Absurde Auseinandersetzung?

10. Januar 2013. Verschiedene Medien widmen sich inzwischen der Causa Enke. Nachdem Armin Petras im zweiten Teil seines neuen Stücks Demenz Depression und Revolution den Suizid des Torwarts Robert Enke thematisierte, schritt die Witwe Teresa Enke ein und erwirkte vorläufig eine (freiwillige) Streichung der Passage.

  • In der taz (10.1.2013) findet Katrin Bettina Müller "gut, dass das Gorki-Theater und der Henschel-Theaterverlag auf Teresa Enke (...) reagieren und nach einer Lösung suchen, um eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden." Die Enke-Biografie von Ronald Reng sei allerdings "nicht die einzige Quelle der Information über Enke. Man findet Episoden, die das Stück aufgenommen hat, auch bei Wikipedia oder in Nachrufen auf den Torwart."

    Letztendlich sei aber das Thema der Depression bzw. die kollektive Trauer im nachhinein als "gesellschaftliche Bußübung" "ein viel zu großer Brocken, um allein von den beiden Figuren des Stücks gestemmt zu werden – ein Ungleichgewicht, das einen letzten Endes auch etwas ratlos aus der Inszenierung entließ."

  • In der Berliner Morgenpost (10.1.2013) rechnet Stefan Kirschner damit, dass es zum Gerichtsprozess kommen wird. Deshalb hielten sich auch momentan alle Parteien äußerst bedeckt und stünden für Interviews nicht zur Verfügung. "Insgesamt eine recht absurde Auseinandersetzung: Denn wer das Stück gesehen hat, wird kaum auf die Idee kommen, dass hier ein Theater einen Schicksalsschlag kommerziell vermarkten möchte. Das wäre ungefähr so, als ob man Elfriede Jelinek oder Kathrin Röggla unterstellen würde, sich auf Kosten von Natascha Kampusch zu bereichern."

    Kirschner fordert weiter, dass sich Teresa Enke zumindest die Videoaufzeichnung der Inszenierung anschaue. "Und (sie) könnte dann zum Schluss kommen, dass die Arbeit eigentlich ihre eigene unterstützt: Denn mit ihrer Robert Enke Stiftung setzt sie sich für eine Enttabuisierung der Krankheit Depressionen ein. Nichts anderes tut das Maxim Gorki Theater mit dieser Aufführung."

  • In der Frankfurter Rundschau (10.1.2013) hält Christian Bommarius einen Rechtsstreit zwar für unwahrscheinlich, zieht aber schonmal Vergleichsfälle heran. "Zwar liegt es auf den ersten Blick nahe, als Vergleichsfall den Streit um den bis heute verbotenen Roman 'Esra' von Maxim Biller heranzuziehen." Der Bundesgerichtshof hätte der ehemaligen Lebensgefährtin des Autors recht gegeben, dass für eine Persönlichkeitsverletzung ausreiche, "dass die Betroffene 'erkennbar zum Gegenstand einer medialen Darstellung' werde" – also auch ohne Namensnennung. "Näher läge es, die Entscheidung des Bundesgerichtshofs von 2009 im Fall des 'Kannibalen von Rotenburg' anzusehen." Im Urteil stehe, dass der Betroffene selbst wahre Aussagen nicht hinnehmen müsse, wenn sie seine "Intim-, Privat- oder Vertraulichkeitssphäre" berührten und ohne berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit seien. "Im Übrigen, hieß es in dem Urteil, gewännen selbst verurteilte Straftäter mit 'zeitlicher Distanz zur Straftat' das Recht, 'allein gelassen zu werden'. Dieses Recht musste Teresa Enke nicht erst gewinnen."

    (mw)

 

Mehr lesen? Hier der nachtkritik-Kommentar zum Fall.

 

Kommentare  
Presseschau Enke: journalistisches bereichern
journalisten nehmen wohl auch gerne zum thema, sich an persönlichkeitsrechten zu bereichern, um sich an persönlichkeitsrechten zu bereichern.
Presseschau Enke: anders gelesen
@ nachtkritik

Es heißt, daß Stefan Kirschner im Morgenpostartikel vom 10.1.2013
etwas fordere (nämlich: Teresa Enke möge sich doch wenigstens die Aufzeichnung des Stückes ansehen). Stefan Kirschner fordert garnichts, sondern schreibt "Vielleicht ..." und "... könnte dann zum Schluß kommen" (daß Petras eigentlich ganz im Sinne ihrer eigenen Stiftungsziele agiert: in Richtung "Enttabuisierung der Depression"). Diesen Gedanken Stefan Kirschners finde ich nicht unproduktiv, verstehe dann aber den Titel des Artikels umso weniger, daß es wohl zu einem Rechtsstreit komme, zumal die Berliner Morgenpost am Vortage noch die Annährung der beiden Seiten thematisierte (wenngleich, warum unter dem Signum "Rechtsstreit", wenn es den doch eigentlich moch garnicht gibt); Stücktext und Aufzeichnung seien beim Anwalt Frau Enkes allerdings noch nicht eingegangen. Nuancen wie "Frau Enke habe aus der Medienberichterstattung Wind von dem Stück bekommen" (sinngemäß)
sind diesbezüglich natürlich auch etwas für den Hinterkopf.
Der Vergleich mit Röggla und Jelinek dagegen kommt mir zu glatt daher; man müßte schon prüfen, was Frau Röggla bzw. Frau Jelinek mit Frau Kampusch besprochen bzw. nicht-besprochen haben: das kommt in dem Vergleich nicht vor, ist aber wesentlich (wie ich finde).
Der taz-Artikel begrüßt sowohl die Reaktion seitens des Gorki als auch des Henschel-Verlages auf Frau Enke. Im Falle des Gorki sehe ich das durchaus ein; aber, so wie ich es bislang las, hat der Henschel-Verlag auf eine Anfrage geantwortet, die nicht von der "Enke-Seite" herrührte. Die Eröffnung des weiteren Spektrums "Bekannte Fälle in Sachen Persönlichkeitsrecht", welche die FR
hier vornimmt, halte ich für sehr informativ, auch wenn das Danebenzustehenkommen neben Autoren bzw. Straftätern dann doch ein wenig verschluckt, daß Frau Enke sich wohl schon im Vorraume die Fixierung keine Person öffentlichen Rechtes zu sein, erst juristisch erstreiten mußte offenbar. Von wegen also: "Dieses Recht mußte Teresa Enke nicht erst gewinnen." Dieses Recht muß sie jetzt und heute nicht erst gewinnen. Summa summarum finde ich doch ein wenig, es mangelt in den diversen Schreibstuben ein wenig an der (nötigen) Genauigkeit. War die erste Reaktion auf die Causa, die ich las, jene von Herrn Laudenbach (siehe BILD-Doppelmoral), zu forsch, zu unerheblich oder beides, um nicht in diesen Pressespiegel einzugehen ?.
Kommentar schreiben