Eigenwerbung fürs Erstengagement

3. Dezember 2012. Andreas Rossmann hat sich für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (3.12.2012) das öffentliche "zentrale NRW-Vorsprechen" der Schauspielschulen in Neuss angeschaut, das "längst über Nordrhein-Westfalen hinausgewachsen" sei. "Alle staatlichen Schauspielschulen im deutschsprachigen Raum nehmen teil, vierzehn aus der Bundesrepublik, fünf aus Österreich, zwei aus der Schweiz." Im Publikum seien vor allem "Fachleute" auszumachen gewesen: "Intendanten, Regisseure, Dramaturgen, die Anfänger suchen, Mitarbeiter von Agenturen und der Künstlervermittlung der Bundesagentur für Arbeit." Vor allem seien die "kleinen und mittleren Häuser" angereist (vom "Landestheater Schleswig-Holstein bis zum Zimmertheater Rottweil"); "die großen Theater schauen sich gezielter um", so Rossmann.

"Für den Absolventen geht erst einmal darum, auf sich aufmerksam zu machen. Auf den ersten positiven Eindruck hin wird er ins Theater eingeladen." Beim Auftritt des Wiener Max-Reinhardt-Seminars beobachtete Rossmann, der NRW-Kritiker der FAZ: "Handwerkliches Können – Stimme, Körper, Rolle – steht im Mittelpunkt, Ernst und Konzentration sind selbstverständlich, doch wie viel Spielfreude, Präsenz, Phantasie und Wandlungsfähigkeit jemand mitbringt, lässt sich in der Kürze nicht so leicht ausmachen."

Wer bei diesem Vorsprechen auftritt, habe eine "sehr viel höhere Auswahlhürde" bereits hinter sich. "Fünfhundert oder noch mehr Bewerber verzeichnen die staatlichen Schulen jedes Jahr, zwei Tage geht die Aufnahmeprüfung, zehn, höchstens fünfzehn werden angenommen." 250 Absolventen würden alljährlich von ihnen hervorgebracht, rund sechzig Anfänger stellten die öffentlichen Theater im deutschen Sprachraum pro Saison ein. Schwieriger als ein Erstengagement sei allerdings ein Folgearrangement zu bekommen. "Die meisten kleinen und mittleren Bühnen pfeifen inzwischen derart aus dem letzten Loch, dass sie so viel wie möglich mit billigen Anfängern arbeiten."

Beim Vorsprechen in Neuss erhielten die Absolventen eine kurze "Chance, sich nachdrücklich zu empfehlen". Jeder habe "im Foyer eine bebilderte Visitenkarte mit Porträt- und Szenenfotos, Kurzbiographie, Rollenverzeichnis, Mobilnummer und Mail-Adresse ausgelegt, die weitere Fähigkeiten – Sprachen, Dialekte, Tänze – aufführt. Noch ist jeder sein eigener PR-Agent."

(FAZ / chr)

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