Auf dem Weg zur Kita-Kunst

11. Juni 2012. Welches Konzept erwartet das Leipziger Schauspiel, wenn demnächst, wie von den Stadtoberen vorgesehen, Enrico Lübbe das Ruder übernimmt? Dirk Pilz wagt in der Berliner Zeitung einen Ausblick und lässt zunächst einmal kein gutes Haar an der Leipziger Kulturpolitik: Sie sei seit Jahren dabei, "sich einen landesweit herausragenden Ruf als führende Kulturpolitikdilettantenmetropole zu erarbeiten".

Mit Sebastian Hartmann habe man 2007 einen Intendanten geholt, der ein Theaterverständnis vertrete, "das den Sinn von Grenzen darin erkennt, sie zu sprengen. Man wusste auch, dass er unter Stadttheater keine verlängerte Volkshochschule und kein Hintergrundrauschen fürs gediegene Prosecco-trinken versteht". Die Erwartungen habe Hartmann nicht enttäuscht. Dennoch nehme er 2013 seinen Hut, nach andauernden "Scharmützeln mit der Kulturpolitik".

Folgen soll ihm nun also der derzeitige Chemnitzer Schauspielchef Enrico Lübbe. Der Berliner Zeitung liege dessen "zwei Seiten" umfassendes "Bewerbungsschreiben" vor, aus dem zitiert wird: Leipzig solle ein Theater erhalten, das "zuvorderst die Interessen der LeipzigerInnen und Leipziger erkennt und vielfarbig bedient – ohne sich anzubiedern". In dessen Zentrum werde ein "Literatur- und Schauspielertheater" rücken. Man wolle enge Kontakte mit Schulen, Kitas, Volkshochschulen und der Leipziger Tourismus und Marketing GmbH aufbauen. Durch "Gastspielangebote" und die "häufigere Vermietung und Verpachtung" der Spielstätten erwarte sich Lübbe eine "Einnahmeerhöhung".

Diese Eckpunkte des künftigen Programms seien der "an einfallsloser Bravheit nicht zu überbietende Gegenentwurf zu Hartmann", kommentiert Dirk Pilz. "Und so charakter- und orientierungslos wie die Leipziger Kulturpolitik verfährt, wird sie in drei, vier Jahren dann klagen, dass aus Leipzig keine künstlerischen Impulse mehr kommen."

Nachtrag vom 13. Juni 2012: Das Leipziger Stadtmagazin Kreuzer veröffentlicht auf seiner Website "das Konzept, mit welchem sich Enrico Lübbe beworben und bei den Entscheidungsträgern durchgesetzt hat", im Wortlaut.

(chr)

Kommentare  
Presseschau Leipzig: Zeit nutzen
Ach du Schreck ... Da bleibt nur zu hoffen, dass Lübbe nur zwanzig Minuten Zeit für das Bewerbungsschreiben hatte, und nun die verbleibenden Monate nutzt, um sich zu überlegen warum er Intendant in Leipzig werden will.
Presseschau Leipzig: Überangepasstheit
das ist natuerlich entsetzlich. aber auch ein wenig verhaltensauffaellig. die information ist sehr brauchbar, die entruestung aber automatisch und einfach. das erkennt ja wohl jeder als (...) ueberangepasstheit. es koennte aber, was bei herrn pilz als fortschrittlich durchgeht, durchaus noch hohler und biederer sein, kurz: flachere berechnung.
Presseschau Leipzig: Gala-Niveau
Herzlicher Glückwunsch an den Kollegen D.P., das nenne ich investigativen Kulturjournalismus der allerhöchsten Qualität. Ins Theater scheint der Herr Kritiker schon länger nicht mehr zu gehen, da machen sich Spekulationen unter Gala-Niveau und der klägliche Versuch, Kulturpolitik zu betreiben (man denke an seine überzeugenden Hypothesen zur Nachfolge der Gorki Intendanz), umso besser. Aber wahrscheinlich spiegeln die Artikel von Dirk Pilz auch nur den momentanen Zustand der medialen Theaterkritik.
Presseschau Leipzig: positive Erwartungshaltung
Warum denn gleich immer das schlimmste befuerchten? Ich habe viele Inscenierungen von Lübbe gesehen,war auch einige Male in Chemnitz und sah spannendes Theater!Situation in Leipzig ist doch,dass nur noch wenige Leipziger (im Verhältnis)ins Theater gehen. Also muss etwas grundlegendes geschehen.Warum nicht erstmal positive Erwartungshaltung!?!
Presseschau Leipzig: abgeliefert, was gefordert war
lübbe hat schlicht und ergreifend das blabla abgeliefert, das gefordert war. etwas anderes möchte ein städtischer kulturpolitiker doch gar nicht hören, schon gar nicht mit auslastungszahlen wie denen in leipzig im rücken. man will in leipzig theater wie in dresden haben, so einfach ist das. weil es in dresden halt läuft. mehr gibts dazu eigentlich gar nicht zu sagen, so erschreckend einfach wird gedacht. herr lübbe ist nun sicher nicht der originellste künstler auf erden, aber dumm wird er ja nun auch nicht sein. also, wenn du den job willst, dann weisst du, was du zu schreiben hast. nichts anderes hat lübbe gemacht. jetzt viel glück beim verwirklichen seiner hehren ziele. ich sehe da schon auch akute verflachungs- und verwässerungsgefahr, aber vielleicht kommt ja auch ein bisschen kunst dabei rum.
Presseschau Leipzig: Lübbe steht für Autorentheater
ich habe ebenfalls den eindruck, dass in chemnitz ibnteressante dinge passiert sind - und bin insofern gespannt auf den start von enrico lübbe. zumindest steht er wirklich für ein zeitgenössisches autorentheater, wie man immer zu seinen inszenierungen stehen mag. er hat in chemnitz mehrfach ulrike syha, gerhild steinbuch und oliver kluck gespielt. von diesem mut könnte sich manch einer in größeren städten was abschneiden! das interessanteste an dieser diskussion ist doch die frage, wer hier eigentlich so zwanghaft lübbe diskreditieren will?
Presseschau Leipzig: wahnsinnig gewagt
na, das ist ja mal wahnsinnig gewagt vom guten herrn lübbe, lässt doch mal glatt steinbuch und kluck spielen - und das dann auch noch mehrfach, man stelle es sich vor!

werter poster #6, wenn das ihr maßstab ist an zeitgenosseschaft, scheinen sie einer der findigen leipziger kulturpolitiker-riege anzugehören.

so oder so: lübbe scheint ein mann zu sein, der sich jetzt eben (s)eine chance auf den nächsten karriesprung "erarbeitet" hat. so sei es, dass ist doch nur der lauf der dinge...ebenfalls, dass eine art metropole mehr sein will als sie jetzt ist...dann wird sie eben verchemnitzt, ist doch vielleicht auch was schönes. und in dresden ist man doch auch ganz schnell, ist doch prima.
Presseschau Leipzig: wohin denn?
@groggy: "leipzig als karrieresprungbrett" wohin denn? eine stadt, die von sich behauptet "hier sei die wende los gegangen", die sich den begriff freiheit (bis dahin schon nicht zu greifen) als markenrecht eintragen lässt, dazu die als solitär nur dort gelebte haltung, dass die kirche ein politisches mandat habe, eine solche stadt, mit einer derart idiotischen kulturbürgerschaft ist doch der dankbarste ort für eine theaterarbeit- fern von jeder selbstverwirklichung..
Presseschau Leipzig: Wunschdenken und Realität
So oder so, ich las zuerst in §7 "Kariessprung", so nach dem Motto "Zu früh losspringen und dann zum Beißtest ins Brett anheben"; aber ganz ehrlich: Was soll Herr Lübbe jetzt große Worte machen ?
In Chemnitz ist ja wirklich ganz gut Neuere Dramatik gespielt worden, gewiß im überdurchschnittlichen Maß, und hat auch Anklang gefunden, und an Chemnitz ist sicherlich auch nicht vorübergegangen, daß Herr Hartmann viele eben auch -bundesweit- angesprochen und überzeugt hat. Gut, ich würde gewiß lieber hören: "Ich werde keineswegs hier alles umkrempeln, viele Sachen, die Hartmann hier aufgetan hat, verdienen es fortgeführt zu werden." Aber, wieviel hat so ein Wunschdenken mit der Realität zu schaffen ? Herr Lübbe verdient seine Chance, denke ich, und zwar eine realistische, ohne daß jetzt schon wieder künstlich Gräben aufgerissen werden, zumal jetzt eh noch die letzte Hartmannspielzeit ansteht. Auf diese habe ich zunächst eine gewisse Vorfreude, auf "Krieg und Frieden" und so..
Presseschau Leipzig: lautloses Ableben
langeweile ist ja auch ein kriterium für verträglichkeit in einer todessehnsüchtigen welt. lautloses ableben den "anständigen bürgern", wünsch ich.
Presseschau Leipzig: nicht auszudenken
todessehnsucht. wie aber wenn dieser lebenszirkus für jeden von uns immer wieder von vorne beginnt, immer und immer wieder, bis wir gelernt haben . . .
es ist nicht aus-zu-denken - -
Presseschau Leipzig: David Foster Wallace on Life and Work
Kommt drauf an, ob sich Menschen wirklich bewusst werden über ihr Leben oder nicht. David Foster Wallace hat in einer Rede mal einen Witz drüber gemacht:

"There are these two young fish swimming along, and they happen to meet an older fish swimming the other way, who nods at them and says, 'Morning, boys, how's the water?' And the two young fish swim on for a bit, and then eventually on of them looks over at the other and goes, 'What the hell is water?'"

Am Ende dieser Rede "on Life and Work" wird es ernst, weil es um die Frage nach einem tat-sächlichen Miteinander geht:

"And the world will not discourage you from operating on your default-settings, because the world of men and money and power (sic!) hums along quite nicely on the fuel of fear and contempt and frustration and craving and the worship of self. Our own present culture has harnessed these forces in ways that have yielded extraordinary wealth and comfort and personal freedom. The freedom to be lords of our own tiny skull-sized kingdoms, alone at the center of all creation. This kind of freedom has much to recommend it. But of course there are all different kinds of freedom, and the kind that is most precious you will not hear much talked about in the great outside world of winning and achieving and displaying. The really important kind of freedom involves attention, and awareness, and discipline, and effort, and being able truly to care about other people and to sacrifice for them, over and over, in myriad petty little unsexy ways, every day. That is real freedom. The alternative is unconsciousness, the default-setting, the 'rat race' -- the constant gnawing sense of having had and lost some infinite thing."
Presseschau Leipzig: Eso-Moderne
och gottchen, als wäre hartmann mit seiner eso-moderne aus der mottenkiste relevanter als der brave lübbe. das ist doch beides ödes epigonales stadttheater. wenigstens wird bei lübbe hoffentlich kein armer schauspieler retroavantgarde mit dschungelcamp verwechseln und für die überrrrrrregionale aufmerksamkeit eselscheisse fressen müssen.
Presseschau Leipzig: Wer hätte gepasst?
Allgemein die Frage in die Runde: Wen hätten Sie sich für Leipzig gewünscht? Wer hätte gut gepasst zu dem Haus und der Stadt (wenn man dabei überhaupt von passen sprechen kann)?
Presseschau Leipzig: neuer Vorschlag
letztenenedes ist doch egal, wer nach leipzig kommt. der neue intendant kann doch nur versagen, da leipzig selbst nicht weiß, was es will. auf der einen seite will man postmoderne, auf der anderen erzähltheater. man will absolute provokation und auf der anderen seite dass das theater voll ist.

man darf halt nicht nur vom studentischen standpunkt ausgehen: studenten bringen nun leider kein geld und als normalbürger überlegt man sich nach zwei, drei stücken, die einem nicht zusagen, ob mann nocheinmal 26 euro für ein theater ausgibt, in dem man seinem geschmack nach doch größtenteils enttäuscht worden ist.

abwechslung ist, was leipzig braucht. so alt der spruch auch ist, aber die wünsche innerhalb in der stadt sind viel zu unterschiedlich, als dass dem irgendwer gerecht werden könnte.

wenn braves stadttheater kommt, dann gehen die dramaturgiestudenten der hmt dann halt nicht mehr ins leipziger schauspielhaus, aber dafür kommt vielleicht das abopuplikum wieder. wenn theater ala hartmann kommt, dann bleibt das abopuplikum weiter fern und die 7-euro-karteninhaber sagen: aber das hat doch hartmann alles schon gemacht, können wir nicht was neues kriegen?

so oder so, der neue intendant wird auf jedenfall verlieren. esseidenn sein name wäre rene pollesch.
Presseschau Leipzig: Leuchtkraft?
Leipziger Kulturpolitik – ausdrücklich nicht zu empfehlen
Dramaturgiestudierende beziehen Position zur Wahl des neuen Intendanten am Leipziger Centraltheater.

Was für ein Theater sich die Leipziger Kulturpolitik wünscht, ist nach dem Debakel um die Auswahlkommission für die Neubesetzung der Intendantenstelle offensichtlich. Es bedarf nun nur noch der Zustimmung des Stadtrates, bevor das Schicksal des Leipziger Centraltheaters für die nächsten Jahre besiegelt ist. Dabei hatte die von der Stadt eingesetzte Findungskommission eigentlich eine komplett andere Vorstellung von der Zukunft des Theaters gehabt. Ihre Expertise und die darauf basierenden Kandidatenvorschläge wurden jedoch von Oberbürgermeister Burkhard Jung und Kulturbürgermeister Michael Faber schlicht ignoriert. So kürten letztere schließlich Enrico Lübbe, den aktuellen Chemnitzer Schauspieldirektor, zum Wunschkandidaten aller. Dabei hatte der Findungsausschuss Lübbe nach eigenen Angaben ausdrücklich nicht empfohlen, worauf er später auch hinwies (siehe Nachtkritik.de, 22.05.2012).

Rückblickend ist es dem amtierenden Leipziger Intendanten, Sebastian Hartmann, gelungen, das Centraltheater zu erneuern, beispielsweise durch einen bereichernden Austausch mit überregionalen Theaterschaffenden. Weiterhin hat er Schnittstellen mit Kunstformen jenseits des Theaters initiiert. Darüber hinaus gelang es dem Haus dank Hartmann, auch ein jüngeres Publikum für sich zu begeistern. Während seiner Zeit hat sich gezeigt, dass das Leipziger Publikum durchaus gefordert werden kann, anstatt nur bedient zu werden. Wir sind der Ansicht, dass viele Entwicklungen aus Hartmanns Intendanz auch in Zukunft fortgeführt werden sollten.

Lübbe dagegen spricht davon, ein „Theater für Leipzig und die Leipziger – für alle Leipziger“ machen zu wollen, jedoch „ohne sich anzubiedern“ (LVZ, 16.05.2012). Und auch in finanzieller Hinsicht scheint der Kandidat nicht anecken zu wollen. Laut eines Artikels auf LVZ online sagt Lübbe, er hätte sich gar nicht beworben, wenn er glauben würde, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht auskommen zu können (LVZ online, 16.05.2012). Laut Nachtkritik liegt der Berliner Zeitung Lübbes Bewerbungsschreiben vor, indem er ankündigt Leipzig solle ein „Literatur- und Schauspielertheater“ erhalten. Immer noch auf die Berliner Zeitung Bezug nehmend schreibt Nachkritik, Lübbe „wolle enge Kontakte mit Schulen, Kitas, Volkshochschulen und der Leipziger Tourismus und Marketing GmbH aufbauen. Durch ‚Gastspielangebote’ und die ‚häufigere Vermietung und Verpachtung’ der Spielstätten verspricht sich Lübbe eine ‚Einnahmeerhöhung’.“ (Nachtkritik.de, 11.06.2012; das komplette Bewerbungsschreiben ist am 13.06.2012 im Kreuzer Leipzig veröffentlicht worden.)

Der Kulturpolitik der Stadt Leipzig kommen die Versprechen Enrico Lübbes sehr entgegen: Denn sie muss sich weder mit einem Theater herumärgern, das polarisiert, noch mit Forderungen nach einem größeren Budget. Die Frage ist, ob dies auch das Theater wäre, das sich alle Leipziger wünschen – nicht nur die Kulturpolitiker.

Deshalb fragen wir: Ein Theater für alle, was soll das eigentlich heißen? Konsens in einer Stadt mit 500.000 Einwohnern, ist das überhaupt möglich? Denn was vermag Theater überhaupt noch, wenn es ausschließlich auf Konsens setzt? Hat ein Theater, das von vornherein vor dem immerwährenden Kampf um Kulturfördermittel kapituliert, sich nicht schon längst ergeben?
Nach der Intendanz Sebastian Hartmanns soll es in Leipzig künftig ein gefälliges Theater für alle mehr oder minder Theaterinteressierten geben. Ein Theater, das man ohne Risiken und Nebenwirkungen konsumieren kann.

Ein solches Theater wünschen wir uns, die wir auch in Leipzig leben, nicht! Sich der Wirtschaftlichkeit einfach zu unterwerfen und Konsenstheater zu machen, halten wir für zu kurz gedacht! Denn Leipzig braucht ein mutiges Theater, einen Motor der Widersprüche. Eine demokratische Gesellschaft sollte sich selbstkritische Instanzen leisten können.

Dem Potential unserer Stadt gilt es gerecht zu werden. Deshalb fordern wir, dass nochmals ernsthaft und transparent über einen geeigneten Nachfolger an Leipzigs größtem Schauspielhaus nachgedacht wird. Warum hat sich die Stadt nie auf die Suche nach einem Kandidaten mit überregionaler Leuchtkraft gemacht?

Dramaturgiestudierende aus Leipzig
Samuel Anthon, Hannah Baumann, Veronika Gräwe, Emilia Heinrich, Mirjam Hildbrand, Moritz Schurer, Susanne Schuster
Presseschau Leipzig: pseudokritische Attitüde
@ Dramaturgiestudierende: grade ertappe ich mich dabei, wie ich versuche, sachliche und wohlformulierte Sätze zu finden - ich lass es einfach und schreibe, wie ich denke. Mal ganz abgesehen von der Person Lübbes, über den ich hier viel zu wenig sagen kann, auch nicht über seine Kontakte zu anderen Theaterschaffenden, die er vielleicht zu holen gedenkt, finde ich Eure Haltung unglaublich arrogant und elitär. Zudem habe ich die Hartmann-Inszenierungen zwar nicht als gefällig, aber als äusserst selbstgefällig erlebt. Ein Sich-Gefallen in der Pose des Polarisierens und Provozierens. Was ist falsch an einem Theaterverständnis, welches versucht, ein möglichst unterschiedliches und breites Publikum an einem Ort zusammen zu bringen und sie überhaupt erst einmal für diese Kunstform zu interessieren. Es ist bei weitem nicht selbstverständlich, dass man ins Theater geht und es in seiner Zeichenhaftigkeit lesen kann. Und was bringt ein polarisierendes, kritisches Theater, wenn kaum jemand hingeht? So viel ich weiss, sind mehr Leute in der Hartmannzeit ab- als zugewandert. Und die, die zugewandert sind, sind eh schon die, die ein kritisches Bewusstsein haben. Was ist falsch daran, wenn Theater heutzutage versucht Gemeinschaft erst mal zu stiften? Was heisst denn mutiges Theater? Was ist das für eine ästhetische Kategorie? Und von welchen Risiken und Nebenwirkungen, die ihr euch wünscht, sprecht ihr? Welches Theater meint ihr, wenn ihr von "kritischer Instanz" sprecht? Volker Lösch? Inszenierungen, nach denen das bürgerliche Publikum rausgeht und froh ist, seinen Teil zur Kritik am System heute Abend mal wider geleistet zu haben? Man regt sich auf, das gehört dazu, Beitrag geleistet, Danke! Ist es nicht vielleicht auch eine politische Aufgabe heutzutage die unterschiedlichsten Leute, wieder an einen Ort zu bringen, an dem über bestimmte Themen nachgedacht wird und die auf der Bühne verhandelt werden. Und Hand aufs Herz - welche Regisseure und Schauspieler - egal wie "mutig", "polarisierend" sie auftreten oder eben nicht - setzen sich nicht auf ihre jeweilige bestimmte Art und Weise mit Themen auseinander? Bringe ich einen Zuschauer durch Provokation dazu, sich mit etwas produktiv auseinanderzusetzten oder sich einfach aufzuregen und sich durch seine Ablehnung in seiner Antihaltung selber zu bestärken? Und besonders misstrauisch an Eurem Text hat mich die Forderung, in welche das alles mündet, gemacht: einen Kandidaten mit "überregionaler Strahlkraft" zu finden. Darum gehts also? Das ist das Kriterium? EIn no-name, der in einem provinzielleren, unbekannteren Theater intelligentes Theater macht, das vielleicht aufgrund der spärlichen Mittel und unzureichenden Aufmerksamkeit kaum wahrgenommen wird, dürfte es also nicht sein? Ich bin kein Lübbe-Fan und es geht mir nicht um die Verteidigung seiner Person. Mich stört die undifferenzierte, "rebellische" und genauso pseudokritische Attitüde, mit welcher ihr hier auftretet. Vielleicht das Vorrecht und die Pflicht von Studierenden, die das, was sie fordern, vermutlich selber noch nie gemacht haben und auch nicht wissen, wies geht - zumindest nicht auf so großen Bühnen.
Presseschau Leipzig: einige machen es sich ein wenig leicht
Todessehnsucht ? Möglicherweise lohnt der Blick auf die "Lose Blätter Sammlung" : Nr. 6 jedenfalls lebt.
Ich habe mir dann sogleich "Love will tear us apart" von Joy Division auf youtube angehört, und in der Tat war ich ganz erstaunt, was es da alles an Covers zu gab "Cure, Gahan, New Order, Simple Minds, U 2 etcpp.". Fast will es mir erscheinen, einige Diskutanten täten gut daran, so nen kleinen Stadtparcours zu drehen, um dann immer wieder von Internetcafe zu Internetcafe
ein anderes Cover dieses Songs zu hören zum Beispiel, dann würde dieses SCHWARZWEIß-POLARISIEREN möglicherweise einmal aufhören.
Weiß denn zB. irgendjemand, wo Sebastian Hartmann hingehen wird, und wer von den Schauspielern und Schauspielerinnen bleibt/bleiben will, was aus Paoli werden soll/wird, der "LosenBlätterSammlung"
undundund; hat beispielsweise irgendeiner der KünstlerInnen dezidiert von vornherein signalisiert "Mit Intendanten XYZLübbe nicht", und spielte wirklich "Strahlkraft" eine so entscheidene Rolle, und müßte nicht auch ein vermeintlich Strahlkräftigerer mit einem gewissen Ehrgeiz herangehen, mit den bestehenden Verhältnissen gutes, sehr gutes Theater gar zu machen, traut nicht derjenige, der nach "Strahlkräftigerem" ruft implizit diesem selbst nicht zu, aus dem "Leipziger Korsett" etwas zu machen ??
Ich denke, hier machen es sich einige wirklich ein wenig leicht
mit ihren Affirmationen bzw. Generalablehnungen. Ein bißchen Schwung zu "Kill your Darlings", schaut Euch nur Dave Gahans Coverversion an. Vielleicht wird Leipzig diese oder nächste Spielzeit noch "Theater des Jahres": daran könnte "man" jetzt auch arbeiten, immerhin scheint "Krieg und Frieden" ein früher Wink gen Theatertreffen 2013 zu sein..
Presseschau Leipzig: Einwurf
12. schön dass es immer noch menschen gibt, die sich um solches kümmern:
tatsächliches miteinander
Presseschau Leipzig: Frage
@16: wen schlagt ihr denn vor?
Presseschau Leipzig: Ideal der Kunst ohne Zweck
Muss Kunst eigentlich ein Ziel und einen Zweck haben? Also sich dem geheimen Befehl unterwerfen, dass sie für irgendetwas nützlich ist? Woher kommt der geheime Befehl, dass Kunst systemkritisch sein muss? Selbst Brecht wollte auch unterhalten. Ist gute Kunst nicht vielleicht einfach eine Tätigkeit, die sich von allen anderen dadurch unterscheidet, dass sie sich nicht einem Zweck unterwirft? Weder dem der Bildung, noch dem, dass sie "unbedingt systemkritisch" sein muss?
Presseschau Leipzig: Zweck der Kunst
Ziel der Kunst, Zweck der Kunst?
Kunst ist die durchsichtigste Weise des Seins.
Also - - - -
Presseschau Leipzig: Protest ist out
Liebe Karin,

Protest ist out!

Da holt man sich eine Findungs-Kommission mit „überregionaler Strahlkraft“ und benutzt sie zur Rechtfertigung eines Kandidaten, den diese Kommission nach Anhörung „ausdrücklich nicht empfohlen“ hat. – Menschen, die sich überwinden, auf diese ziemliche Ungeheuerlichkeit kritisch hinzuweisen, werden hier postwendend abgewatscht. Sowas macht man auch einfach nicht. Studentischer Protest war ja schon immer ein Zeichen von Überheblichkeit und Präpotenz, und wenn jetzt auch noch Dramaturgiestudenten anfangen zu protestieren, die das Theater als dysfunktionale Instanz ernst nehmen und den naiven Glauben haben, Leipzig wäre eine Großstadt, die sich vielleicht auch einen aufregenden und polarisierenden Intendanten leisten könnte, geht das natürlich überhaupt nicht. Aber was soll's? Stuttgart holt sich indes Armin Petras. Muss man natürlich nicht, Provinz ist auch was Schönes. Wir wollten nicht unangenehm in Berlins schmucker Vorstadt auffallen.
Presseschau Leipzig: Kunst als Freiheit
Lieber Moritz,
ja, schade, Armin Petras geht nach Stuttgart. Fallen euch sonst noch konkret Regisseure/Regisseurinnen ein, die das Theater als dysfunktionale Instanz ernst nehmen? Ich finde Petras einen interessanten Regisseur, weil er es immer wieder schafft, ein Element von Anarchie, Zufall, Spielfreude in seinen Inszenierungen aufscheinen zu lassen. Darin liegt für mich auch das dysfunktionale Potential, was Kunst als Freiheit erfahrbar macht. Dass er sich inhaltlich eher für das Periphere interessiert, macht ihn zusätzlich spannend für die Befragung einer bürgerlichen Institution und ihrer Trägerschaft. Schräg ist nur, dass er mit seiner Produktionspraxis (Überforderung als Prinzip) leider in der Realität überhaupt nicht eine politische Gegenhaltung einnimmt zu dem herrschenden System. Im Gegenteil: es muss möglichst schnell, möglichst viel produziert werden, immer neues, sonst wirds langweilig, keine Zeit für Muße, Innehalten oder eben "nicht funktionieren" in einer überhitzten Produktionsmechanik.
Schlingensief war ein Künstler, der Theater als dysfunktionale Instanz verstanden hat und auch dementsprechend gearbeitet hat. Wer noch? Gegenwärtig? Der auch so ein Haus wie Leipzig leiten könnte?
In der Hoffnung auf Fortführung des Dialogs,
Karin
Presseschau Leipzig: Nicht Lübbe ist das Problem
Ein Versuch, die Debatte zu versachlichen.
1. Ob Lübbe ein guter Intendant für Leipzig ist, wissen wir nach zwei oder drei Spielzeiten.

2. Sein Konzept (siehe Kreuzer, oder Link oben) beschreibt eher organisatorische Fragen - über Kunst steht da nix, aber es hat gereicht, um die Entscheider zu überzeugen. Jetzt muss er dieses Gerüst mit Leben füllen. Und dann siehe 1.

3. Es wird keinen einzigen Kandidaten, keine Kandidatin geben können, bei dem/der das Publikum oder die Mitarbeiter des Theaters einhellig "Hurra" brüllen. Also abwarten und siehe 1.

4. Es bleibt trotzdem ein kleiner Skandal, wie diese Entscheidung zu Stande gekommen ist. Nicht Enrico Lübbe ist das Problem, sondern dass es zu den Grabenkämpfen zwischen Stadt und Finungskommission kommen musste. Denn die beschädigen das Theater und wie man hier nachlesen kann, den zukünftigen Intendanten.

5. Ich würde noch immer gerne wissen, wer die beiden Kandidaten der Findungskommission waren, die bisher noch nicht genannt worden sind.

***

Und auf die Frage wer hätte es werden sollen, möchte ich antworten: kein Regisseur / keine Regisseurin.
Presseschau Leipzig: Theater als Fest
@ Ex-Leipziger: stimme allen Punkten zu. Würde trotzdem gern mit Moritz über Kunst, Theater und konkrete Künstler diskutieren. Theater als dysfunktionale Instanz find ich gut. Ich möchte gerne wissen, wo ich das sehen kann. Was ist mit Theater als Fest?
Presseschau Leipzig: lächelnd mit dem Glas
1. Morgen wird’s Lübbe, endlich. (Gratulation!) Die Palastrevolution der Studenten / Dozenten: verpufft, die Veröffentlichungen der Lübbe-Unterlagen in der Berliner Zeitung, im Stadtmagazin: vergebens.

2. Bevor die Hochschulprofessorin bei Hartmann ihre Choreografien entwickeln durfte – galt der Slogan "Studenten, man geht nicht in dieses Theater". Macht nun die Schule erneut die Wende? Oder werden jetzt die Beteiligten mit einem Glas aufeinander zugehn? Lächelnd? "War doch alles nicht so gemeint!" Wie gestaltet sich das nötige Miteinander?

3. Lübbe sollte schnellstens eine Findungskommission zur Umbesetzung der Hochschulkader organisieren und bis dahin als ausdrücklich nicht empfohlener Kandidat bei seiner aus der Not erstandenen Chemnitzer Studiolösung bleiben.

4. K. Gruber sehr richtig!
Presseschau Leipzig: viele Aufgaben in Sachsen
instanzen bauen auf ordnungen und strukturen auf, die begegnung mit ihnen erzeugt zweifel, wut, bisweilen angst. statt mechanismen zu übernehmen, sollte das theater eigene herausbilden, die genau in die entgegengesetzte richtung funktionieren, also nicht den zuschauer, der ohnehin völlig unsicher und verängstigt ist, weiter ängstigen, sondern die vertreter der instanzen. diese vertreter sind in ihrer sicherheit zu verunsichern, idealerweise dahingehend, dass sie selber ein unbehagen empfinden lernen, dass sie vor jeder premiere angst haben müssen, dass ihre zahlreich begangenen untaten doch noch herauskommen. eine weitere aufgabe des theaters ist die darstellung der tatsächlichen situation, und zwar so, dass sie uns fremd vorkommt wie nie beschrieben. insbesondere in sachsen, wo der faschismus nicht nur als teil der alltagskultur gelebt wird, sondern über eine parlarmentarische vertretung verfügt, gibt es diesbezüglich noch viele aufgaben zu bewältigen
Presseschau Leipzig: die Sache mit dem Vororttheater
@ Dramaturgiestudenten bzw. Ex-Leipziger
Nein, Ihr Protest ist durchaus nachvollziehbar und gewiß auch nicht unerwünscht; es ist im übrigen noch garnicht so lange her, daß die Ernst-Busch-Studenten recht wirksam protestierten. Was Sie ua. ansprechen und Ex-Leipziger unter 4. schreibt, bleibt natürlich virulent: Wozu eine Findungskommission mit Leuten wie Hartmut Krug (der durchaus für einen Kurs zwischen "Leipzig" und "Dresden" steht und bekanntlich Nachtkritiken schreibt) einberaumen, wenn man deren Arbeit dann schlichtweg links liegen lassen möchte? So eine Findungskommission arbeitet, denke ich, nicht ehrenamtlich; für Kulturpolitiker, die "Sparen, sparen, Auslastung, Auslastung !" rufen, ist es natürlich doppelt peinlich, hier einen veritablen Fall für das Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler zu liefern; wenn ua. StudentInnen protestieren, weil dieses Verhalten nicht nur widersprüchlich ist sondern in seiner Begründungsarmut schlichtweg eine freche Dumm- und Dumpfheit und die nachtkritik de.-Seite hierfür zu nutzen verstehen, dann ist das ausdrücklich zu begrüßen. Auf der anderen Seite sehe ich es aber ganz ähnlich wie der Ex-Leipziger: das droht Enrico Lübbe von vornherein zu "diskreditieren", und daher muß in Kenntnis der Leipziger Verhältnisse, es ist tatsächlich schwer an den Kandidaten, die Kandidatin für jedermann zu glauben, dergleichen wie "Strahlkraft" in der eigenen Argumentation durchaus auch kritisch befragbar bleiben, denn die "Auslastungsfetischisten" führen doch immer wieder genau diese im Munde, und die Neue, der Neue wird offensichtlich keine besseren Bedingungen vorfinden als Hartmann; und wenn man davon ausgeht, daß doch gewiß mehr herauszuholen wäre, wirft derjenige nicht allzuschnell auch der jetzigen Intendanz vor, zu früh einzustecken ??
Vororttheater von Berlin ist noch nicht einmal Chemnitz, Dresden ist es ganz sicher nicht, und Leipzig wird das so schnell schon garnicht; wer aber fürchtet, Vororttheater von Berlin zu werden, der müßte eigentlich zB. eine Verlegung eines Schauspielstudios (Studenten!!) von Chemnitz nach Berlin seinerzeit und vielleicht jetzt noch sehr kritisch gesehen haben bzw. sehen, finde ich: dann aber höre ich, man hätte gerne Armin Petras, nicht einen Enrico Lübbe. Wie aber ging das mit dem Schauspielstudio damals vonstatten: Akteure ?
Ich will da garnichts aufwühlen und wieder zu neuen Polarisierungen Anlaß geben, betrachte ich Potsdam als Berliner Vororttheater zB., so muß mir noch nicht einmal bei diesem Gedanken zu bange werden. Naja, und die beiden Namen von der Findungskommission her, die wird nachtkritik de. vermutlich schon kennen, und mag nachgefragt haben, ob es den BewerberInnen recht ist, hier öffentlich neben Volker Lösch genannt zu werden im Zuge eines bestimmten Threads. Gut, ich mag mich täuschen, aber es sieht für mich zunächst so aus, daß diese beiden nicht genannt werden möchten, und allzu neugierig bin ich da auch nicht. Ich könnte mir zB. einen Peter Carp oder eine Stefanie Carp, durchaus RegisseurInnen, in Leipzig auch nicht übel denken, aber sehe nach wie vor keinen Grund, Enrico Lübbe keinen Chance zu geben.
Presseschau Leipzig: Sich selbst diskutieren
Wenn jemand allen Ernstes von "dosiert [...] kontrovers diskutierbare[n], dann auch gezielt überregional beachtete[n] Parallelangeboten [!!!]" spricht, fragt man sich schon, wie denn der Normalzustand jenseits der Parallelangebote aussehen soll. Nicht kontrovers und eindeutig, für jeden Leipziger sofort verständlich? Hier diskreditiert niemand Herrn Lübbe, das tut er in diesem Bewerbungsschreiben schon ganz gut selbst.
Presseschau Leipzig: Im Unbehagen nicht allein
@29 Wirklich großen Dank für Ihren Kommentar. Nach Karin eine weitere wichtige Stimme, die einem zeigt, dass man mit seinem Unbehagen nicht allein war. Wie wäre es mit den Carps zusammen an einem Haus? Das würde ich gern erleben! Mir ist es, als waren sie auch schon zusammen für ein Haus im Gespräch, vielleicht für das Schauspielhaus Hamburg, ich weiss nicht mehr genau.
Presseschau Leipzig: Arbeit statt Worte
Würde ich zwar auch gerne erleben und mag ja auch noch irgendwann und irgendwo so kommen; jetzt, ich bleibe dabei, sollte man Herrn Lübbe die Chance geben, statt große Programmreden absondern zu müssen, seine Arbeit in Chemnitz und späterhin
(vermutlich) in Leipzig anzugehen..
Presseschau Leipzig: Wie kommen die Studenten zu ihrer Meinung?
Man sollte bei der ganzen Diskussion, vielleicht auch einmal fragen, warum denn bei Entscheidungen, die die Meinung einer Gewissen Frau der HMT beinhalten, Herr Lübbe auch immer so schlecht geredet wird. Vielleicht kommt daher ja auch diese Meinung der Studenten? Schließlich liegt die Vermutung nahe, dass diese sie auch unterrichtet. Das wäre wirklich sehr spannend zu wissen...
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