Freie Theaterszene Ungarns am Abgrund
Ungarns Freie Szene ruft um Hilfe
28. November 2012. Mit einem Protestvideo (siehe Meldung gestern) und Appellen an die internationale Öffentlichkeit versucht die Freie Theaterszene Ungarns auf ihre fatale Lage aufmerksam zu machen. Schon seit Anfang des Jahres warten international so renommierte Compagnien und Künstler wie Béla Pinter, Pál Frenák, Viktór Bodo oder Árpád Schilling auf das ihnen staatlich bereits zugesicherte Geld. Anfang November wurde nun bekannt, dass die (noch gar nicht ausgezahlten) Zuwendungen weiter drastisch gekürzt werden sollen, um über 33 Prozent, wie es heißt. Sollte die ungarische Regierung an diesem Kurs festhalten, müssten sämtliche freien Theater des Landes Anfang 2013 ihre Arbeit einstellen, so Szilvia Nagy vom Verband Freier Theater Ungarns (FESZ).
"In unserer bedrohlichen Lage bitten wir die internationale Öffentlichkeit um Solidarität," schreiben Ungarns Freie Theatermacher in einer gemeinsamen Erklärung, die nachtkritik.de vorliegt. "Verbreiten Sie durch alle Ihnen zur Verfügung stehenden Medien, dass die höchst lebendige, vielfältige und fortschrittliche Kunstszene des post-sowjetischen Ungarn, die immer zu den leidenschaftlichsten Unterstützern und Verfechtern einer demokratischen Ordnung in diesem Land gezählt hat, dazu gezwungen sein wird, sämtliche Aktivitäten zu Beginn des Jahres 2013 einzustellen."
Der rechtswidrige Kurs der ungarischen Regierung, heißt es außerdem, bedrohe die Freiheit der Kunst in Ungarn und verletze darüber hinaus das in der Verfassung festgeschriebene Recht der Bürger auf freien Zugang zu Kultur und Bildung.
Das Abwürgen der unabhängigen und international höchst erfolgreichen Freien Theaterszene Ungarns steht im Kontext der rechtspopulistischen, kunstfeindlichen und antidemokratischen Politik von Ministerpräsident Viktor Orban und seiner Fidesz-Partei. Erst vor zwei Tagen wurde ein Gesetz verabschiedet, das das Wahlrecht und den Pluralismus in Ungarn stark einschränkt. Am Montag hatte ein Abgeordneter der rechtsextremen Jobbik-Partei, Marton Gyöngyösi, außerdem im Parlament während einer Debatte über die israelische Militäroffensive gegen die Hamas eine Auflistung der jüdischen Abgeordneten Ungarns sowie eine landesweite Registrierung von Menschen jüdischer Abstammung gefordert, da sie ein "Sicherheitsrisiko" darstellten.
(sle)
Mehr zur Lage in Ungarn auf nachtkritik.de: hier.
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Wehe, wenn sie losgelassen
Wachsend ohne Widerstand
Durch die volkbelebten Gassen
Wälzt den ungeheuren Brand!
Denn die Elemente hassen
Das Gebild der Menschenhand.
(…)
Hört ihr's wimmern hoch vom Turm?
Das ist Sturm!
Rot wie Blut
Ist der Himmel,
Das ist nicht des Tages Glut!
Welch Getümmel
Straßen auf!
Dampf wallt auf!
Flackernd steigt die Feuersäule,
Durch der Straße lange Zeile
Wächst es fort mit Windeseile,
Kochend wie aus Ofens Rachen
Glühn die Lüfte, Balken krachen,
Pfosten stürzen, Fenster klirren,
Kinder jammern, Mütter irren, …
(…)
Jetzo mit der Kraft des Stranges
Wiegt die Glock mir aus der Gruft,
Daß sie in das Reich des Klanges
Steige, in die Himmelsluft.
Ziehet, ziehet, hebt!
Sie bewegt sich, schwebt,
Freude dieser Stadt bedeute,
Friede sei ihr erst Geläute.
Friedrich Schiller (aus: Das Lied von der Glocke)