Eine Million Schulden sind das kleinere Problem

21. Juli 2012. In der Wochenendbeilage "Bilder und Zeiten" der Frankfurter Allgemeinen plaudert Irene Bazinger heute mit Jürgen Schitthelm, 1962 Mitbegründer der Berliner Schaubühne und seit 1966 deren Direktor. Nach 50 Jahren wird Schitthelm im September aus der Leitung der Schaubühne ausscheiden, seine Nachfolger sind der bisherige Kodriektor Friedrich Barner und der künstlerische Produktionsleiter Tobias Veit.

schitthelm heikoschaefer uJürgen Schitthelm © Heiko SchäferIn dem Gespräch mit Frau Bazinger lässt Schitthelm das halbe Jahrhundert an der Schaubühne Revue passieren und erteilt dabei auch eine Lektion in Verhandlungstaktik bei aussichtsloser Haushaltslage: "Das Jahr 1974 zum Beispiel war künstlerisch eines der erfolgreichsten der Schaubühne, finanziell dagegen ein absolutes Debakel. Zu der Zeit hatten wir etwa sechs Millionen Zuwendungen und darüberhinaus eine Million Schulden. Wir waren also eigentlich pleite. So habe ich in einer Krisensitzung im engsten Kreis dafür plädiert, nicht die Bitte um finanzielle Soforthilfe in den Mittelpunkt zu rücken, sondern wesentlich mehr zu fordern, damit diese eine Million nur wie das kleinere Problem erschiene. Deshalb haben wir im Gespräch mit dem Senator wegen der tatsächlichen räumlichen Zwänge vorgeschlagen, für uns eine neue Spielstätte zu suchen."

Man lernt zudem, wie man ein Theater gründen kann: "Wir hatten das Glück, dass uns der Vater einer Kommilitonin Ende 1961 ein langfristiges zinsloses Darlehen über zehntausend Mark zur Verfügung stellte." Wie man mit so einem Startkapital weiterkommt, verrät Schitthelm auch: "Wir waren nicht mutig, wir waren ahnungslos! Und es war unser Glück, dass keiner von uns irgendeine Ahnung von kaufmännischen oder juristischen Dingen hatte."

(wb)

Im Februar 2012 erhielt Jürgen Schitthelm den Preis zum Welttheatertag des Internationalen Theater Instituts.

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