Als sei's ein bürgerliches Trauerspiel

von Rudolf Mast

Hamburg, 15. Januar 2011. Am Sonnabend hatte im Hamburger Schauspielhaus William Shakespeares "König Lear" Premiere. Nun hat das Theater an der Kirchenallee derzeit bekanntlich erhebliche Probleme, darunter als wichtigste keinen Intendanten und zu wenig Geld. Aber auch diese Handicaps können keine hinreichende Erklärung dafür sein, dass dieser "Lear" derart desaströs geraten ist.

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Markus John als König Lear
©A.T. Schaefer

Der Abend beginnt auf der Vorbühne vor einem blauen Vorhang. Es tritt auf das Haus Gloucester (Michael Prelle), in dem sich wie im Hause Lear ein tödlicher Familienkonflikt anbahnt. Die Söhne, Edgar (Samuel Weiss) und der "Bastard" Edmund (Tim Grobe), sehen sich zum Verwechseln ähnlich und sind am ehesten am Farbton ihrer Kleidung unterscheidbar. (Kostüme: Heide Kastler). Vor allem aber sticht ins Auge, dass beide die Haare mit Pomade gebändigt haben und einen Pullunder tragen. Schamfrei vorzeigbar war ein solches Outfit, großzügig bemessen, zuletzt vor zirka vierzig Jahren. Und was immer die Inszenierung damit bezweckt: Die historische und ästhetische Verortung löst sich auf unheilvolle Art und Weise ein.

Philosophische Späßchen

Zunächst wirkt, wenn sich der blaue Vorhang lüftet, alles noch recht "modern": Auf der Bühne steht ein ockerfarbener leerer Kasten, der wie Karton nicht nur aussieht, sondern zu großen Teilen auch daraus besteht (Bühne: Florian Parbs). Auf der Rückwand prangt in schwarzen Lettern: NO THING. Dieses Motto hat auch die Dramaturgie des Hauses für den Abend ausgegeben, weil "Lears (Modell) Welt durch ein einziges Wort aus den Fugen gerät: NICHTS/NOTHING."

Das paradoxe Spiel mit dem Nichts ist in der Tat ein philosophisches Späßchen, das Shakespeare fast alle Narrenfiguren (im "Lear" spielt ihn Jana Schulz) treiben lässt. Hier aber zielt es auf eine Pointe, die nur im Englischen funktioniert, weil durch die Trennung aus "nichts" plötzlich "keine Sache" wird. Auf die Frage "Was sonst?", die sich aufdrängt, antwortet das Programmheft: der Mensch. Um den Menschen also geht es, und hier heißt er König Lear (Markus John), schwingt an einer Leine, die aus dem Schnürboden hängt, um nach der Landung sein Reich unter den drei Töchtern aufzuteilen.

Lear trägt eine weiße Pyjamahose und über dem bloßen Oberkörper einen schwarzen Morgenmantel. Seine Töchter Goneril (Ute Hannig), Regan (Katja Danowski) und Cordelia (Julia Nachtmann) tragen schulterfreie Kleider unterschiedlicher Couleur. Cordelia ist die Tugendhafte, die durch Ehrlichkeit den Zorn ihres Vater auf sich zieht. Cordelia trägt Weiß. Nicht, dass das Menschenbild der Inszenierung sich in der Farbgebung der Kostüme erschöpft, aber weit darüber hinaus geht es nicht. Dabei ist der Regisseur, der Österreicher Georg Schmiedleitner, zwar zum ersten Mal am Schauspielhaus, aber alles andere als ein heuriger Hase. Doch was er hier abliefert, lässt an seiner Eignung zweifeln.

Potpourri antiquierter Mittel

Verantwortlich dafür ist die Spielweise, zu der er die Schauspieler verdonnert, denn die stammt aus derselben Zeit wie Pomade und Pullunder. Shakespeares Stück ist satte 400 Jahre alt. Schmiedleitner aber lässt es spielen, als sei's ein bürgerliches Trauerspiel – schlimmer: Er lässt es so spielen, wie man im kleinbürgerlichen Milieu der 60er Jahre meinte, dass ein bürgerliches Trauerspiel zu spielen sei. Inbrunst ist der Nenner, auf den sich dieses Treiben bringen lässt, und die Mittel, derer es sich bedient, heißen große Gesten, verzerrte Gesichter, verrenkte Körper, die sich auf dem Boden wälzen, und ganz viel Geschrei. Und das Tempo, nach dem die Übersetzung lechzt, wird zugunsten falsch verstandener Glaubwürdigkeit gnadenlos verschleppt.

So gerät die "Tragödie über das Chaos, den Tod, die Auflösung und die Zerbrechlichkeit scheinbar festgefügter Welten", von der das Programmheft spricht, zu einem Potpourri antiquierter Mittel, mit denen nun einmal kein zeitgenössisches Theater zu machen ist. Da helfen auch keine "modernen" Errungenschaften wie die rotierende Drehbühne, bedeutungsschwere Musikuntermalung oder Leitungswasser und Theaterblut, die im Laufe der dreieinhalb Stunden reichlich vergossen werden.

Eine Tragödie ist der Abend möglicherweise für die Schauspieler, von denen keiner so schlecht ist, wie er sie macht. Nur die Frage, wie ein solches Desaster erklärbar ist, harrt noch einer Antwort. Zu fürchten ist jedoch, dass die bürgerliche Gesellschaft wieder so kleinbürgerlich geworden ist, dass sie sich an einer solchen Karikatur, die nichts trifft und niemanden meint, ergötzt. Und das wäre desaströser, als eine einzelne Inszenierung es je sein kann.

 

König Lear
von William Shakespeare
deutsch von Rainer Iwersen
Regie: Georg Schmiedleitner, Bühne: Florian Parbs, Kostüme: Heide Kastler, Musik: Sebastian Weisner.
Mit: Marco Albrecht, Katja Danowski, Tim Grobe, Ute Hannig, Lukas Holzhausen, Markus John, Julia Nachtmann, Michael Prelle, Aleksandar Radenković, Jana Schulz, Tristan Seith, Samuel Weiss.

www.schauspielhaus.de

 

Der Schauspieler Markus John, der in Hamburg die Titelrolle spielt, spielte 2010 in Karin Beiers Unterschichtstableau Die Schutzigen, die Häßlichen und die Gemeinen ein weiteres Vatermonster.

Kritikenrundschau

Auf Welt Online (17.1.2011) schreibt Monika Nellissen, die Regie von Georg Schmiedleitner verkindische den Lear. Es herrschten "deftig fidele Urständ: Brüllorgien, Wasserschlacht und Blutgemetzel". Das sei "Theatralik aus der Moritatenkiste", die feinere Mittel scheue, "auf Typen, nicht auf Charaktere" setze. Verrücktheit werde durch "Äußerlichkeiten" bloß behauptet. "Ein Panoptikum vorgegebener Narretei tut sich auf, das uns kalt lässt." Es gebe ein, zwei anrührende Szenen, Markus John spiele "vieles im Sinne Skakespeares und alles nach dem Willen Schmiedleitners", gebärde sich "wie toll, er brüllt, wird rabiat handgreiflich, (...), er wütet, er fleht, er klagt, aber wir konstatieren für uns (...) dass dieses theatrale Zur-Schau-Stellen wenig mit Empfinden und tiefer geistiger Durchdringung zu tun hat." Dem Publikum habe es dennoch gefallen.


Auf der Webseite des Hamburger Abendblattes (17.1.2011) schreibt Klaus Witzeling Schmiedleitner versuche, "die Endzeit-Tragödie mit den Mitteln des rabiaten Action-Theaters von vorgestern in den Griff zu bekommen". Den Autoritätsverlust des auf "bürgerliches Kleinformat" geschrumpften Königs versuche Markus John wettzumachen, indem er Lear als "brüllenden Kraftlackel" spiele. Rainer Iwersens Übersetzung sei 1984 für die Bremer Shakespeare Company entstanden und Elemente von deren "grotesk realistischem, volkstheaterhaft derben und sprachlich flapsig-frivolen Aufführungsstil" fänden sich nun in Schmiedleitners Arbeit wieder. Samuel Weiss und Michael Prelle gelängen "berührende Momente" bei Gloucesters Freitodversuch. Auch das Wiedersehen zwischen Lear und Cordelia gehöre zu den "dichten, leisen, ohne viel Nebel und Wirbel arrangierten Szenen" im zweiten, konzentrierteren Teil. Markus John erwische am Schluss sogar noch "einen Zipfel von der Größe und Tragik der Lear-Figur", die er in der "Komödiantik seiner Wahnsinnsszene" habe vermissen lassen. Alles in allem vertraue Schmiedleitner Shakespeares Sprachkraft zu wenig und verkleinere Figuren und. Trotzdem viel Beifall Regisseur und Schauspieler.

Eine Welt ohne Sozialforschung und gesellschaftliche Ankerplätze skizziere Schmiedleitner in Hamburg, schreibt Till Briegleb in der Süddeutschen Zeitung (19.1.2011): "Bereits nach wenigen Minuten produziert das Personal eines Pappschachtel-Hofes hier jene künstliche Erregung, die das Theater seit jeher mit dem Vorwurf belastet, zu leicht eine manierierte Kunst zu werden. Da brüllt der König halbnackt aus Leibeskräften, da schleimen die Erben in Galakleidern um die Wette, und die verstoßene einstige Lieblingstochter Cordelia sieht mit großen Kulleraugen ins Publikum, weil die Welt so ungerecht sein kann." Markus John immerhin meistere "seinen einfach gestrickten Impulsmenschen wenigstens sportlich" vom unsympathischen Kotzbrocken über den rührenden Irren zum gebrochenen Mann: "was zum Einfühlen". Ansonsten herrsche "in dieser anonymen Welt ohne politische System-Erkennung die darstellerische Pflichterfüllung reduzierter Persönlichkeit, die vor allem in der Figurenzeichnung der Frauen als gierig und feige oder tränenrührig-naiv verdammt nahe am chauvinistischen Verachtungsgestus steht."

 

 

Kommentare  
Lear, Hamburg: vehementer Widerspruch
von wegen! ein großartiger abend an dem das das dt. schauspielhaus das beste aufgefahren hat, was es im ensemble zu bieten hat. john spielt den lear mit großer kraft und leidenschaft. ein wunderbarer prelle, der mit großer würde in den tod geht. aber der star des abends... mal wieder... der wunderbare samuel weiß.das premierenpublikum war begeistert und man fragt sich, wo herr mast den abend verbracht hat?
Lear, Hamburg: Hingehen! Ansehen!
auch nach mehrmaligem Lesen erhellt sich mir der eigentliche Inhalt Ihrer Kritik nicht. Was wollen Sie eigentlich sagen? Sie haben ein Wortspiel verstanden weil Sie englisch sprechen und mögen keine Pullunder? So What! Mir jedenfalls, hat die kraftvolle Inszenierung, Bühne, Kostüm und die hervorragende Ensembleleistung gefallen. Hingehen! Ansehen!
Lear, Hamburg: schwelender Konflikt
Interessant. Da geht es den ganzen Abend um einen blutigen Generationenkrieg und in der Kritik taucht er gar nicht auf. Lear in Hamburg verfügt über gekonnt gesetzte Elemente des Absurden Theaters, eine ausgereifte Bildsprache und herausragende Darsteller. Subtil gewählte Stoffe für ausdifferenzierte Kostüme: was die Kritik weiß nennt, ist ein nuanciertes fast kindlich unschuldiges hellrosé. Natürlich ist das Drama lang und schmutzig. Aber die Schauspieler schaffen es, durch individuelle, immer pertinente Interpretation ihrer Rollen und deren jeweiligen Sprachduktus den Spannungsbogen zu halten. OK., ein, zweimal weniger Schreien bei Edmund hätte man sich wünschen können. Aber sonst war das "Geschrei" gut platziert und übrigens von Shakespeare gewollt. Last not least, der Schlussapplaus geriet mehrere Minuten lang. Wer aber die Darstellung des allzu Menschlichen und den - weniger ergötzten als schockierten - Applaus dafür abfällig als kleinbürgerlich brandmarkt, scheint wenig Gespür zu haben für den Zuschauerraum und den schwelenden Konflikt zwischen Jung und Alt in unserer Gesellschaft. Das mit dem Generationenkonflikt stand übrigens auch im Programmheft. Und ich habe es ganz deutlich auf der Bühne gesehen. In einer sehr treffenden Inszenierung.
Lear, Hamburg: sehr kraftvoll und eindrucksvoll
Ein beeindruckender Theaterabend war die Premiere von König Lear. Die Schauspieler haben sehr gut miteinander agiert und sehr kraftvoll und eindrucksvoll gespielt. Die Stimmung jeder Szene spiegelte sich auf beeindruckende Weise in Stimme, Lautstärke und Körperspache wider. Ein dreifaches Bravo für das Ensemble und für die Regie. Die Kritik von Herrn Mast kann ich nicht nachvollziehen. Sie scheint eine andere Aufführung zu beschreiben.
Lear, Hamburg: Fremdschäm-Theater
Ich kann mir gut vorstellen, dass es stimmt, was Herr Mast beschreibt. Schmiedleitner hat noch kaum Gutes zustande gebracht und seine Schauspielführung ziemlich miserabel. 90% Fremdschäm-Theater! Die Hamburger Kritik passt bestens zu anderen Inszenierungen.
Aber man wird ja sehen ob er in HH nochmal was machen darf.
Lear, Hamburg: nichtssagend, nichtsgebend
Also ich kann die Kritik nur bestätigen. Da war nichts dahinter, nur äußerliche Effekte ohne Sinn für das, was in dem Stück eigentlich verhandelt wird. Klar haben sich die Schauspieler wacker geschlagen, aber es ging ja um nichts. Alles auf das Platteste heruntergebrochen, aber dadurch nicht anschaulicher, sondern einfach nichtssagend, nichtsgebend. Für mich völlig umsonst der Abend, vertane Lebenszeit. Ich fühle mich in meiner Intelligenz beleidigt. Sorry.
Lear, Hamburg: dürres Konzept
Auch ich würde eher von einem eindeutig misslungenen Abend sprechen - sich-wacker-schlagende-Schauspieler habe ich auch gesehen, ja,... und sich-wacker-schlagende-Schauspieler sollten auch immer unbedingt erwähnt werden, aber hinweg täuschen können selbst diese nicht, über ein absolut dürres Konzept für diesen großen Stoff in diesem großen Theater - beides, "Lear" und Hamburger Schauspielhaus gebührten einiges mehr als ein plakativ vor sich hin dräuendes NO THING !
Lear, Hamburg: mittleres Stadttheater der 90er
Inhaltlich war das sehr dünn. Ja, die Schauspieler schlagen sich alle sehr gut, aber das war es auch schon. Die Kostüme, die Bühne, die Musik und die Dramaturgie,passen eher zu einem mittleren Stadttheater der 90er Jahre, als zum Deutschen Schauspielhaus.
Hoffen wir, das die nächste Spielzeit besser wird, die wohl ohne Schirmers Planung auskommen muss.
(…)
Lear, Hamburg: sind bestimmte Mittel Vorschrift?
Ich finde es seltsam, wenn ein Kritiker schreibt, daß die Pullis von zwei Schauspielern altmodisch seien. Etwas umfassender kritisiert er dann, es seien "antiquierte Mittel" verwendet worden. Sind heute denn bestimmte Mittel Vorschrift? Offenbar ja, und das macht Theater so voraussehbar und modisch und auf allen Bühnen, die sich für Avant-Garde halten so gleich. Zwei Schauspieler stehen neben einander und reden nach vorn und verrenken sich dabei ab und zu in ihren modischen Pullis. Der Kritiker hat diese "modernen Mittel" wohl schon verinnerlicht und sollte als Juror fürs nächste Theatertreffen fungieren.
Mittel an sich zu kritisieren zeigt wie Schmalspur wir derzeit im Theater und offenbar auch in der Theaterkritik fahren. Und hierzulande machen ja vor allem die Kritiker die Karrieren der Regisseure. Schreibt doch mal ein Jahr gar nix!!!
Lear, Hamburg: giftige Kritik
Selten eine so hämische, absolut giftige "Kritik" gelesen. (…)
Was soll auch der breite Raum, der der Kostümkritik eingeräumt wird? Woher weiß denn der auch nicht mehr "heurige Hase" Mast(wenn er ein junger Rezensent ist: um so schlimmer!), dass der Regisseur die Schauspieler zu ihrer Spielweise "verdonnert" hat?
Wenn eine Besprechung so sprunghaft wirkt und derartig missgünstige Einschätzungen wie "desaströs", "dieses Treiben","antiquierte Mittel" (übrigens, Herr Mast, das Wort "Pomade" benutzt heute kein Mensch mehr) anführt und dann das Theaterpublikum, sollte es dann womöglich den Hamburger Lear spannend finden, gleich noch pauschal als "kleinbürgerlich" abqualifiziert... nett, diese Selbstüberschätzung und gleichzeitige Verachtung des Theaterpublikums. Traurig. (…)
Übrigens:dass die Meinungen zu diesem Lear so unterschiedlich ausfallen spricht doch eigentlich für aufregendes, aktuelles Theater.
König Lear, Hamburg: ein Ensemble spielte
Frau Engel, SIE schreiben mir aus der Seele. Wenn Theater etwas SOLL, dann ist es, kontroverse Emotionen und Reaktionen hervorzurufen! Wer sein fragwürdig intelligentes Schreiberego befriedigen muß, möge doch bitte die eigene Kleinbürgerlichkeit auf RTL II ausleben. Dort braucht es keinen Respekt vor der Arbeit eines ganzen Ensembles - das mir gestern eine sehr beeindruckende Darbietung geschenkt hat.
König Lear, Hamburg: blinder Rundumschlag
"Politik darf nicht Kultur machen" diese Forderung hängt gerade an den vielen Litfaßsäulen in Hamburg. Aber die Kritik scheint sich dieser Forderung nicht anzuschließen und so lässt sich die allgemeine Frustration über die derzeitigen Probleme des Schauspielhauses in der Kritik von Rudolf Mast nicht verbergen. Fast blind holt er zu einem Rundumschlag aus und kritisiert nicht nur auf kindliche Art die Farben der Kostüme, sonder stellt zudem auch noch die Urteilskraft des Hamburger Publikums in Frage. Ein Arroganz die einem Kritiker nicht ganz zusteht.
König "Lear" ist eine eindrucksvolle und gelungene Inszenierung, in der sich der Zuschauer durchaus verliert. Und die Diskussion zeigt, dass ich an diesem Abend auch nicht der einzige war dem dieses Stück sehr gut gefallen hat.
Lear, Hamburg: schreibt Eure eigenen Werke!
Was für ein Theater ??? Das ein großartiges Stück der Theatergeschichte nach 400 Jahren so aktuell sein kann zeigt angesichts der Gesellschaft heutiger Zeit, wie wichtig es ist dies immer wieder NEU zu interpretieren und auf die Bühne zu stellen. Natürlich sind über den Penis gezogene Schuhe schon lange kein Stilmittel moderner Theaterkunst mehr, ebenso wenig die zeitweilig nicht mehr zu verstehenden Schreiereien, die doch jeden Textteil dieser dramatischen Gedankenwelt auseinander reißen. Aber,... der Versuch eine eigene Bildsprache zu entwickeln, die Tragik der Geschichte spürbar werden zu lassen ist allemal gerechtfertigt und jedem der selbsternannten "Theaterkenner" und "Kulturheiligen" – Schreiberlinge sei's gesagt: eure Kritiker – Sprache, angereichert mit Hunderte Male schon gelesener Beispiele ist nicht jünger oder aktueller als das was auf die Bühne kam. Das Problem der Kritik/er scheint mir darin zu bestehen, als müsse Theater Shakespeare neu erfinden um euch gerecht zu werden. Wenn das so ist erbitte ich die logische Konsequenz zu ziehen: schreibt eure eigenen "Werke" und lasst sie uns Zuschauer ansehen, hören, wer weiß was dann davon übrig bleibt.
P. Löwe
Lear, Hamburg: Angriff von Personen
Auch nach mehrmaligem Lesen ihrer Kritik Hr. Mast kann ich diese weder verstehen noch nachvollziehen.
Muss modernes Theater immer karge Räume, wenig Emotionen und am Ende des Stückes leere Zuschauerräume bedeuten?? Ist das dann zeitgemäß? Dreieinhalb Stunden anspruchsvolle Handlung verständlich, nachvollziehbar und kurzweilig zu inszenieren und zuletzt noch tosender Applaus für Schauspieler und Regisseur spricht für einen gelungenen Theaterabend.
Ich jedenfalls - und damit war ich keineswegs allein - habe einen sehr runden, fesselnden und imposanten Theaterabend erlebt.
Eines möchte ich noch hinzufügen: Sachliche Kritik ist das Eine, die mag man verstehen oder auch nicht, schamloser Angriff von Personen ist jedoch das andere, und das hat ja sehr wohl nichts mit professioneller Kritik eines Theaterabends zu tun.
Lear, Hamburg: großer Applaus macht noch keine Kunst
aber: hier gilt's der kunst; wäre tosender applaus der alleinseeligmachende indikator, dann wären die sportpalastrede des herrn goebbels und auch wölfgang petry große kunst - das ist aber nicht so. wer die panini-interpretationen von herrn schmiedleitner der sog. klassiker z.b. aus mannheim kennt, der kann die kritik von herrn mast nur vollgültig unterschreiben. die einzige frage, die bleibt ist: wie um alles in der welt ist er an den lear am hh schauspielhaus herangekommen?
König Lear, Hamburg: Wolfgang Petry und Skispringen
m., was zum teufel hat goebbels mit lear zu tun? vergleichen sie nicht äpfel mit birnen, und wenn sie schon die logik bemühen müssen, dann belesen sie sich zumindest vorher darüber, wie so ein syllogismus funktioniert.

den abend selber hab ich ansonsten nicht gesehen, aber ich kenne sein KÄTHCHEN aus graz und fand das damals eigentlich sehr ordentlich.
wenn das publikum diesen LEAR bejubelt: sei's drum, wieso auch nicht? es gibt für jedes stück sein publikum, und genauso ist das auch mit wolfgang petry und skispringen. (...) das schauspielhaus hat sich doch künstlerisch bereits seit langem in den toten winkel der aufmerksamkeit runtergewirtschaftet.

noch ein wort zu der kritik selbst: meine vorredner haben recht, dieser text hat nichts mit einer objektiven theaterkritik zu tun (...).
wieso wird so ein undifferenzierter, pamphletischer text ier eigentlich veröffentlich? jeder zweite kommentar wird doch auch beim leisesten gemurmel zensiert.
Lear, Hamburg: darf man nicht schlecht finden?
Was verdammt nochmal ist denn so ungut an dieser Kritik, worüber regen Sie sich auf? Darf man eine Inszenierung bzw. einen Regisseur nicht schlecht finden und das zum Ausdruck bringen? Man muss doch nur die Kommentare hier lesen, in denen gesagt wird, wie wenig Tiefgang der Abend besitzt. Und natürlich kann einen das auch empören, wenn man sieht, wie das Deutsche Schauspielhaus zu Hamburg noch den letzten Strohhalm ergreift, um seine Zuschauerzahlen zu verbessern. Aber ein solches Haus sollte der Kunst, dem Wahren und Guten, der ehrlichen Auseinandersetzung mit der Gegenwart und Zukunft dienen und nicht effekthascherische Strohfeuer entzünden. Dann macht doch gleich ein Musicaltheater daraus, dann habt Ihr Eure begeisterten Zuschauer und ein volles Haus. Dann braucht man aber keine Umwege über Abende wie diesen, den ich echt schlimm fand.
Lear, Hamburg: dies ist keine Wutplattform
@ m & Kalle - aus den Inszenierungen, die Sie offenbar in anderen Städten vom selben Regisseur gesehen haben, zu schliessen, der Lear müsse dann wohl auch grottig gewesen sein, ist eine Haltung, die einem solchen Forum nichts zu suchen hat, denn dann wird's hier wirklich zur Wutplattform verschiedener Geschmäcker. Noch anstandsloser wird es, verehrtester m, auf den Hinweis, der Applaus am Premierenabend sei tosend gewesen, mit einem Göbbelsredenvergleich zu reagieren: Ein Theaterpublikum kann allemal differenzierter urteilen und klatschen, und was Sie da schreiben, m, zeugt davon, dass Sie nicht nur den Lear nicht gesehen haben, sondern gar nie im Theater gewesen sind oder zumindest bislang nicht bis zu einem Applaus geblieben sind.
Lear, Hamburg: Zensur
à propos zensur: gleich zweimal in meinem kommentar, warum auch immer. liebe redaktion, was soll das? was war daran bitte zensierenswert?
warum steht denn das "pamphletisch" da noch? das ist doch auch eine ganz böse, grundlose unterstellung.

(Sehr geehrte Agnes, die erste Stelle enthielt eine unüberprüfbare Behauptung, die zudem polemische Züge trug. Die zweite Stelle wurde eingekürzt, weil es um die Darlegungen des Kritikers gehen sollte, nicht um seinen Gemütszustand beim Schreiben. Mit freundlichen Grüßen, Christian Rakow für die Redaktion)
Lear, Hamburg: das Stück bietet mehr Tiefe an
Das Vertrackte ist, meiner Meinung,das der Herr Nacht-Kritiker mit seiner Einschätzung der Inszenierung(die ich wie bereits erwähnt teile) einen Jeden, der dachte er hätte einen feinen, schön üppigem, blutig-engagiertem Theaterabend beigewohnt,nun hier, der desaströsen Kleinbürgerlichkeit bezichtigt wird... auch das halte ich für grundsätzlich wahr - gleichzeitig aber auch für weniger beleidigend oder erschütternd als es jetzt hier offensichtlich verstanden wird - Es ist wahr das man einen, vordergründig großen Theaterabend gesehen hat, der scheinbar keine noch so (Ach-so-)wilden modernen Theater-Wünsche offen lässt - aber es ist auch wahr das ein Stück wie König Lear (an dem, by the way, schon so viele,(auch Regie-Großmeister)gescheitert sind) viel viel mehr atemberaubende, philosophische, psychologische, Tiefe anzubieten hat als es diese Inszenierung auch nur annähernd zu erzählen vermag
König Lear, Hamburg: ein Fan mehr für Samuel Weiss
Hamburg wurde eine ganz tolle König-Lear-Inszenierung mit hochkarätigem Ensemble beschert! Neben Markus John fällt vor allem Samuel Weiss durch immensen Einsatz und schauspielerischem Talent auf: er trägt seinen nicht gerade leichtgewichtigen Kollegen Michael Prelle mehrmals auf dem Rücken über die Bühne; er zieht sich splitternackt aus und muss seinen ziemlich behaarten Körper inkl. Genitalbereich mit schwarzer Farbe einreiben - bleibt zu hoffen, dass diese relativ leicht wieder abwaschbar ist... Wenigstens muss er im Fortgang des Stücks nicht nackt agieren, sondern darf sein Gemächt hinter einer Art Lendenschurz in Form eines Schuhs verbergen. Samuel Weiss hat meinen größten Respekt für diese darstellerische Leistung und jetzt auf jeden Fall einen großen Fan mehr!
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