dachte ich mir doch gestern schon bei aspekte, dass das eine riesige lebensrune und auf der rechten seite ein überstochenes hakenkreuz war. solche tattoos sind aber nicht nur im bezug auf bayreuth ein bisschen daneben...

Also mir nicht. Wer sich ein Hakenkreuz "aus dem Katalog" aussucht und auf die Brust tätowieren lässt und dann später sagt, er habe keine Ahnung, dass das ein politisches Symbol sei, gehört mit weit mehr gestraft als einer Absage bei einem großen Opern-Festival...

1. Das Hakenkreuz auf Nikitins rechter Brust reicht von über der Brustwarze bis halb zum Bauchnabel, ist also unübersehbar.

2. Zuerst dachte ich: Den kann man wirklich nicht in Bayreuth auftreten lassen. (Ich habe ihn live als Amfortas unter Marek Janowski gehört: er ist ein wunderbarer Wagner-Sänger: weicher Bariton mit viel Seele, wunderbare Diktion, tolle Expressivität.)

Beim zweiten Nachdenken ärgerte ich mich: Neonazismus ist eine Realität in Russland. (Nicht nur in... ) Das ist schockierend. Davor darf man die Augen nicht verschließen. Es darf in der Kunst keine Kuschelecken geben, in die man sich vor der Wirklichkeit verkriecht. Die Kunst darf kein Erholungsurlaub für die Seele sein.

Ein Nazi des 21. Jahrhunderts tritt in einem Stück von einem Nazi des 19. Jahrhunderts... Was für ein Schock!
Und Christian Thielemann, der nun wirklich keiner rechten Gesinnung verdächtigt werden kann, schlägt den Takt dazu.
Was wäre, wenn es so wäre?
Wenn Deutschland jährlich internationale Antisemiten-Festspiele feierte?
Nicht 1882, sondern 2012.

3. Richard Wagner zu Cosima W., 18.12.1881: "Dann erzählt er von einer neulichen Aufführung des "Nathan", wo bei der Stelle, Christus war auch Jude, ein Israelit im Parterre bravo gerufen habe. ... Er sagt im heftigen Scherz, es sollten ALLE Juden in einer Aufführung des "Nathan" VERBRENNEN." (Tagebuch, Bd.. 2 S. 852)

4. Von Wagner sagen die Wagnerianer, er sei kein Nazi, könne keiner sein, weil es den Nationalsozialismus im 19. Jahrhundert noch nicht gab. (Es gab Nationalismus und Sozialismus. Wagner hing beidem an.)
Nikitin ist vielleicht auch kein Nazi. Vielleicht wusste er nicht, was das ist, als er sich das Hakenkreuz aus reinem Protest oder Deko tätowieren ließ. Vielleicht ist er heute klüger als damals. Wer will ihn richten.
Darum geht es nicht. Es geht nicht darum, Menschen zu verurteilen.
Es geht um das Erschrecken darüber, dass das Gegenteil möglich sein könnte.

5. Fazit: Die Bayreuther Festspiele scheuen das echte Risiko.
Es wird permanent darüber gequatscht, wie revolutionär Wagner sei.
Aber wenn die Mine tatsächlich mal hochzugehen droht, wird sie schnell entschärft.
Bitte keine Diskussionen?
Hier gilt's der Kunst?
Oder doch eher der Unterhaltung?
Wenn einem das ganze Erbe um die Ohren fliegt, votiert man doch lieber um Bestandserhalt.
Es geht nicht um die Frage, ob Nikitin Neonazi ist oder nicht. Es geht um die Frage, wieviel Gift uns das geniale Werk des meistgespielten und international bestverkäuflichen deutschen Komponisten verabreicht.

Was soll denn bitte daran unsportlich sein. Es ist doch logisch, dass ein Sänger der kurz vor der Premiere einspringt auf einem anderen Level performt als einer, der wochenlang geprobt hat. Einfach auf dem Regisseur rumhacken ist dann doch ein bischen zu einfach und auch ein bischen Realitätsfremd.

Sie sagen es: es ist selbstverständlich, dass ein Einspringer anders spielen wird und nach seinen besten Mitteln. Warum also diese unnötige Stellungnahme?

Mann strietze, was soll das denn? Hakenkreuz-Tattoos sind also nichts weiter als ein Kavaliersdelikt einer rebellischen Jugend in der UdSSR, oder was? Im Grunde genommen ist mir der Grüne Hügel ja so schnuppe wie die Lage des Südpols. Aber warum muss braunes Gedankengut, und nichts anderes stellt ein Hakenkreuz dar (auch im überstochenen Zustand, da schwärt es eben unter der Haut weiter), unbedingt mit DDR-Unrecht relativiert werden. Bitte sagen Sie mir, wie viele Staaten die DDR in der Zeit ihrer Existenz angegriffen und wie viele Juden dort vergast wurden. Danach können wir gerne auch über Doppelmoral diskutieren. Ansonsten sollen die in Bayreuth ruhig so viel braunen Dreck unter den grünen Hügel kehren, bis er ihnen das schöne Festspielhaus flutet. Leider kann man in Köpfe nicht hineinschauen. Da ist mir dann die "ehrliche" Haut von Nikitin allemal lieber, die kann er nämlich nicht so einfach abstreifen. Pech gehabt. Und das mit der leeren Landschaft trifft wohl eher auf einige Hirne zu.

Problem gelöst?

http://www.sueddeutsche.de/kultur/samuel-youn-singt-in-bayreuth-ploetzlich-hollaender-1.1420619

Habe gerade die Übertragung des "Fliegenden Holländers" im Radio gehört.
Wie nennt man das, wenn der Matrosenchor wie ein Preußischer Marsch dirigiert wird, mit Pauken, die wie Kanonenschüsse losböllern und schweren Zählzeiten im 2/4-Takt, die wie Bomben hoch gehen?
Die einen tragen's auf der Haut, die andern in ihrer Kunst.