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Dröhnender Tumult, coole Schlacht

von Dieter Stoll

Nürnberg, 17. Dezember 2011. Die Bühne ist leer bis auf eine Show-Leuchtschrift im Hintergrund, die alsbald höhnisch in den Untergang blinken wird: "Beautiful World". Von wegen! Es geht um Woyzeck, den "armen Teufel" am äußersten Rand einer sich selbst genügenden Gesellschaft, den Georg Büchner laut Deutung seines Kollegen Heiner Müller wie einen Hund, der irgendwann als Wolf wiederkehren könnte, ins Rennen schickte. Regisseur Christoph Mehler tut das buchstäblich, er lenkt ihn in seiner Nürnberger Neuinszenierung, die es zum immerhin kleinen Premieren-Skandälchen der schlagenden Türen und empörten Buh-Rufe brachte, in einen Kreislauf des Elends. Eine Stunde lang rennt, schlurft, taumelt und kriecht Stefan Lorch nonstop Runde um Runde, was über seine Fitness eindeutiger Auskunft gibt als über die anhaltende Durchschlagskraft klassischer Literatur.

Gewalt-Monopol
"Als wär' die Welt tot", kommentiert der Titelheld die Stimmungslage. Da hat er sich grade sorgfältig nackt ausgezogen, auch die Unterhose gefaltet und nur die Stiefel zum großen Rennen am Spalier der Demütigungen wieder geschnürt. Alle Partner, von der geliebten Marie über den gockelnden Tambourmajor bis zum gewissenlos experimentierenden Doktor, kommen aus dem Publikum. In der ersten Reihe lauerte die ganze Bande, spottet lautstark über den keuchenden Testläufer, der sich nach Anweisung zum Affen macht, und treibt ihn bester Laune ins Verderben. Ein Gesellschaftsspiel ohne Waffengleichheit, denn anders als Woyzeck hat jeder von ihnen ein Mikrophon, in dieser Aufführung das bewusst nervenzerrende Gewaltmonopol der Sprach-Verstärkung.

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"... and the circle it goes round and round", Stefan Lorch als Woyzeck. © Marion Bührle

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zuspitzung
Bis dahin ist die Geschichte noch klar strukturiert. Doch dann war dem Regisseur das unvollendete Original nicht mehrdeutig genug, er will in aller Zuspitzung ein Fragment des Fragments. Wenn die Spaßgesellschaft endlich besitzergreifend auf die Bühne stürzt, während Woyzeck dort immer mühevoller seine Kreise zieht, wird Disco-Anarchie ausgerufen. Nicht etwa mit der Song-Musik von Tom Waits, die derzeit an vielen Bühnen die schnittige Version eines Woyzeck-Musicals antreibt, sondern mit Oliver Urbanskis wummerndem Sound, in dem die aufeinander gestapelten Dialoge nur noch als Sprachfetzen im Metaphern-Wind flattern. Genau darin liegt die Problematik der Inszenierung, denn verstehen kann sie eigentlich nur der Zuschauer, der vor Vorstellungsbeginn schon alles über das Stück wusste.

Hollywood
Christoph Mehler hatte im Vorjahr in Nürnberg überraschenden Erfolg, als er in Schillers "Kabale und Liebe" nach einem Aufmarsch greller Charakter-Fratzen die letzten zehn Minuten beim Sterben von Ferdinand und Luise auf perfekte Hollywood-Romantik umschaltete. Ähnliches versucht er erneut, denn auf den dröhnenden Tumult folgt ein kurzes Finale von gespenstischer Stille. Der tragische Titelheld schaltet das Laufwerk ab und tötet mit Thriller-Nachhall auf der Live-Tonspur die untreue Marie, die seine einzige Zukunft war. Die Meute hält kurz inne und macht unbeeindruckt das nächste Fass auf.

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Stefan Lorch, Julia Bartolome  © Marion Bührle

Provokationsversuch
Die Aufführung gefällt sich als Provokation, reizt mit der totalen Fixierung auf den Protagonisten (Stefan Lorch beherrscht das anstrengende Körperspiel faszinierend) und der gleichzeitigen Verwischung aller anderen Charakterfarben zum Widerspruch. Ob Doktor (Jochen Kuhl), Hauptmann (Pius Maria Cüppers), Tambourmajor (Thomas Klenk) oder der an der Wand laufende Zwischenspurtler Andres (Felix Axel Preißler), ja sogar die Marie der bei Mehler schon als Richard III. aufgetretenen Julia Bartolome sind nur Rädchen im Uhrwerk, das da einfach weitertickt. Das ist umgedachter Büchner, also legitim, der aber theatralisch wie poetisch schlichtweg viel weniger als die Vorlage hergibt. Gesprächsstoff, das konnte man sofort an der Garderobe bemerken, liefert es wie hier lange keine Premiere mehr.

Abstürzende Alt-68er
Einige Tage vorher waren die Zuschauer bei der Uraufführung eines Nürnberger Auftragswerks längst nicht so erregt. Der Autor Lukas Hammerstein dramatisierte in "Damals wurde er irgendwie heller" eines seiner dauerhaften Vorzugsthemen, die inzwischen vielfach abgewatschten Aufbruchstimmungsmacher von 1968 samt ihrem Absturz in die Banalität des Alltags.

Zwei politisch gegensätzliche Studienfreunde, die er unter "Er" und "Ich" in ein künstliches Anonymitäts-Koma versetzt, treffen sich jenseits aller Karrieren wieder. "Er" war linker Idealist und scheiterte an dicker Luft und dünnen Kompromissen in den Hinterzimmern der Macht. Der "Ich"-Mann ist der wandelnde Gegenpol, ließ sich gelassen einen Nazi nennen und machte Millionengeschäfte als Unternehmensberater, bis ihn die Berufung zum "Angsttherapeuten" erwischte. Beide lieben eine nie auftretende Idealfrau, die stets in der weiten Welt für Gerechtigkeit sorgt, während ihre Männer mit Nervenkrisen ringen. Ein realitätsnah mit gedämpftem Sarkasmus operierendes Rückblick-Drama, in dem der Wunsch nach Sprengung von Opern- und Steakhäusern verbunden wird mit den "besseren Antworten" auf Fragen, die nie jemand stellte.

Wo die Depressionen tanzen
Regisseurin Kathrin Mädler, die nächste Saison ins neue Team von Schauspieldirektor Frank Behnke nach Münster wechseln wird, geht dem Realo-Witz von Hammerstein nicht auf den Leim. Sie löst in Frank Alberts dreifach gestaffeltem Gefühlsraum die Text-Lawine in Traum und Trauma auf, lässt die bleiernen Depressionen tanzen. Klischees werden da augenzwinkernd in Zeitgeist-Signale verwandelt, wo die Kombination von Palästinensertuch und Turnschuh mehr Wirklichkeit zeigt als gemeißelte Dichterworte. Die beiden derzeit wohl besten Nürnberger Schauspieler, Frank Damerius ("Er", gescheitert als Idealist wie als Liebhaber) und Michael Hochstrasser ("Ich", der emotional verkümmerte Konservative), machen daraus eine kühle, oft sogar coole Schlacht der Erinnerungen. "Früher hatten wir Ideale", seufzt einer. Wenn mancher Zuschauer dabei an "Früher war mehr Lametta" denkt, ist das kein Schaden für Lukas Hammerstein.

 

Woyzeck
von Georg Büchner
Inszenierung: Christoph Mehler, Bühne: Nehle Balkhausen, Kostüme: Anne Hölzinger, Musik: Oliver Urbanski, Dramaturgie: Christina Zintl.
Mit: Julia Bartolome, Nicola Lembach, Pius Maria Cüppers, Thomas Klenk, Jochen Kuhl, Stefan Lorch, Felix Axel Preißler, Stefan Willi Wang.

Damals wurde es irgendwie heller (UA)
Auftragswerk von Lukas Hammerstein
Inszenierung: Kathrin Mädler, Bühne und Kostüme: Frank Albert, Dramaturgie: Horst Busch. Mit: Frank Damerius, Michael Hochstrasser, Tanja Kübler, Anna Keil, Thomas L. Dietz.

www.staatstheater-nuernberg.de

 

Kritikenrundschau

Eine "ebenso faszinierende wie polarisierende Inszenierung" hat Christoph Leibold für Deutschlandradio Kultur (17.12.2011) gesehen. Sie basiere auf einer einfachen, zwingenden Grundidee. "Der nackte Woyzeck, der im Kreis läuft: ein Erniedrigter und Beleidigter. Und: eine peinliche Erscheinung." Die Interpretation der Rolle ergebe sich bei Stefan Lorch als Woyzeck aus der Bewegung. Aus der Verausgabung, aus der Atemlosigkeit. "Wegschauen geht nicht", findet Christoph Leibold. Dieser Theaterabend, den er als "kurz, knapp und auf den Punkt" lobt, sei "doch zu lang, um dauerhaft die Augen zu verschließen vor Woyzecks erbarmungswürdiger Erbärmlichkeit."

Christoph Mehler nehme Büchners Dramenfragment gleichsam beim Wort und stelle es in fetzenartigen Szenen, untermalt von einer ohrenbetäubenden Geräuschkulisse, auf die kahle Bühne, schreibt Friedrich J. Bröder im Donaukurier (online am 18.12.2011). "Bis auf Woyzecks keuchenden Atem dröhnen die Stimmen dieser Gesellschaft nur über Mikrofone aus den Lautsprechern, verdeutlichen die technokratische Herrschaft über die Kreatur Woyzeck, der an dieser „erbärmlichen Wirklichkeit“ verzweifelt – und zugrunde geht." Trotz eindrucksvoller Ansätze und greller Effekte bleibe die Inszenierung Büchners Sprache viel schuldig und manchmal auch unverständlich.

Christoph Mehler setze alles auf eine Grundidee – auf Kosten von Zwischentönen, Nebenfiguren und Sprache, schreibt Steffen Radlmaier in den Nürnberger Nachrichten (19.12.2011). "Eine Zumutung für Schauspieler und Zuschauer, zugleich aber auch eine lohnende Herausforderung." Denn selten habe man die demütigende Schinderei und Selbstquälerei Woyzecks dermaßen intensiv erlebt wie in dieser Inszenierung. Die stärkste Leistung des Abends vollbringe zweifellos Stefan Lorch in der Titelrolle -allerdings sei es weniger eine schauspielerische als eine sportliche Leistung. "Denn Woyzeck steht zwar eindeutig im Mittelpunkt, aber in erster Linie zu Demonstrationszwecken." Der Anblick der Quälerei sei kaum zu ertragen. "Am Ende steigert sich Woyzecks Wahn, und die lebenshungrige, aber todkranke Spaßgesellschaft führt einen bizarren Totentanz auf."

"Bei Christoph Mehler geht es an die Substanz, und das von Anfang an", zeigt sich Wolf Ebersberger in der Nürnberger Zeitung (19.12.2011) beeindruckt. Mehler verdichte Büchners geniales Bruchstück zu "ungemein packenden 70 Minuten: finster und fesselnd, ein einziger Alptraum, radikal umgesetzt." Mehlers Kunstgriff, den man nicht mögen müsse, sei es, den Druck, den Woyzeck verspürt, an den Zuschauer weiterzugeben. Stefan Lorch lobt Ebersberger als "in jeder Hinsicht bewundernswerten Hauptdarsteller".

Kommentare  
Woyzeck, Nürnberg: gar nichts
Da glaubte wieder mal ein "Regisseur", das Rad der Theatergeschichte neu zu erfinden und klüger zu sein, als der Autor (immerhin: Georg Büchner).
Laut (neu!), nackt (neu), Mikros (ganz neu!!!). Wie provozierend, Wahnsinn, Herr Spielleiter.
Ich schlage für die nächste Vorstellung mal vor: Pimmel schön wieder einpacken, Musik mal auslassen, normale Sprechstimme: Da wirds dann dünn auf der Bühne, sehr dünn, Herr Innovationskünstler. Und das ist bei Büchners Woyzeck schwer, letztlich so wenig, um nicht zu sagen: gar nichts, abzuliefern.
Woyzeck, Nürnberg: Blinder Aktionismus
Das Stück gehört sofort vom Spielplan genommen. Psychedelischer Kinderkram. Mit dem Büchner-Text hat das nichts mehr zu tun. Eine Zumutung für Schauspieler und Zuschauer! Blinder Aktionismus, kein Inhalt!
Woyzeck, Nürnberg: Geniestreich
dieser woyzeck , ist ein geniestreich ! klug und konsequent . endlich weltstadt theater in nürnberg . weiter so!!
Woyzeck, Nürnberg: provokant, erschreckend, berührend
Inszenierung und Schauspieler beeindrucken, Woyzeck auf dem Laufband, die Gegenspieler kommen aus dem Publikum - eine Aufführung, die provoziert, erschreckt und berührt. Erstaunlich, wieviel Gesprächsstoff dieser "Woyzeck" liefert.
Woyzeck, Nürnberg: Bravo
Ein sagenhaft wahnsinniger Abend! So gewaltige Bilder des Menschseins! Dieser Regisseur und sein Hauptdarsteller sind bereit, über alle Grenzen zu gehen, und man ist verstört über das Spiegelbild, in das man schaut. Während überall im Land schöne Bilder mit Tom Waits Balladen den Inhalt von Woyzeck auffüllen, habe ich hier ein Leiden gesehen und gespürt, das über Theater hinaus ging. Bravo!
Woyzeck, Nürnberg: für Eingeweihte
Wer Woyzeck schon bestens kennt, kann hier in eine Gefühlswelt eintauchen, die ihm möglicherweise neue Einsichten ermöglicht.

Alle anderen bleiben außen vor, weil die Inszenierung nach einem durchaus interessanten Anfang das elementare Medium Sprache zunehmend vernachlässigt. Die immer lauter werdende Musik gepaart mit dem Durcheinanderreden der Akteure lenken die Konzentration des Zuschauers mehr darauf, doch noch einzelne Satzfetzen zu verstehen, als sich dem Gesamteindruck hinzugeben.

Am Ende bleibt für viele Enttäuschung übrig. Man kann sich angesichts des hohen Abstraktionsgrades und des Minimalismus dieser Inszenierung des Eindrucks einer gewissen Selbstherrlichkeit der Verantwortlichen nicht erwehren - für diese scheint Kultur wohl nur etwas für Eingeweihte zu sein.
Woyzeck, Nürnberg: Philisterkritik weglachen
Ich kann mich julius k. nur anschließen. das bildungsbürgerliche gejammere über die vernachlässigte sprache ist bei einem autor wie büchner wirklich an der grenze dessen was erträglich erscheint. gerade dieser revolutionär hat über die dummheit der philosophie-sprache geklagt. alles nur nicht schiller war für büchner entscheidendes kriterium seines schreibens. und dann nimmt ihn mal jemand beim wort, setzt sich ein hauptdarsteller bis an die grenze der belastbarkeit aus und die oberstudienräte dieser bühnenrepublik verschanzen sich hinter ihrem guten, wahren und schönen rumgetöne mit dem jedes drama tagtäglich um seinen existentiellen kern gebracht wird. alles ist wohl erlaubt nur nicht eine erfahrung zu machen, die eine berührung jenseits vorgefertigter meinungen bedeutet. ein großer wurf, der seine philisterkritik weglachen sollte.
Woyzeck, Nürnberg: alles richtig gemacht!
Auch ich war bei der Premiere des Stücks dabei - und muss sagen, wie arm(selig) ich es doch finde, wenn offensichtlich interessierte Theatergänger (da immerhin Premierenbesucher) dieser Inszenierung schon nach einer Viertelstunde keine Chance mehr geben und den Saal verlassen. Was erwarten solche (und auch andere, "Buh"-rufende) Besucher von einem Büchnerschen Woyzeck? Eine brave szenische Darbietung, gefällig gespielt, in schönen Kostümen und vor hübsch dekorierten Requisiten? Ein Stück, das einem so fern bleibt wie es seiner Entstehungszeit entspricht, nämlich rund 180 Jahre?
Was bin ich froh, dass der Regisseur hier anders entschieden hat! In Zeiten, in denen wieder von "Prekariat" gesprochen wird (damals waren es die "Pauper"), erscheint Büchnerschen Woyzeck so aktuell wie selten zuvor. Was für eine intelligente Idee, all die gutbürgerlichen, humanistisch ach so gebildeten und doch so konservativ-erwartungslosen Theatergänger zu provozieren, ihnen den Spiegel vorzuhalten und Woyzecks Elend - bewusst! - bis an die Grenze des Erträglichen auszureizen! Es spielt zwar keinerlei Rolle, doch Büchner hätte hieran gewiss seine Freude gehabt: Menschen, die im Theater nachdenken und sich echauffieren statt sich gepflegt zurückzulehnen und unterhalten zu lassen. Menschen, die - auf dem in der Tat fast unerträglichen Höhepunkt des Stücks, bei dem sich die Spaßgesellschaft in Ekstase vertanzt und Woyzeck auch dabei noch erniedrigt - "Aufhören!" rufen statt amüsiert zuzusehen. Menschen, die nach dem Stück im Foyer erbost von einer "pseudo-intellektuellen" Aufführung sprechen statt satt und zufrieden nach Haus zu gehen. In diesem Sinn war Büchner Brecht schon sehr nah - und der Regisseur hier kann sich auf die Schulter klopfen und mit gutem Recht behaupten: alles richtig gemacht.
Nein nein, der Nürnberger Woyzeck, das ist zu keinem Zeitpunkt Effekthascherei oder modernes Theater um seiner selbst willen. Die Idee des nackten Mannes ist gut, vielleicht sogar bestechend gut, und sie lässt sich durchaus aus dem Werk heraus lesen. Gewiss: Wer Woyzeck nicht kannte, der hatte es höchst schwer, die Handlung des Stücks zu erfassen. Eins aber hat jeder erfahren können, ja, erfahren müssen: die von Menschen geschundene Kreatur Woyzeck in ihrem Elend und ihrer Unentrinnbarkeit zu begreifen. Da muss man eigentlich wirklich "Aufhören" rufen.

Übrigens: bin völlig unverdächtig - ich bin selbst Oberstudienrat. ;-)
Woyzeck, Nürnberg: eine Zumutung
Diese Inszenierung ist eine absolute Zumutung für den Zuschauer, und noch größere für den „armen“ Woyzeck Protagonisten – der während der ganzen Aufführung nur noch zu bemitleiden war.

Es gibt große Theater-Namen wie Hermann Nitsch die für Skandale und Provokation auf der Bühne sorgen. Aber dahinter sind nicht nur Fäkalien und Eigenweiden, da ist wenigsten noch ein INHALT, irgend ein Inhalt.

Das was Herr Mehler auf der Bühne produziert hat, hat mit den Inhalten von Georg Büchner Stück absolut nichts mehr zu tun gehabt! Das war ein hohler und nichts sagender EVENT, der in keinster Weise an ein Theater erinnert hat. Vielleicht soll ein Regisseur – bevor er sich um jeden Preis profilieren möchte, an seine didaktische Pflicht erinnert werden, um die Inhalte bei der jeweiligen Produktion nicht aus den Augen zu verlieren. Damit aus einem Werk kein „Popcorn“ produziert wird, der sich dann auch noch Weltststdt-Theater zu nennen vermag!!

Events und Fitnessstudios die umgeben uns täglich, dafür muss man keine Theaterkarten reservieren. Da stimme ich dem Zuschauer - Peter Jennewein zu: Das Stück gehört SOFORT vom Spielplan genommen! Ich frage mich notabene, wo war der Theaterintendant, der die Inszenierung zugelassen hat! Wo sollen die jungen Menschen eine Ästhetik lernen, wenn nicht in der Kunst; wenn nicht mehr auf der Bühne!
Woyzeck, Nürnberg: Selbstentlarvung
Wenn Regisseure plötzlich wieder "didaktische Pflichten" erfüllen müssen, es im Theater um das "erlernen" von "Ästhetik", nicht um die Auseinandersetzung mit Inhalten, geht, wenn verstörte Zuschauer wieder fordern, dass Kunstwerke verschwinden sollen - und der große Theaterintendant soll gefälligst dafür sorgen, dass es verschwindet - dann ist das wirklich ein Zeichen für die intelektuelle Verarmung des Publikums und den Tod jedes Theaters. Sie mögen die Inszenierung furchtbar finden - aber wer zu solchen Worten greift, entlarvt sich selbst!
Woyzeck, Nürnberg: gefährlicher Pfad
Sehr geehrte Frau grazyna !
Sie begeben sich auf einen sehr gefährlichen Pfad , wenn sie " gewisse " Kunst " verbieten " lassen wollen .
Ich hoffe , ich muss nicht deutlicher werden !
Demokratischer Gruß ,
Klaus
Woyzeck, Nürnberg: klingt nach Schaubühne
schade; ich hab den woyzeck schon zigtausend mal gesehen, in zigtausend verschiedenen inszenierungen. dieser abend klingt dem konzept nach stark nach der berliner schaubühnenpenthesilea, und die war beeindruckend.
da muss ich wohl mal nach nürnberg fahren. scheint sich ja zu lohnen.
Woyzeck, Nürnberg: schwerer Theatergang
Mehler hat die Essenz des Woyzeck in Bildern gedacht, die Technik hat sie wahrnehmbar, und die Schauspieler haben sie wahr gemacht. Für das Verdauen wird im Theater leider keiner bezahlt. Aber vielleicht tun sich ja ein paar Empörte zusammen und gründen einen Verein, der dem armen Publikum vor jeder Vorstellung Inhaltsangaben, Interpretationen oder am besten gleich Vorbereitungskurse zur Schulung des ästhetischen Empfindens gibt. Dann wird auch der schwerste Theatergang zum leichten Stuhlgang und wir alle können ruhig einschlafen.
Woyzeck, Nürnberg: einfach mal spielen lassen
Eigentlich ist es relativ sinnfrei über diese Inszenierung zu diskutieren, da sie (leider) typisch für das Staatstheater Nürnberg ist. In jeder Spielzeit braucht das Theater eine extrem provokante Inszenierung, die nach Großstadttheater aussieht, in Wirklichkeit aber nur doof ist. (Ich denke nur an "Nathan der Weise" in der letzten Spielzeit.) Nachdem ich die Bilder im Internet gesehen hatte, habe ich mich sehr auf einen interessanten und kontroversen Theaterabend gefreut. Ich war also durchaus offen für den Ansatz der Inszenierung und den Woyzeck muss mir auch keiner erklären! Was ich aber gesehen habe, war eine nette Idee, die echt schlecht umgesetzt war. Also mal ehrlich: Besonders neu und tiefgründig ist das alles nicht. Und wenn ich die Darsteller beurteilen soll: Es ist ja schön, dass Stefan Lorch im Moment sehr gut in Form ist. Die anderen Darsteller wissen aber nicht, was sie da eigentlich machen und spielen das so lustlos runter, dass es für mich als Zuschauer keinen Anlass für ein (intellektuelles) Vergnügen gibt.
Was mich außerdem stört: Als ich die Aufführung gesehen habe, waren (wie erwartet) viele Schüler drin. Für viele war es bestimmt einer der wenigen Berührungen mit Theater, wenn nicht sogar die erste. Wenn ich zum ersten Mal ins Theater gehe und eine Inszenierung dieser Art anschauen muss, ist es kein Wunder, dass Theater in unserer Gesellschaft oft ein schlechtes Image besitzt. Nur so als Beispiel: Der "Macbeth" von Jürgen Gosch besaß auf jeden Fall seine Berechtigung, weil sich der Regisseur etwas gedacht hat UND das auch seinen Darstellern vermitteln konnte. Das kann man von Mehlers Inszenierung wahrlich nicht behaupten! Das Schauspiel Nürnberg besitzt eine Reihe von erstklassigen Schauspielern, es wäre mal schön, die Darsteller einfach mal spielen zu lassen. Dann dürfen die Regisseure auch mal provokante Ideen haben :-)
Woyzeck, Nürnberg: hohle Provokation
Komme gerade aus dem Woyzeck.
Der Regisseur hatte eine kleine(aber nicht neue!) Idee zum Stück.
Ein Darsteller (Woyzeck) rennt lange nackt im Kreis. Eine Stunde. Die Dauer soll mich berühren, tut es nicht.
Nicht Woyzeck und keine der anderen Figur sind in irgendeiner Weise nachvollziehbar.
Warum läuft er, warum wird er dazu gezwungen, von wem?
Alles plakativ. Das Opfer rennt, während die anderen sich via Mikrophon lustig über ihn machen. Die uniforme Gesellschaft erniedrigt ein Opfer. Mit welchem Zweck?
Das ist für mich keine Interpretation, dass ist hohle Provokation, die jedoch bei mir nicht funktioniert, weil die Regie nichts will.
Woyzeck, Nürnberg: Prekariatsklimbim
Woyzeck. Möglicherweise eines der dümmsten Stücke der Weltliteratur. Was sicherlich der Grund für seine beispiellose Karriere am deutschen Stadttheater ist. Underdogfolklore und Prekariatsklimbim sind seit je der Kulturschickeria liebstes Kind.
Wozeck, Nürnberg: keine Position?
Herrn Mehlers (...) WOYZECK hatte so was abgestumpft Nichtssagendens, da sieht man auf studentischen Bühnen durchdachtere Zugänge.
Ich habe nichts gegen scheinbar "postdramatische" Zugriffe, nur dann bitte mit Position!
Woyzeck, Nürnberg: Was bliebe dann?
Woyzek, eines der dümmsten Stücke der Weltliteratur?
Und wenn Rocco Stark Recht hätte, mit dieser starken Feststellung?
Was aber bleibt dann noch an Theaterstücken der Weltliteratur?
Woyzeck, Nürnberg: splitterfasernackter Woyzeck
Riesen-Kompliment an Stefan Lorch! Gleich am Anfang zieht er sich splitterfasernackt aus. Logisch - jeder schaut: lang/kurz, beschnitten/unbeschnitten, behaart/rasiert? Dann natürlich Gelächter, wenn er losläuft: aufgrund der Schwerkraft baumelt es da natürlich ziemlich heftig. Obwohl Lorch bis zum Schluss nackt bleibt, nimmt man das aber irgendwann gar nicht mehr wahr. Eine etwas andere Woyzeck-Interpretation, aus der man aber hätte mehr machen können, wenn man die Schauspieler gelassen hätte.
Woyzeck, Nürnberg: bitte näher erklären
Abgesehen von Underdogfolklore, Prekariatsklimbim und Kulturschickeria -
können sie Rocco Stark Woyzek. Möglicherweise eines der dümmsten Stücke der
Weltliteratur - näher erklären?
Woyzeck, Nürnberg: orgiastisch, intensiv und preiswürdig
"Woyzeck" hat bei uns in Augsburg bei den 30. Bayerischen Theatertagen den Hauptpreis für die herausragendste Inszenierung des Jahres erhalten und den Jugendpreis für die mitreißendste Inszenierung. Ich war bei dieser Vorstellung und kann die Preise nur bestätigen: Wahnsinn wie der Hauptdarsteller Stefan Lorch diesen Abend zum orgiastischen Scheitern der menschlichen Existenz stemmt, regelmäßige Schauer überfielen mich. So intensiv habe ich Theater noch nie erlebt. Die Preise sind hochverdient!
Woyzeck, Nürnberg: hätte das Theatertreffen bereichert
Da ich Einblick in die Entscheidungsfindung des Gremiums bei den Berliner Theatertagen 2012 hatte, möchte ich an dieser Stelle beipflichten. Die Inszenierung "Woyzeck" war dieses Jahr in der engsten Auswahl für das Theatertreffen und war auch mein Favorit. "Woyzeck" gespielt von Stefan Lorch, in der Regie von Christoph Mehler, hätten das Theatertreffen sehr bereichern können.
Woyzeck, Nürnberg: reingefallen
Es macht einen traurig, dass einige wirklich auf diese dünne,dröhnende,pseudo-radikale Inszenierung reinfallen. Das Nürnberger Theater ist reif fürs Theatertreffen - aber nicht mit "Woyzeck", sondern natürlich mit "Immer Noch Sturm" von Handke. DAS ist, in seiner Zurückgenommenheit und seiner emotionalen Tiefe, wirklich großes Theater.
Woyzeck, Nürnberg: Hut ab
was heisst denn hier pseudo-radikal? was ist das überhaupt für ein kriterium? da wurde ein inszenatorischer zugriff gefunden, der sehr viel erzählt über die situation und die figur. dafür hut ab.
Woyzeck, Nürnberg: nie vergleichen
Sehr geehrte Hannah, es freut mich dass Sie Ihre Lieblingsinszenierung so geschickt in Stellung bringen, aber ich würde diese beiden Inszenierungen niemals vergleichen. Für mich ist das, was Ihnen so gefällt, banales Stadttheater mit Pseudotiefe.
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