Barbara Weber – Theater Neumarkt Zürich, Co-Direktorin

Welches war Ihr herausragendstes, schönstes, beeindruckendstes Theatererlebnis im Jahr 2009, am eigenen Haus oder an anderen Häusern? Und warum?

Meine Lieblingsproduktion des letzten Jahres ist Unsterblichkeit kann töten Sterben lernen! (Herr Andersen stirbt in 60 Minuten), eine Versuchsanordnung von Christoph Schlingensief und anderen. Das Stück ist eine faszinierende, verstörende Auseinandersetzung mit Sterblichkeit, Unsterblichkeit und der bedrohlichen Krankheit von Christoph Schlingensief selber. Beeindruckend war neben der Inszenierung auch die unübliche Zusammenarbeit zweier unabhängiger Theater in derselben Stadt – in Zürich.

Der erste Teil der Performance fand am Theater Neumarkt statt – ein überdrehtes Ibsensches Kammerspiel – und wanderte dann als Prozession, begleitet von einem 35-köpfigen Chor zum Kunsthaus Zürich, wo Performance-artig in einem gläsernen Durchgang Herr Andersen unter Chorgesang das öffentliche Sterben übte. Darauf stürmte Christoph Schlingensief himself als Papst Mabuse die Bühne des Zürcher Schauspielhauses und landete mitten in der laufenden Vorstellung von Rene Pollesch' "Calvinismus Klein" zwischen den Darstellern Carolin Conrad und Martin Wuttke. Die beiden Polleschschauspieler kehrten darauf mit Schlingensief, dem Publikum und den Prozessionsteilnehmern in das Theater Neumarkt zurück. Dort konnte Herr Andersen vor dem unsterblichen Hintergrund des Parzifalsoundtrack dann endlich sterben. Es war ein ungewöhnlicher, radikaler, ereignishafter Abend. Solche Experimente sollten öfters stattfinden können im Theater.

Was man in deutschsprachigen Theaterleitungen über das Jahr 2009 sonst noch denkt, sagen: Andreas Beck (Schauspielhaus Wien), Karin Beier (Schauspiel Köln), Thomas Bockelmann (Staatstheater Kassel), Amelie Deuflhard (Kampnagel Hamburg), Matthias Fontheim (Staatstheater Mainz), Elmar Goerden (Schauspielhaus Bochum), Markus Heinzelmann (Theaterhaus Jena), Jan Jochymski (Theater Magdeburg), Ulrich Khuon (Deutsches Theater Berlin), Sewan Latchinian (Neue Bühne Senftenberg), Julia Lochte (Münchner Kammerspiele), Enrico Lübbe (Theater Chemnitz), Joachim Lux (Thalia Theater Hamburg), Stephan Märki (Nationaltheater Weimar), Roland May (Theater Plauen-Zwickau), Barbara Mundel (Theater Freiburg), Amélie Niermeyer (Schauspielhaus Düsseldorf), Christoph Nix (Theater Konstanz), Elias Perrig (Theater Basel), Oliver Reese (Schauspiel Frankfurt), Friedrich Schirmer (Deutsches Schauspielhaus Hamburg), Holger Schultze (Theater Osnabrück), Wilfried Schulz (Staatsschauspiel Dresden), Kathrin Tiedemann (Forum Freies Theater Düsseldorf), Lars-Ole Walburg (Schauspiel Hannover), Barbara Weber (Theater Neumarkt Zürich), Hasko Weber (Staatstheater Stuttgart), Tobias Wellemeyer (Hans-Otto-Theater Potsdam), Kay Wuschek (Theater an der Parkaue Berlin).