Mit realem Rassismus verwechselt

15. Oktober 2012. Bereits nach einigen Tagen habe ihm der Kopf vor Eindrücken geschwirrt, gibt Peter Laudenbach in der Süddeutschen Zeitung (15.10.2012) über das unter der Überschrift "Foreign Affairs" relaunchte internationale Theaterfestival der Berliner Festspiele zu Protokoll.

Bereits die diesjährige Festivalkuratorin Frie Leysen stehe "nicht für rückstandsfrei verpuffenden Festival-Glamour, sondern für ein etwas anstrengenderes, dezidiert politisches Theater". Sie habe, so Laudenbach weiter, "nicht unbedingt etwas gegen 'Stars'", aber wichtiger als Prominenz sei ihr künstlerische Radikalität. "Nicht jeder große Name ist ein großer Künstler. Und nicht jeder große Künstler ist ein großer Name" zitiert Laudenbach Leysen. Leysen fährt aus Sicht dieses Kritikers bewusst volles Risiko, Kompromisse zu machen, sei offenkundig nicht ihre Sache. "Publikumsüberforderung im Zweifel besser als ein laues Wohlfühlangebot". Hysterische Vorabkritik ("Schmähungen"), u.a durch Alvis Hermanis, hätte als Marketingverstärker des Relaunchs ihre Wirkung nicht verfehlt. Vor allem aber sei Leysen ihrem Ruf gerecht geworden.

Große Choreografen hätten neben "lautstark durchdrehenden" kleineren Künstlern und "tollen" Neuentdeckungen" wie Daisuke Miura bisher für eine gute Mischung gesorgt. "Sogar einen kleinen Skandal gab es. Der weiße Südafrikaner Brett Bailey thematisierte in 'Exhibit B' rassistische Völkerschauen, was politisch korrekte, aber in ihrem Kunstverständnis möglicherweise etwas überforderte Aktivisten mit realem Rassismus verwechselten – erhöhter Diskussionsbedarf war da natürlich gleich gesichert." Auch das Publikum habe sich, u.a. "dank der massiv gesenkten Preise, deutlich verjüngt". Selbst "Spezialisten-Programme mit potenziellem Kopfweh-Faktor" waren Laudenbach zufolge gut besucht. Kleinere Missgriffe wie der Abend von andcompany&Co und der Eröffnungsabend von Federico León ("nicht frei von Peinlichkeit") werden ebenfalls erwähnt.

(sle)

 

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