Ulrich, Nina und die anderen

von Wolfgang Behrens

Berlin, 15. Oktober 2010. Ein Blick ins Programmheft belehrt einen schon vor Beginn: Das Russland Maxim Gorkis findet hier heute nicht statt. Alles, was an die vorrevolutionäre russische Gesellschaft gemahnen könnte, ist sorgfältig aus dem Rollenverzeichnis gestrichen: der aufwieglerische Pöbel, die Kinderfrau, die Dienstboten, der betrunkene Anarchist, der neureiche Kapitalist - sie dürfen nicht mitspielen. Und auch auf der Bühne köchelt nicht, wie sonst so oft in Inszenierungen der russischen Klassiker, pars pro toto ein Samowar vor sich hin. Übrig bleiben nur: die Kinder der Sonne, von denen der Abend seinen Titel bezieht.

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Katharina Schüttler, Nina Hoss © Arno Declair

Sie heißen Pawel, Jelena, Dmitrij oder Melanija, in der Neuinszenierung des Deutschen Theaters freilich könnten sie auch Ulrich, Nina, Sven oder Katrin heißen. Denn der Regisseur Stephan Kimmig hat das Milieu der russischen Intelligenz, das bei Gorki in betriebsam geschwätziger Untätigkeit die sich abzeichnenden sozialen Verwerfungen komplett verschläft, nach Berlin-Mitte (oder Prenzlauer Berg oder Friedrichshain oder ...) geholt. Da kreiseln Ulrich, Nina und die anderen nun um sich selbst - sowie durch das von Katja Haß auf die Bühne gebaute Labyrinth aus locker arrangiertem Gestänge und Leichtmetallschienen (ein paar welke Zimmerpflanzen sind auch dabei) -, und wir sehen: die stinknormale Mittelschicht von heute. Man kennt diese Leute von nebenan. Man gehört womöglich dazu.

Lob und Preis den Spielern

Und nun gilt es zu rühmen. Denn am Deutschen Theater hat sich ein Ensemble von Darstellern zusammengefunden, das seinesgleichen kaum hat. Die beherrschte Nonchalance, die abgezirkelte Beiläufigkeit, mit der diese Schauspieler ihre Dialoge sprechen - das ist hohe Kunst, auch dann noch, wenn ihnen die zum Edelboulevard hin zwinkernde Spielfassung mit ihren neckischen Aktualisierungen auf halbem Wege - mindestens! - entgegenkommt.

Eine gewisse Fahrigkeit, die man als Zuschauer schnell mit Natürlichkeit assoziiert, wird von den glorreichen Sieben, die Kimmigs Aufführung versammelt, meisterlich in das Spiel ihrer Körper und vor allem ihrer Hände integriert. Man schaut da gerne, sehr gerne hin: ob es ein verlegen bübisches Lächeln von Ulrich Matthes ist oder ein lässiges Lehnen von Nina Hoss, ein Nesteln von Sven Lehmann oder eine verhuschte Geste von Katharina Schüttler - sie spielen das alle rasend gut.

100 kurze Minuten lang also wird man von Gorkis "Kindern der Sonne" bestens unterhalten. Doch kann es das sein? Bei aller Freude an der darstellerischen Klasse schleicht sich doch das Gefühl ein, dass Stephan Kimmig es sich und vor allem uns an diesem Abend etwas zu einfach macht. Er rückt das Stück so nahe an uns heran, dass es seine Widerhaken verliert. Schon nach ein paar Minuten hat man die Lektion gelernt: ja, da gibt es in der Mitte der Gesellschaft eine Schicht, die einstmals das Bürgertum genannt wurde und die sich nun aus jeglicher sozialen Verantwortung stiehlt, um sich stattdessen neurotisch mit ein paar hausgemachten Privatproblemen herumzuschlagen.

Die Pointe kommt, der Schmerz bleibt aus

So brillant die Inszenierung den Typus der sich um sich selbst drehenden Elementarteilchen zeichnet, so schnell verliert er auch an Interesse. Man kennt ihn nicht nur, man hat ihn auch schon zu oft gesehen. Und so weit, dass es schmerzen könnte, gehen Kimmig und seine Schauspieler nicht: Zuvor kommt immer schon die zwanglos eingestreute Pointe.

Und so wird denn die Streichung des Gorki'schen Umfelds letztlich doch zum wesentlichen Mangel des Abends. Es ist nicht der Samowar, der fehlt. Es gibt aber bei Gorki eine Außenwelt, die seine Figuren bedroht, auch wenn diese das kaum wahrhaben wollen. Gorkis Kinder der Sonne tanzen auf einem Vulkan. Dieser Vulkan indes ist bei Kimmig auf einen Hausmeister, der immerhin einmal mit einem Hammer gegen das Bühnengestänge schlägt, zusammengeschrumpft. Natürlich ist diese Reduktion der Clou der Aufführung - wir haben das schon verstanden! -, sie ist aber auch ein bisschen wenig.

Wenn Katharina Schüttler im zweiten Akt plötzlich zur großen, leicht hysterisch grundierten Standpauke ausholt - "Ihr seid so weit von den Menschen entfernt, von denen ihr sprecht" -, dann drängt sich schon die Frage auf, wer diese Menschen eigentlich sein sollen. Kimmig hat sie und mit ihnen jegliches soziale Gefälle getilgt. Und vielleicht muss man ja auch genau hier die Botschaft des Abends suchen: Eine reale Bedrohung der Mittelschicht gibt es nicht mehr, vom sozialen Gefälle geht keine Beunruhigung mehr aus. (Was man zumindest anzweifeln kann, wie die nicht enden wollenden Diskussionen der letzten Wochen zeigen.) Schüttlers Ausbruch jedenfalls verpufft auf seltsame Weise, er findet in der Inszenierung keine Resonanz. Der Rest aber ist gefällige Milieustudie.

 

Kinder der Sonne
von Maxim Gorki
Übersetzung von Ulrike Zemme, Fassung von Stephan Kimmig und Sonja Anders
Regie: Stephan Kimmig, Bühne: Katja Haß, Kostüme: Anja Rabes, Musik:Michael Verhovec, Licht: Matthias Vogel, Dramaturgie: Sonja Anders.
Mit: Ulrich Matthes, Katharina Schüttler, Nina Hoss, Sven Lehmann, Alexander Khuon, Katrin Wichmann, Markus Graf.

www.deutschestheater.de

 

Mehr zu Stephan Kimmig? Lesen Sie in unserem Lexikon.

 

Kritikenrundschau

Gorkis "Kinder der Sonne" werde von den Theatern gerade "als Stück zur tagesaktuellen Eliten-Demontage" neu entdeckt, schreibt Christine Wahl im Tagesspiegel (17.10.2010). Kimmig verorte die Leistungsträger nicht wie Perceval "auf der Freud'schen Couch, sondern – elitäre Höchststrafe – in einer Boulevardkomödie". Wem das alles "zu sehr nach Yasmina Reza" klingt, müsse dafür vor allem unsere Gegenwart verantwortlich machen. "Wir sehen gesellschaftlichen Eliten bei der Selbstoffenbarung und Selbstzersetzung zu – mit hohem Identifikationspotenzial." Das sei zwar "nicht neu, aber eine konsequente Lesart". Und dass Kimmig den Text "so bedingungslos eingekürzt und ins Heute geholt, dass es mitunter holpert", verzeihe man gern. Dem "hochkarätigen Ensemble" gelinge "die Balance zwischen Karikatur und ernst genommener Befindlichkeitsduselei über weite Strecken" sehr plausibel. Der Regisseur rücke die Leistungsträger weit von den "Niederungen der sozialen Wirklichkeit" weg, lasse deren utopischen Entwürfe "auf privates Befindlichkeitsniveau" schrumpfen. Von Gorkis Prekariat bleibe nur Hausmeister Jegor, demgegenüber Matthes die "beiläufige, buchstäblich selbstsichere Souveränität des Bürgers gegenüber dem Proleten" spiele, die sich "hervorragend mit sozialem Engagement" verträgt. Diese Skizzierung des "jovialen Bürgertums" mache den Abend auch zum "scharfsichtigen Kommentar" auf den "zeitgeistigen Theaterbetrieb", der sich ja "allzu gern mit linksromantischen Sozialentwürfen" schmücke.

Michael Laages vom Deutschlandfunk (Kultur Heute, 17.10.2010) fühlt sich in eine Fortsetzung des Tracy-Letts-Erfolges "Eine Familie" versetzt. Den sogenannten "besseren Kreisen" stehe "mit dem finstren Jegor die Unterschicht in Reinkultur gegenüber". "Am Zusammenprall dieser Schichten (...) werden beide Seiten dieser Welt zu Grunde gehen". Diesen "Zustand der Entfremdung" zeige Kimmig überaus gegenwärtig. Bei seiner starken Stück-Raffung sei "erstaunlicherweise (...) auch ein Handlungsstrang gekappt, der besonders modern wirkt": ein Geschäftemacher will Protassow das Labor abkaufen, um den Wissenschaftler als Angestellten weiter zu beschäftigen. "Aber das hätte womöglich nicht recht gepasst zu Kimmigs Idee von der Großfamilie, die sich hier gemütlich mit dem eigenen Untergehen beschäftigt". Gorkis Stück gewinne in dieser Bearbeitung "die Qualität eines angeschärft-zugespitzten Alltagsdiskurses; kein Wort zu wenig, keins zu viel. Auch deshalb sieht das nach aller klügstem Broadway aus." Die Rede von der "Star-Besetzung" im Vorfeld hält Laages für völlig verfehlt, seien die hiermit wohl Gemeinten, Hoss, Schüttler und Matthes, doch "Teil eines Ensembles, das, wenn denn dieser Begriff überhaupt benötigt wird, der Star des Abends ist". Alle zusammen markierten "ein Ensemble-Spiel, wie es keines sonst gibt in der Hauptstadt; und auch sonst im Land nur sehr selten". Vorausschauendes Fazit: "mit Sicherheit eines der wirklich großen Ereignisses dieser Saison".

Wieder mal "ein Attentat des Regietheaters auf das dramatische Welterbe"?, fragt Ulrich Weinzierl in der Welt (18.10.2010). Aber hat Kimmig Gorkis Stück wirklich "frech und respektlos, ohne Sinn für den historische Kontext" inszeniert? Aber nein! Vielmehr habe man es hier mit einer " Sternstunde nicht allein des Berliner Theaters" zu tun. Nie habe Kimmig "Besseres, in sich Stimmigeres gemacht". Klar, "Tiefe und Tragik verbergen sich hier hinter einer Edelboulevardkomödie", "eine vermeintliche Elite weiß nicht, was sie tut, schwafelt freilich hingebungsvoll". Dass einen "diese menschlichen Elementarteilchen" faszinierten, liege am "fabelhaften, perfekt und locker aufeinander eingespielten Ensemble", das die "armseligen Gestalten" bei aller Lächerlichkeit nicht an die Karikatur verrate, "wir müssen uns – ob wir wollen oder nicht – mit ihnen identifizieren". Matthes' Protassow sei ein "altes, egozentrisches Kind", eine "Monade im bürgerlichen Speck", Schüttlers Lisa "der Fleisch gewordene Jammer, reine Depression". Khuon habe mit Tschepurnoj endlich wieder eine "seinem Ausnahmetalent angemessene Rolle gefunden". Und Wichmann zeige "äußerst differenziert" das Anrührende in Melanijas "aberwitziger Verehrung Protassows". Hoss agiere "klug und präzise bis zur Schärfe". Kimmig sei mit seinem Weiterdenken Gorkis "Außerordentliches" gelungen. "Kurzum: Theaterglück." "Wir erkennen uns im Zerrspiegel und ahnen: Das ist die traurige Wahrheit und nichts als die Wahrheit."

Für Jürgen Otten von der Frankfurter Rundschau (18.10.2010) beginnt der Abend "leicht, lapidar: lakonisch", als wollten alle betonen, "dass das Leben doch nur ein Spiel sei". Kimmig führe uns "in seiner brillanten Inszenierung" die Folge des "Weltabhandengekommenseins" bei Gorki "mit größtmöglicher Ironie" vor: "Keiner versteht keinen, jeder träumt für sich seinen eigenen Lebenstraum, alle reden aneinander vorbei". Auch die Bühne von Katja Haß zeige ein "entseeltes Ambiente", mit verkümmernden Pflanzen – ein "plastisches, plausibles Bild für die Beziehungen, die hier gepflegt, oder besser: eben nicht gepflegt werden". Matthes' Pawel sei ein "nonchalant lächelndes, dabei aber im höchsten Maße versponnenes Menschenkind", Wichmanns Melanija "ein Ausbund an verrückter Naivität". Jelena fliehe in den "kontrollierten Sarkasmus", und "jeder Satz, den die luzide Nina Hoss sagt, ist eine Spitze, und mindestens jeder zweite ein giftgetränkter Pfeil". Khuon leihe Tschepurnoj eben "jene Leidenschaft, die den an der Menschheit verzweifelnden Tierarzt in den Suizid treibt. Eine famose Darbietung". Als die Nachricht von seinem und des Hausmeisters Gattin Tod eintrifft, kippe das "spöttische Spiel vollends und ziemlich abrupt um", plötzlich trete "die Wirklichkeit hinein in diesen Kirschkindergarten". Auch für Otten ist's ein "großer, ein bedeutender Theaterabend".

Einen "Schauspielhochglanzabend" hat auch Dirk Pilz von der Berliner Zeitung (18.10.2010) gesehen. "Sie sind allesamt hinreißend!", taumelten "durch die Schluchten ihrer Figurenseelen", setzten diese aber auch "in dick ausgemalte, saftige Großbuchstaben". "Glitzernder Prachtboulevard", "sehr unterhaltsam, sehr schillernd, sehr süffig inszeniert". Kimmig schaffe das "vorgeblich wirklichkeitsgetreue Gemälde einer saturiert schicken, wohlhabend zynischen Mittelschicht", zeige sich fortwurstelnde "Ich-AGler", "Tagträumer", "die in einem Gespinst von Einbildung und Weltverachtung leben, (...) bedroht aber von einer revoltierenden Außen- und Anderswelt". Diese sei hier auf Hausmeister Jegor zugespitzt, er soll "das superkritische Störmoment sein, werde allerdings zum "Alibi für eine Milieustudie, die bloß verdoppelt, was sie zu kritisieren vorgibt: die schalen Selbstgefälligkeiten, den billigen Sarkasmus einer entpolitisierten Kaste". Vielleicht sei dies tatsächlich das "treffende Porträt einer Mitte-Generation, die den Verhältnissen und Artgenossen wahlweise achselzuckend oder ausbeuterisch begegnet". Vielleicht auch fasse Kimmig nur deshalb so "beherzt ins Boulevardfach", um dem "Verzweiflungsfinale" die entsprechende Fallhöhe zu verschaffen. "Das aber verpufft", da "alles Fallen und Verzweifeln (...) wie auf Samtkissen gebettet" ist. Wo der Autor den Zuschauer so sehr habe aufrütteln wollen, "'dass er sich in seinem Sessel nicht mehr wohl fühlt'", rolle Kimmig ihm "die weichen Teppiche gefahrloser Identifikation aus".

Warum Kimmig sich Gorki vornimmt, leuchtet Irene Bazinger von der Frankfurter Allgemeinen (18.10.2010) wenig ein. Die Fassung entferne sich weit vom Stück, die Inszenierung reduziere nicht nur das Personal, sondern auch die "brisante Gesellschaftskomödie", nämlich "auf vorwiegend private Beziehungskisten". Die Schauspieler sprächen die "prahlerische Neudichtung" "als Sprechblasen auf zwei Beinen" in "so schnöseligem wie abgedroschenem Tonfall". Erst als sich "der plumpe Gegenwartszinnober" zur Mitte des Abends lege, könnten die Darsteller "aus den eitlen, dünnen Regiegeschichtsfädchen ein psychologisch grundiertes Emotionalgeflecht zaubern". Hier vermittle die Inszenierung, "offen für die Mäander dieser im (...) Niemandsland ihrer Utopien gestrandeten Heilsbringerkarikaturen", dann tatsächlich etwas "von Gorkis materiellen wie mentalen Umbruchsvisionen". Und das "zum Teil hochkarätig besetzte Ensemble" dürfe endlich "sein Können anwenden und über die Verwerfungen von Geist und Seele in den Zeiten extrem wechselnder Machtkonstellationen erzählen", statt "die Langeweile durch Langeweile, die Erstarrung durch Erstarrung" zu vermitteln. Matthes, Hoss, Lehmann und Wichmann empfindet Bazinger als "wunderbare Filigranspieler des ins Trudeln geratenen Unbewussten"; "eher grobe Skizzen" hat sie bei Schüttler, Khuon und Graf gesehen.

Dass "Kinder der Sonne" wie eine "böse-komische Milieustudie unserer Tage" wirke, liege am "glänzenden Ensemble" und an Kimmigs "psychologisch genauer Regie", die auf alle "auftrumpfenden Effekte und auf politische Rechthabereien" verzichte, schreibt Peter Laudenbach in der Süddeutschen Zeitung (19.10.2010). Das "Wetterleuchten" der heraufziehenden Umbrüche sei gestrichen, übrig blieben "empfindsame Akademikerseelen mit einem arg verrutschen Gefühlsleben", lauter "mal kindisch, mal leicht hysterisch vor sich hin brabbelnde Autisten - Botho Strauß auf russisch". Das sei "ziemlich komisch". Und "ziemlich traurig". Gerade indem Kimmig und sein Dramaturgin Sonja Anders Gorkis Schauspiel entpolitisierten, entwickele ihre Fassung "zeitdiagnostische Kraft". Eine kluge, "wunderbar leichte, hinter der komischen Oberfläche hoffnungslos melancholische Inszenierung".

 

Kommentare  
Kinder der Sonne, DT: Zustimmung
Klasse.So liebe ich das DT (wieder)!!!!!
Kinder der Sonne, DT: alles richtig und trotzdem Edelboulevard
Burn out bei den Kindern der Sonne

Maxim Gorkis „Kinder der Sonne“ wird wenig gespielt. Er schrieb es, seine Erlebnisse des Petersburger Blutsonntags verarbeitend, 1905 in der Haft der Peter-Pauls-Festung und verlegte die Handlung ins vorrevolutionäre Russland der Cholera-Epidemie von 1892. Erst vor einem Jahr gab es eine Version des Stücks von Luc Perceval bei seinem Antritt als Oberspielleiter am Hamburger Thalia Theater. Er hatte die russische Intelligenzia in ihrem Elfenbeinturm mit tragik-komischen Zügen ausgestattet und für seine Therapiesitzung sehr zwiespältige Reaktionen geerntet. Hier war der Gegenpart die Proleten noch in Form eines Kindermädchens und des Hausmeisterehepaars vertreten.
Am DT muss diesen Part nun der Hausmeister Jegor allein stemmen. Markus Graf gibt ihn als buckligen dauerbesoffenen Erniedrigten und Beleidigten der den Hammer schwingt. Die eigentlichen Kinder der Sonne, wie sie Gorki noch als nach dem Licht der Erkenntnis Strebende beschrieb, sind nun saturierte bürgerliche Spießer, die sich nur um sich selbst drehen und schnell ist klar, das hier nicht Russland gemeint ist, sondern die heutige Zeit in der schicken Mitte von Berlin. Stephan Kimmigs Elite, die eigentlich zum Wohle des Volkes forschen und Idealistische Kunst erschaffen wollte, ist alles nur noch unnötig und peinlich oder sie resigniert zynisch vor der Zukunft. In ihrem Mittelpunkt stehen nur ihre vergebliche Suche nach Liebe, Geld und die Angst gesellschaftlich zu scheitern. Kimmig bietet für seine Sicht auf das Mitte dieser Tage ein Staraufgebot an Bühnenschauspielern auf, wie es schon lange nicht mehr in Berlin zu sehen war. Nach seinem eher gescheiterten Lessing geht er diesmal auf Nummer sicher und hat alles richtig gemacht. Die Schauspieler allen voran Ullrich Matthes als völlig weltfremden Wissenschaftler und Menschheitsversteher Protassow tänzeln diesen Abend, auch schon mal mit russischer Folklore aus, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt. Es ist streckenweise atemberaubend. Nina Hoss als Protassows Frau Jelena ist hier nicht nur die leidende vernachlässigte Gattin, sie darf auch schon mal die Contenance verlieren als Protassow eher um seine Forschung und über Unannehmlichkeiten besorgt ist, als um das Glück seiner Ehefrau. Die junge reiche Witwe Melanija rutscht ebenso glatt an ihm ab, als sie ihm ihre Liebe gesteht, dabei aber eigentlich nur einen schönen Menschen für sich kaufen will. Sven Lehmann als Künstler Wagin interessiert seine Kunst schon lange nicht mehr wirklich. Das er eigentlich das Sonnenschiff, das Jelena im Traum gesehen hat malen soll, kommt in Kimmigs Inszenierung gar nicht mehr vor. Wagin poltert hier nur und als er seine Liebe zu Jelena enttäuscht sieht, gibt er einen resignierenden Kalauer mit dem Steiner-Gedicht von Robert Gernhardt zum Besten.
Beckmann sprach zu Rudolf Steiner:
"Wird mein Bild nicht immer feiner?"
Darauf knurrte Steiner: "Beckmann,
wisch den Unfug lieber weg, Mann!"
Ein weiteres vergebliches Liebespaar ist mit Katharina Schüttler als Lisa, gemütskranke Schwester Protassows und Alexander Khuon als Tierarzt Boris Tschepurnoj, Bruder von Melanija am Start. Das ist Resignation pur. Hier versagen sich zwei eine Liebe, das es einem schon das Herz zerreißen möchte. Der beginnende Wahnsinn ist Lisa schon von Anbeginn eingeschrieben, Boris, selber tief depressiv und ein zynisch vom Leben Enttäuschter, kann dem nicht viel entgegensetzen, sein Freitod aus enttäuschter Liebe ist allerdings in Kimmigs Inszenierung eher unverständlich. Der Mob der sich vor den Türen der Hauses formiert, ist hier nicht anwesend. Lisa ist die Warnerin, die als Kassandra Verschriene, die man lieber ins Bett schickt, weil man sich ihrer schämt. Als dann Jegor wieder besoffen und nicht als Anführer eines Progroms ins Haus stürzt, wird er wie ein aus der Rolle gefallener Straßenfegerverkäufer in der U-Bahn behandelt und angespuckt. Was da draußen eigentlich wirklich los sein könnte, interessiert hier drinnen niemand mehr. Kimmig entzaubert das tolerante Bildungsbürgertum konsequent, kommt aber leider über Edelboulevard nicht hinaus. Irgendwie hat man das alles schon x-mal gesehen, hier allerdings von unterforderten Bühnenstars in Höchstform. Kein Funken Utopie nichts, das Schiff der Sonne liegt vermodert in der Reede.

www.blog.theater-nachtgedanken.de
Kinder der Sonne, DT: Frage
warum darf denn dieser hobbykritiker hier zweitverwerten?
Kinder der Sonne, DT: warum denn nicht?
@L E
Warum sollte er es denn nicht dürfen?
Kinder der Sonne, DT: Gernhardt-Kalauer
Oh, LE, vielen Dank für die Blumen. Wenn Sie wenigstens noch freundlicherweise meine Rechtschreibfehler korrigiert hätten, aber da muss man sich ja inhaltlich mit was auseinandersetzen, das scheint Ihre Stärke nicht zu sein. Ich habe hier noch keinen echten Kommentar zur Sache von Ihnen gelesen. Was für eine Laus ist Ihnen denn wirklich über die Leber gelaufen, Sie Kind der Sonne? Extra für Sie zur Aufmunterung und ganz der Zweitverwerter stelle ich den ganzen Kalauer von Robert Gernhardt in den Thread.

Kafka sprach zu Rudolf Steiner:
"Von euch Jungs versteht mich keiner!"
Darauf sagte Steiner: "Franz,
ich versteh dich voll und ganz!"

Steiner sprach zu Hermann Hesse:
"Nenn mir sieben Alpenpässe!"
Darauf sagte Hesse: "Steiner,
sag mal, reicht denn nicht auch einer?"

Steiner sprach zu Thomas Mann:
"Zieh mal dieses Leibchen an!"
Darauf sagte Mann zu Steiner:
"Hast du's nicht 'ne Nummer kleiner?"

Rilke sprach zu Rudolf Steiner:
"Keiner ist so klein wie meiner!"
Tröstend meinte Steiner: "Rainer,
meiner ist noch etwas kleiner!"

Beckmann sprach zu Rudolf Steiner:
"Wird mein Bild nicht immer feiner?"
Darauf knurrte Steiner: "Beckmann,
wisch den Unfug lieber weg, Mann!"
Kinder der Sonne: Originalbeitrag
"das Schiff der Sonne liegt vermodert in der Reede" geht ja als originalbeitrag noch durch. aber sowas gleich auf zwei seiten festzuklopfen, wird da nicht blogkultur zum laienspiel? na kein wunder, daß Sie sich da auf Ihre rechtschreibfehler noch was einbilden, herr nachtgedanke!

(Werte Kombattanten,
Thema dieses Threads ist Kimmigs Inzenierung. Im Sinne der "Themenbezogenheit" wäre es also sinnvoll, vom gegenseitigen Bashing zurück zur Diskussion zu kommen.

Georg Kasch für die Redaktion)
Kinder der Sonne, DT: Utopie einer bürgerlichen Gesellschaft fehlt
Ich würde gerne themenbezogen diskutieren, L E scheint es aber eher um die Form zu gehen als um den Inhalt. Was bitte klopfe ich 2 Seiten lang fest? Sollte man nicht eher fragen, auf was klopft Kimmig 100 min. lang rum? Ich empfinde das im Grunde eher langweilig. Das Brett ist plattgehobelt, da muss man nicht mehr drauf rumbohren. Mir fehlt wie schon in den letzten Inszenierungen des DT die Utopie einer bürgerlichen Gesellschaft, oder gibt’s es da tatsächlich nichts mehr zu erzählen?
Kinder der Sonne, DT: warum Rudolf Steiner?
Bleibt die Frage: Wen und/oder warum interessiert in diesem Kontext eigentlich Rudolf Steiner? Und wen interessiert, ob ER kleiner oder größer sei? Mann, Stefan, werden auch Sie bitte endlich erwachsen und diskutieren Sie themenbezogen!
El-friede sagt übrigens zum Thema Sonne: "[...] die brauchen wir jetzt einmal nicht, was die kann, können wir schon lange: mehr scheinen als sein, so grell scheinen, daß man das Sein gar nicht mehr sieht; [...]." Tja.

(Das Gernhardt-Gedicht wurde in Kimmigs Inszenierung verwendet, deshalb müsste diese Frage an den Regisseur gehen. Georg Kasch für die Redaktion)
Kinder der Sonne, DT: philologische Nachfrage
@ Stefan
Ich hätte da eine philologische Nachfrage zu den Steiner-Versen (auch wenn das sich jetzt nicht so sehr konkret an der Inszenierung abarbeitet). Die ersten drei Strophen sind ja fester Gernhardt-Kernbestand (aus "Besternte Ernte") - wo aber kommmen die Rilke- und Beckmann-Strophen her? Sind das Apokryphe? Oder Fakes?
Kinder der Sonne, DT: Schmerzen drücken von außen aufs Gebäude
Alles in Allem doch ein schöner Abend. Und ich habe so viel noch drüber nachgedacht, über Ehrlichkeit und wie wenig wir uns selber kennen. Und wie gut es ist lieben zu können. Und wie selten das ist. Und wie notwendig Aufrichtigkeit sein muss, in Wissenschaft und Kunst und wie sehr das verbunden ist mit der Fähigkeit lieben zu können - oder auch darauf verzichten zu können. Die Schauspieler hatten gut zu tun und haben es auch gut getan, mir jedenfalls tat's gut. Hab gern applaudiert dem schönen Spiel. An sich fehlt mir ein wenig das es da noch andere Menschen gibt. Die Leidenschaft wächst doch auch hinter der Bühne. Die Schmerzen drücken von aussen auf das Gebäude, eigentlich, aber das ist schwierig, wenn wir gar nichts davon sehen dürfen. Die Probleme der einen sind nicht die der anderen.
Kinder der Sonne, DT: Beckmann-Verse passen gut
@ El-friede
Also ich denke, Kimmig hat Wagin das Steiner-Gedicht aufsagen lassen, als bissigen Seitenhieb a) auf das Bildungsbürgertum per se, dann b) natürlich noch in Bezug auf Steiners anthroposophische Weltanschauung, als Abgesang auf den Idealismus in Gorkis Stück c) schließlich als zynische Replik auf Jelena, die in dieser Fassung ja Lehrerin ist, wahrscheinlich sogar in einer Waldorfschule, würde jedenfalls passen.
@ Wolfgang Behrens
Puh, da kann ich Ihnen jetzt auch nicht weiterhelfen, ich habe Gernhardt nicht mal im Bücherschrank, obwohl ich ein großer Fan solcher Dichtung bin und es auch immer mal selbst versuche. Die Verse habe ich ergoogelt ohne jetzt speziell darauf zu achten, ob sie original Gernhardt sind oder nicht. Jedenfalls sind in allen Quellen des Internets die letzen beiden Strophen enthalten. Es gibt tatsächlich eine Internetseite, in der die Urheberschaft anzweifelt wird: http://kunst.elvira-von-seydlitz.de/steiner.html
Eine weitere Website mit dem Steiner-Gedicht ist: http://azzurro.designblog.de/thema/robert-gernhardt....41/
Man kann solche Gedichte natürlich unendlich weiterspinnen. Gernhardts Steiner-Gedicht lädt einen ja geradezu ein sich selbst zu versuchen. Siehe erste Website.
Ich denke der Dramaturg hat diese Version gewählt, weil Wagin Maler ist und die Beckmann-Verse gut passen.
Kinder der Sonne, DT: brutale Offenlegung unserer Innenverstrickungen
Ein wirklich berührender Abend. Kimmig und seine Schauspieler fräsen sich mit einer tiefen Leichtigkeit in diese instabilen , irrlichternden Figuren; voll Schmerz und Witz; gerade lacht man noch, auch über sich selbst oder über die schreckliche Lächerlichkeit in die wir geraten, wenn die Knoten unserer Innenverstrickungen so brutal offengelegt werden wie an diesem Abend, und dann schauen wir schon wieder in den nächsten Abgrund. Die Schauspieler fordern sich allesamt permanent gegenseitig heraus, vieles scheint wie im Moment zu entstehen; eine ruhelose, schonungslose Umzingelung eines porösen Kerns, der Mitte unserer Gesellschaft; sie suchen nach einem Klebstoff, der die vielen Einzelteile des zerstörte Puzzles unseres Zusammenlebens vielleicht wieder zusammenfügen könnte. Wir waren beeindruckt.
Kinder der Sonne, DT: Aufwärmübungen eines Schauspiel-Workshops
Kinder der Sonne, geschrieben in Folge und unter dem Einfluss der gescheiterten russischen Revolution von 1905, ist ein Stück über Gegensätze. Auf der einen Seite die "Kinder der Sonne", die russische Intelligenz, erfüllt vom Glauben, für das Wohl der breiten Masse zu arbeiten, aber eingeschnürt in ihrer eigenen kleinen Realität. Auf der anderen steht der Pöbel, stumpf, unidealistisch, gewalttätig. Aus dieser Spannung zieht das Drama seine Energie, seine Wirkung. Nur vor dem Hintergrund des Außen, der wahren Welt, sind die narzisstischen, um sich selbst drehenden Diskussionen der Möchtegern-Weltverbesserer zu verstehen, nur vor ihm haben sie eine dramatische Funktion. Kinder der Sonne ist ein zutieft pessimistisches Stück: Weder die Elite, noch das Proletariat erscheinen hier als Motoren eines Wandels zum Besseren.


Stephan Kimmig nimmt zwei zentrale Änderungen vor: Erstens verlegt er das Geschehens in die heutige Zeit (wie Gorki es in die Vergangenheit schob), zweitens blendet er den Pöbel, das einfache Volk fast vollständig aus. Übrig bleibt nur der Hausmeister Jegor, der ein bisschen pöbeln darf, einige clowneske Momente hat, aber eher lächerlich als bedrohlich wirkt. Einmal darf er mit einem Hammer den von Katja Haß gebauten Stangenwald malträtieren. Ein Bild der Bedrohung der fragilen Innenwelt durch die Gewalt der Realität, dass in seiner Einfalls- und Hilflosigkeit seinesgleichen sucht.


Mit der Beschneidung des Personals und dem Bühnenbau endet dann auch die Regiearbeit Kimmigs weitgehend. Er stellt einfach ein Ensemble auf die Bühne, das jeden Theaterliebhaber mit der Zunge schnalzen lässt. Ulrich Matthes, Nina Hoss, Sven Lehmann oder Katharina Schüttler, so meint er, werden schon etwas draus machen. Und natürlich tun sie das, jeder für sich. Matthes spielt den Protassow als weltfremden lächerlichen Jammerlappe weit jenseits der Grenze zur Parodie, Nina Hoss spielt jede Schattierung des Gelangweiltseins durch, Lehmann probiert jede Nuance aus, die seine schnarrende Stimme hergibt und ergeht sich ansonstem in einem spöttischen Lächeln, das den Eindruck erweckt, es gelte der Inszenierung selbst. Nur Katharina Schüttler fühlt sich sichtlich unwohl und erscheint irritiert ob des behaupteten Weltschmerz, den sie darstellen soll. Ihre Lisa ist in der Verweigerung des oberflächlichen Leidens vielleicht die authentischste Figur.


Ansonsten spielt man vor sich hin und nebeneinander her, wird von Zeit zu Zeit zu bedeutungsschwangeren Tableaus aufgestellt, die eher das Niveau eines Fotoshootings für "Germany's Next Topmodel" haben, und wartet ansonsten auf den Vorhang. Da ist keine Spannung, zum einen weil der Reibungspunkt der feindlichen Außenwelt, der "echten" Realität fehlt, aber auch weil sich Kimmig weigert, das ganze wenigstens als Kammerspiel, als Drama einer hermetisch abgeschotteten Parallelwelt, zu inszenieren, wenn nicht als Tragödie, dann wenigstens als Farce. Aber es ist nicht einmal eine ironische Darstellung einer überdrehten Mittelklasse von heute. Was da auf der Bühne zu sehen ist, sind Aufwärmübungen eines Schauspiel-Workshops. Machen Sie mal einen weltfremden Professor. Sehr schön. Und jetzt ist Mittagspause.
Kinder der Sonne in Berlin: Revolte als Bewegung aus der Mitte
Die Spieler spielen doch nicht nebeneinander her, oder vor sich hin; das tun sie doch gerade explizit nicht in dieser Aufführung. Sie spielen doch miteinander, im Moment seiend, permanent hat man den Eindruck, sie wüssten den nächsten Augenblick nicht, es stockt, es hängt oder finden sie keinen Text mehr; alles entsteht im Spiel , in der Reibung miteinander, und eben als Ensemble, und nicht als einzelne Selbstdarsteller, und das ist bei diesem hochkarätigen Ensemble eine besondere Leistung; und so sind die Risse, die Suchbewegungen, die Fragen und Ängste der Figuren und wahrscheinlich auch von uns als Publikum, auf die poröseste und spannendste Art und Weise dargestellt; es heißt, suchen, suchen, suchen und kaum Antworten haben; da werden Figuren aus der Mitte der Gesellschaft heute untersucht, und wahrscheinlich wird es eben die Mitte der Gesellschaft auch sein, die überhaupt etwas ändern und bewegen will, siehe Stuttgart 21, eben auch eine Bewegung aus der Mitte der Gesellschaft; und deswegen würde es ja auch keinerlei Sinn machen, und wäre nur falsch verstandene Unterwürfigkeit den ursprünglichen Ideen des Autors Gorki gegenüber, wenn in der Fassung von Kimmig und Anders (Dramaturgie) revoltierende Arbeiter am Gartenzaun auftauchen würden; denn wo sollen denn diese revoltierenden Arbeitermassen bitte heute sein?; die sind nicht da; und so ist das einfordern dieser Kräfte, gar als nötiger Reibungspunkt für eine spannende Situation, nichts als billiger schwülstiger Revolutionskitsch.
Kinder der Sonne, Berlin: auf ein wohltuendes Maß reduziert
Warum rückte an Silvester das DT-Team mit Olivia Gräser statt, wie angekündigt, mit der Schüttler an? Nichts gegen die Gräser, aber so war eine nur eine Aufführung light.
Insgesamt hat es mir sehr gut gefallen, obwohl inhaltlich sehr wenig geboten wurde. Gorki hätte diese Version vermutlich verbieten lassen, wenn er die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Das kühle Interieur erinnerte stark an die von der Schaubühne präferierten Bühnenbilder.
Nun, warum war es denn so gut? Trotz des uferlosen privatistischen Beziehungsstapels gelang es Kimmig und Sonja Anders, spielwürdige Passagen und wortmächtige Dialoge einfließen zu lassen und überflüssigen Ballast herauszufiltern. Das vollständige Ausklammern sozialer Komponenten und politischer Konsequenzen wurde dadurch verzeihlich. Wenn nicht so gut gespielt worden wäre, hätte man den Blick zwangsläufig mehr auf das Inhaltliche gerichtet. Stark verbessert war Nina Hoss im Vergleich zu „Öl“. Alles, was damals in ihrem Spiel manieriert, überzeichnet und gestisch überfrachtet war, wurde jetzt auf ein wohltuendes Maß reduziert und dadurch zur Glanzleistung. Dass Matthes mehr aus sich herausholen kann als kürzlich bei „Peggy Pickit“, konnte er diesmal wieder unter Beweis stellen – bei Schimmelpfennigs kargem Text hat selbst ein versierter Schauspieler Mühe, seine Rolle halbwegs akzeptabel über die Bühne zu bringen. Hervorragend war noch Lehmann, Khuon versank diesmal in Mittelmaß und Frau Gräser fehle das Überspannte, Exzentrische, sie spielte zu „normal“.
Kinder der Sonne, Berlin: Mutterschutz
@ flohbär
habe katharina schüttler im november an der schaubühne als hedda gabler gesehen und da war sie schon fortgeschritten schwanger...
Kinder der Sonne, Berlin: große Klasse
Ganz große Klasse! Ein wunderbarer Abend. Eigentlich kann man aus dem Ensemble niemanden herausheben; wenn doch, dann Olivia Gräser. Wunderbar ihre Mimik und ihre Gesten.
Kinder der Sonne, Berlin: Komödie reinsten Wassers
Lese gerade noch einmal die Kommentare zum Abend, aus dem ich frisch wieder entlassen bin: mit zwiespältigem Gefühl.
Erinnere mich eigenartigerweise gerade an einen anderen Thread, wo es hieß, im nachtkritik de.-Forum gäbe es keine immanente Würdigung
der Inszenierungen, sondern es herrsche -das neue Modewort: lückenlos- der Anspruch, das Wunschdenken, eine Inszenierung mit gefälliger Message geboten zu bekommen, alles Andere werde niedergemacht. So in etwa. Nicht, daß dieser Befund stimmen würde,
aber irgendwie hat mein zwiespältiger Eindruck schon damit zu schaffen, daß eine "immanente Würdigung" ohne einen Blick auf einen weitergreifenden Rahmen schlichtweg gar nicht so einfach zu haben ist. Was ich eben gesehen habe, das war eine Komödie reinsten Wassers, schon der Begriff Mitte-Komödie käme mir da merkwürdig vor, denn viel ausgreifender ließe sich das dort ausgestellte Verhalten auch sonst (außerhalb der Mitte Berlins) feststellen. Weit ist das auch garnicht von ganz allgemeinen "Schwächen" in menschlichen Gefügen, so daß das Fehlen der großen Stufe zwischen den Sonnenkindern und Nachtasylern nicht nur vom weitestgehenden Fehlen der Nachtasyler herrührt, sondern auch daher, daß hier der "Average sense of common man" auftritt im Grunde (nicht zu verwechseln mit dem common sense, der nämlich bleibt fatal ausgeblendet). Für dieses Oben/Unten findet Stephan Kimmig freilich mehr als nur diesen Hausmeister; viel besser finde ich das Bild mit dem "Händewaschzwang" nach der Visite der Jelena bei der Hausmeistergattin: großartig. Durch Immunisierung, so verschaffen wir uns heute schon eher Luft vor denen "da unten", und eigenlich ist es schon komisch, daß dieses meineserachtens viel schlagendere Bild so wenig Aufmerksamkeit in den Kritiken und Kommentaren genießt. Irgendwie sinnbildlich für das, was ich weiterhin sagen will: das geht in dem fulminanten, süffigen, gekonnten Aktionen schlichtweg unter. Ich glaube desweiteren schon, daß Kimmig hier extra nicht die große sozialrevolutionäre Trommel rührt, sondern uns geschickt einen Spiegel vorhalten will,
aber letztlich müßte er fast sagen: "Indem wir so spielen und ihr so lacht, verhalten wir uns grad ebenso wie die da Dargestellten auf der Bühne." Das aber wäre für meine Begriffe, bedenkt man die Allgemenheit des Dargestellten, die quasi reine Komödie, ein Widerspruch in sich und muß fast zwangsläufig selbst ein wenig zynisch wirken. Die Gefahr, sich in Parallelführung zur "Gokijgesellschaft", von hintenrum (qua) Komödie an die Allgemeingültigkeit des eigenen zynischen Potentials zu gewöhnen, würde ich von den strukturellen Bedingungen dieser Inszenierung her für garnicht so gering einschätzen, gerade weil der Abend so gut zu unterhalten wußte zB. in den "Überflüssig"-Szenen des Ulrich Matthes. Bleibt das zwiespältige Gefühl, aber ganz anders als zB. bei "Einsame Menschen". Ach so, auch daß am Ende ausgerechnet der Hausmeister und das junge -gerade durch den Hausmeister auch- verängstigte Wesen (auch in meinem Fall Oliva Gräser !) gewissermaßen ganz nah beeinander kauern als Verwitwete machte kurz einen starken Eindruck auf mich..
Kinder der Sonne, Berlin/Leipzig: Sehr gut!
Ich habe den Abend gestern endlich als Gastspiel in Leipzig gesehen. Und es scheint mir fast so, als habe sich die Inszenierung innerhalb eines Jahres völlig wegentwickelt von der ursprünglichen Idee. Viele Kommentatoren beklagen die dramatische Leere des Abends und wünschen sich, Kimmig würde mehr Farce spielen lassen. Und ich muss sagen: Wenn das gestern Abend keine Farce war, was war es denn dann? Eine Komödie durch und durch, bitterböse, mit verschiedensten Zwischentönen und voller Boshaftigkeit und Ernüchterung. Sehr gut, und auch schlüssig!
Kinder der Sonne, Berlin/Leipzig: aggressive Langeweile
vielleicht sollte sich kimmig mal lieber auf das schauspiel konzentrieren statt auf die bühne. ich habe mich aggressiv gelangweilt. sehr sehr sehr gelangweilt. einen funken gab es und der hieß sven lehmann.
Kinder der Sonne, Berlin: Spielräume
Aber Hass' Bühnenbilder sind doch nie wirklich da, sondern wirklich nur Spielraum, auch wenn sie noch so mächtig scheinen .. ?
Kinder der Sonne, DT Berlin: Theater muss weh tun
Natürlich war "Kinder der Sonne" ein gelungener Theaterabend. Meine erste Antwort danach auf die Frage, wie es mir gefallen habe, war "Solides Schauspielertheater." Man schaut es sich an und eigentlich ist alles klar. Es bleibt für mich zu wenig Herausforderung an den Zuschauer, die mich besonders dann reizt, wenn sie zur Überforderung wird, weil ein Abend sehr lang ist (z.B. Zauberberg), weil Dinge passieren, die verstören (Kirschgarten), weil eine Inszenierung überfrachtet scheint mit Bezügen, die man bei einem Besuch gar nicht insgesamt erfassen kann (Vatermord). Das ist meine Ansicht von Theater, wobei ich natürlich nicht verlange, daß jeder Theaetrfreund sie teilt. Es gibt etliche Stücke im Spielplan, die ich mir immer und immer anschaue und jedes Mal mit ungebrochener Begeisterung. Bei Kimmigs Kinder der Sonne kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, daß ich mir die Inszenierung wiederholt anschauen würde. "Theater muß weh tun" sage ich gern und so gelungen die Kinder der Sonne auch waren, weh haben sie mir nicht getan.
Kinder der Sonne, DT Berlin: merkwürdig
Ist schon merkwürdig, was im weltweiten Netz so alles passiert. Da schreibe ich einen Eintrag ins Gästebuch des Leipziger Centraltheaters und schon steht er hier auf nachtkritik. Na ja, zumindest ist er diesmal auch wirklich von mir.
Kinder der Sonne, Berlin: wieder im Spielplan
Endlich wieder auf dem Spielplatz!! Juhuu!!
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