Hoffend auf ein besseres Morgen

17.1.2013. Das kleinste der fünf Berliner Stadttheater habe allen Grund zum Feiern, schreibt Dirk Pilz in der Neuen Zürcher Zeitung. "Sein überaus agiles, mit 22 Schauspielern kleines Ensemble zählt zwar nicht zu den edelsten der Theaterrepublik, in jedem Fall aber zu den sympathischsten." Nirgends sonst stürze man sich wieder und wieder mit derart fröhlicher, erdverbundener Wut in die Arbeit. "Jede Inszenierung will den schönen Glauben nähren, das Theater tauge doch, um der Welt ins Getriebe zu fassen."

Das Gorki sei unter Petras' Intendanz "zur Hauptbühne einer Schnellzeichenästhetik" geworden, "die alle Szenen wie schroff skizziert, hektisch hingepinselt wirken lässt." Petras habe die Unübersichtlichkeit zum Programm entwickelt, im Provisorischen das Theaterglück gesucht und gehofft, so einer unübersichtlichen, fragilen Welt beizukommen.

Denn im Brüchigen hause für Petras die Hoffnung: "Zerfällt etwas, kann Neues wachsen; zerbricht etwas, gibt es Gründe dafür." Auch bei ihm sei zwar nicht alles glatt gegangen – Pilz verweist auf den frühen Abgang des Schauspielers Peter Moltzen und der Chefdramaturgin Andrea Koschwitz – "aber die Gorki-Mannschaft schien stets eine Glaubensgemeinschaft zu sein – geeint von der Hoffnung auf ein besseres Morgen."

Außerdem fasst Pilz noch einmal den Fall "Demenz Depression und Revolution" zusammen und verteidigt Petras zunächst: ihm gehe es weder im Text noch in der Inszenierung um den Einzelfall Enke, sondern um Depression als moderne Gesellschaftskrankheit; entsprechend nähmen Michael Klammer und Aenne Schwarz ihre Rollen: ausgreifend ins Archetypische, Generelle. Um ihn dann doch zu verurteilen: "Ausgerechnet Armin Petras, dem Fürsprecher aller, die in der Öffentlichkeit nur als Zahlen oder Story vorkommen, ist unterlaufen, was er gewöhnlich anprangert: Er hat den konkreten Menschen mit der Medienoberfläche verwechselt."

Was schließlich Petras' designierte Gorki-Intendanz-Nachfolgerin Shermin Langhoff angehe, so erweise sie sich bei den Vorbereitungen bis anhin nicht als geschickt; "der Unmut unter den Angestellten scheint enorm, weil 50 der 160 Mitarbeiter gekündigt wurde, obwohl Langhoff erklärt hatte, dass sie sich über jeden freue, der mit ihr an dem Haus bleiben wolle." Das Ballhaus Naunynstrasse habe Aufmerksamkeit zu organisieren vermocht, weil es sich als postmigrantische Bühne etablierte. "Noch steht nicht fest, was sie gemeinsam mit dem leitenden Dramaturgen Jens Hillje für das Gorki plant, mit einer bloßen Fortführung des Ballhaus-Profils wird es kaum getan sein."

(sd)

Mehr zu Petras' (und Langhoffs) Gorki:
-Kommentar von Esther Slevogt zur Causa "Depression", die Stimmen anderer in der Presseschau zum Thema
-Presseschau: die Berliner Zeitung über die prekären Arbeitsverhältnisse am Theater am Beispiel Gorki

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