Die Klangvollen

3. Januar 2011. Argumente, Spitzfindigkeiten, Erbsenzählerei, Interpretationen, Begeisterungsrufe, Häme, Polemiken – das nachtkritik-Forum ist ein Ort des schillernden Theaterdiskurses. Ein guter Teil der Energie fließt dabei zumeist schon in den Kommentatorennamen. Hier einige der klangvollsten Signaturen im Kommentarwesen 2010:

 

Die unbedingte Universität

fordert den Kommentator "Goldschwanz" zur konstruktiven Debatte über Volker Löschs Lulu - die Nuttenrepublik an der Berliner Schaubühne auf:

"Wer keine Argumente hat, hat bloß eine Meinung. Also, beschreiben Sie doch mal, was Ihnen an dieser Inszenierung bzw. den Kommentaren gefällt bzw. missfällt. Dieser mindfuck-Vorwurf mit dem ausgestreckten Zeigefinger, der wirkt ansonsten nämlich einfach nur platt."

 

Das Gefühl der Unendlichkeit

fühlt sich unendlich unwohl mit einer vermeintlichen Deklassierung des Kleist-Dramas Das Käthchen von Heilbronn oder Die Feuerprobe (inszeniert von Simone Blattner am Berliner Ensemble) durch den Nachtkritiker:

"Herr Behrens, wieso ist dieses Kleist Drama schwachsinnig? Weil sie es nicht verstanden haben?"

 

Grubengaby und Grubengoofi

geben sich die Ehre in den Kommentaren zu David Böschs Der Sturm (von William Shakespeare) am Bochumer Schauspielhaus. Und erstere ist voll des Lobs:

"Nicola Mastroberardino und Florian Lange, Ariel und Caliban. Hut ab vor der großartigen Leistung dieser beiden Schauspieler in der auf die beiden Inselgeister reduzierten Fassung von Shakespeares Sturm."

 

Käptn Iglo Boatkill

navigiert im Forum mit sicherer Hand Jan Bosses Shakespeare-Fregatte Was ihr wollt (aus dem Hafen des Hamburger Thalia Theaters) durch einen Sturm aus Antithesen:

"Wenn der alte Shakespeare von dieser Aufführung wüßte, er würde in seinem Grab rotieren. Vor Freude! Vor Freude darüber, daß das Stück nur 90 Minuten geht."

 

Frankie aus Hollywood

empfiehlt Frank Castorf nach seiner Mehring-Ausgrabung Der Kaufmann von Berlin an der Berliner Volksbühne ein Mittel gegen verkrampfte Effekthascherei:

"relax, don't do it, if you don't want do it."

 

Ché bewahre!

reckt die Faust gegen den Nachtkritiker und gegen Gob Squads Protestbesinnung Revolution now! an der Berliner Volksbühne:

"Zauberhaft harmlos, diese Performance, würde ich sagen. So etwa in der Kategorie Kuschelrock anzuordnen."

 

Dumbo, der blaue Baron

stellt die Relevanzfrage angesichts von Rust – ein deutscher Messias (von Studio Braun mit Fabian Hinrichs am Deutschen Schauspielhaus Hamburg aufgeführt):

"Warum Rust thematisieren?"

 

Der Parkettbewohner

analysiert messerscharf (als wohne er im Parkett, Reihe 6, Mitte) ein Schauspielerproblem in Thomas Langhoffs Gorki-Inszenierung Nachtasyl am Berliner Ensemble:

"An der Bühne und den Kostümen gibt es nichts auszusetzen, Sozialkitsch sieht anders aus. Hier gibt es eindeutig ein Schauspielerproblem. Es geht ein großer Riss zwischen zwei Generationen von Schauspielern."


Mehr über skurrile User im nachtkritik-Forum? Hier entlang! Und hier gibt es die Highlights aus der Kommentarflut 2010.