Chance für die Freie Szene

Berlin, 16. November 2012. Im neuen Jahr wird in Berlin die City Tax eingeführt, die jährlich um die 40 Millionen einbringen könnte. 50 Prozent werden höchstwahrscheinlich in die Berliner Kultur einfließen. Die Koalition der Freien Szene hat jetzt ein Positionspapier aufgesetzt, über das Patrick Wildermann heute im Tagesspiegel berichtet.

Nach dem Willen nicht weniger Kunstproduzenten in der Hauptstadt sollen die erwarteten Millioneneinnahmen zum Großteil der Kultur und mindestens zur Hälfte der freien Szene zugute kommen. 75 Prozent der Berlin-Besucher kommen wegen der Kultur, das habe der Tourismusverband Visit Berlin ermittelt. Eine City Tax zum Wohle der Kunst erscheine da nur logisch. In Weimar und Köln gebe es die Steuer bereits, am Rhein etwa flossen die Einnahmen 2011 großenteils in die Renovierung von Museen und Kulturbauten, in Stadtverschönerungsmaßnahmen und Standortmarketing. Der Kreativität der Haushälter seien keine Grenzen gesetzt.

"In Berlin sehen die freischaffenden Künstler ihre Chance gekommen, mit der chronischen Unterfinanzierung ihrer Arbeit aufzuräumen", so Wildermann. Denn von den 375 Millionen, die die Stadt sich ihre Kultur jährlich kosten lässt, fließen derzeit 95 Prozent in die institutionelle Förderung. Also unter anderem an die Opernhäuser, Theater, Orchester und ihre Angestellten. Um den überschaubaren Rest balgt sich die Vielzahl der unabhängigen Tänzer, Performer, Bildenden Künstler und Musiker, das kreative Prekariat. Auch diese Kulturschaffenden müssen an dem teilhaben, was sie für Berlin leisten. "Was auch die IHK in der Studie 'Creative Industries' gewürdigt hat, die eine Umverteilung der Fördermittel zugunsten der freien Szene fordert."

Die Koalition der Freien Szene – ein Zusammenschluss von über 70 Institutionen, Verbänden und Einzelpersonen sämtlicher Sparten – habe jetzt ein Positionspapier in zehn Punkten aufgesetzt, "das zum Sturm auf die Bescheidenheit bläst". Wenn die City Tax 40 Millionen Euro in die Berliner Kassen spült, sollen 17,65 Millionen der freien Szene zugute kommen. "Die detaillierten Forderungen reichen von Honoraruntergrenzen bei senatsgeförderten Projekten bis zur Schaffung von Orten mit eigenem Produktionsetat. Ist das nun vermessen oder recht und billig? Christophe Knoch, der Sprecher der Koalition, ist jedenfalls überzeugt, dass von einer derart verwendeten City Tax 'ein größerer Impuls ausgehen könnte als von der Gründung des Hauptstadtkulturfonds'. Was bekanntlich die Geburtsstunde der prosperierenden Berliner Kulturlandschaft war."

Jochen Sandig sehe die freie Szene in einer fast historischen Situation, heißt es im Text. "Einen solchen Schulterschluss der künstlerischen Sparten habe es in Berlin noch nie gegeben, selten zuvor solche Aufbruchsstimmung." Kulturstaatssekretär André Schmitz habe aber nur vage verlauten lasse, er werbe dafür, dass mindestens 50 Prozent der City Tax der Kultur zugute kämen. "Er sagt nicht: der freien Szene". Entsprechend gehe unter den Künstlern auch die Angst um. "Davor etwa, dass die schönen Millionen zum Ausgleich von Tarifsteigerungen verpulvert werden könnten. Allein die Opernstiftung wird durch die anstehenden Lohnerhöhungen rund 20 Millionen Euro mehr benötigen." Die Entscheidung werde am Ende dem Haushaltsausschuss obliegen.

 

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