanntlich als einer der tragendsten Berliner Träger - und das sogar unter Kritikern. Wobei man der Szene damit natürlich unrecht tut, denn ihr eigentlicher Motor sind die vielen freien Berliner Theatermacher und Performer.
Wie Sie allerdings Ihre absonderliche These untermauern wollen, wonach dieser Thread ein Beispiel dafür sei, dass das neue Frankfurter Schauspiel seine Zuschauer ernst nehme - und gleichzeitig all jenen diesen Willen absprechen, deren Nachtkritik-Resonanz weniger glüht -, das möchte ich nun wirklich nicht auch noch erfahren.
Ich war selten so enttäuscht und habe mich selten so geärgert ins Theater gegangen zu sein!
Ich habe das Stück mehrere Monate vorher behandelt und was ich dann zu sehen bekommen habe hat mich mehr als enttäuscht:
Ein psychisch labiler Kreon, der zitternd und gekrümmt dasteht. Nach den ersten paar Minuten ein gebrochener Mann. Wo war da der mächtige Tyrann aus der Tragödie? Dieser Kreon war doch nicht ernst zu nehmen! Ab und zu ein wenig dämonisch, aber nur selten.
Haimon, der gleich rumschreit, keine Versuche macht seinen Vater zu beruhigen.
Antigone, schwach und wenig imponierend. Genau wie Kreon nur ein Abklatsch der Person, die man beim lesen vor sich sieht.
Ein Chor von über 30 Menschen, wo doch Sophokles sich bestimmt etwas dabei gedacht hat, wenn er 15 Chorsänger wollte!
Ein Kuss zwischen Antigone und Kreon? Also bitte!
Wo waren die Emotionen? Es wurde entweder geredet oder GEBRÜLLT! Da war nichts dazwischen.
Und das kaum vorhandene Schauspiel, sollte das durch das massenhaft eingesetzte Blut ersetzt werden? Oder durch die viel zu laute Musik? (Ich musste mir die Ohren zuhalten)
Distanz und Emotionslosigkeit waren vorherrschend. Und das in einer Tragödie um Leben und Tod.
Die langen Pausen führten nicht zum Spannungsaufbau, nein sie sorgten für Unruhe im Publikum. Gegen Ende merkte man, dass alle nurnoch unruhig rumrutschten und auf das Ende warteten.
Das Buch Antigone ist spannend.
Die Inszenierung Thalheimers war es ganz und gar nicht.
Schade. Ich hatte mich so darauf gefreut.
aha, Sie haben das Stück Monate zuvor behandelt? War es denn krank? Wie geht es ihm jetzt, so in der freien Theaterlandschaft? Kommt es mit den realen Gegebenheiten nicht zurecht? Na dann, zurück auf die Couch!!!
Oh, tut mir leid, wenn sie mit meiner Formulierung nicht klar kommen (man kann es aber auch übertreiben):
Ich hatte das Stück Antigone zuvor mehrere Monate im Deutschunterricht einer 11. Klasse in einem Gymnasium besprochen und mich auch privat mit dem Stoff beschäftigt. Ich bin nämlich eine 17-jährige Schülerin mit einer großen Liebe zum Theater und zur griechischen Mythologie/Sagenwelt. (Ja, soetwas gibt es!) Ich wollte nur nicht gleich mein Schülerin-sein preisgeben, weil man, aus mir nicht ganz ersichtlichen Gründen, Schüler/innen immer gleich abtut, weil die ja sowieso keine Ahnung von der Theaterwelt haben.
Mich (entschuldigen sie verehrte Damen und Herren und Doktoren) kotzt das wichtigtuerische Gehabe der Theaterleute langsam an!
Überall wird nur noch "modern" gearbeitet, alles muss ganz einzigartig (oder auch: eigenartig) bearbeitet werden:
Opern (nach Stuttgart in die Staatsoper kann man ja nicht mehr gehen)
Theaterstücke ... ALLES!
Und ich bin ja schon für neues offen und wenn mich ein Stück zum Denken anregt (Blackbox-Inszenierung von "Kabale und Liebe" im Würzburger Kammerntheater), dann ist das auch bei einer modernen (oder besser: zeitlosen) Fassung gut. Aber wenn mich ein Stück NUR mit Fragen stehen lässt (und nicht nur mich, auch meine Lehrer), dann ist da doch der Sinn verfehlt.
Sorry, Freudsche Fehlleistung meinerseits, habe die Threads verwechselt.
Ich kann Dich aber trotzdem wirklich verstehen. Dein Enthusiasmus ist begrüßenswert und an Vorstellungskraft mangelt es Dir nach so vielen Theaterbesuchen sicher nicht. Bleib am Ball, Theater lohnt sich auf jeden Fall immer, so oder so.