Panoptikum behaupteter Avantgarde

28. Januar 2013. Peter Korfmacher, Leiter des Kulturrressorts der Leipziger Volkszeitung, hat gestern aus Anlaß des Endes der Dernièren-Reihe von Sebastian Hartmanns Inszenierungen für das Centraltheater noch einmal Bilanz gezogen. Am Samstag ging die Reihe mit Mein Faust zu Ende.

Aus Sicht Korfmachers ist die Dernièren-Reihe vor allem eine "Bilanz des Scheiterns" gewesen. Hartmanns Bilanz sei auch deshalb so schlecht, weil er auf die ablehnende Reaktion des Leipziger Publikums auf seine Arbeiten von Anfang an wie ein Kind reagiert habe, das Liebe "durch fußstampfenden Trotz zu erzwingen" versucht. All das nun kulminiert für diesen Kritiker noch einmal in Hartmanns Goethe-Abend "Mein Faust", "von dem man wohlmeinend behaupten könnte, dass die Schauspieler, die ohnehin dieses Theater trugen, wenn es tragfähig war, ihre jeweils eigene Deutung jenes Moments auf die Bühne stellten, von dem Faust bei Goethe sagen könnte 'Verweile doch...'"

An diesem Abend springe Hartmann, so Korfmacher, ein letztes Mal all denen ins Gesicht, von denen er sich unverstanden fühle, "denen, die er für Spießer hält, weil sie seiner Kunst nicht zu folgen vermögen". Mit Goethe habe dieses "Panopotikum behaupteter Avantgarde" nichts zu tun. Der Abend ist für Korfmacher vor allem deshalb eine Unverschämtheit, weil Hartmann noch nicht einmal Goethe oder Faust vom bildungsbürgerlichen Sockel stoße, sondern sich mit "Anpinkeln" zufrieden gebe. Wie schon in vielen anderen Inszenierungen kleide auch hier "genialische Attitüde" sich "wichtigtuerisch in Andersartigkeit". In einigen seiner Produktionen, räumt der Kritriker immerhin ein, habe Sebastian Hartmann gezeigt, "dass er ein großer Regisseur sein kann". Selbst durch diesen "Faust" irrlichterten "Momente großer Poesie". Doch sein beleidigter Umgang mit dem befremdeten Publikum beweist Korfmacher, dass Hartmann eines nicht sein sollte: Stadttheater-Intendant.

(sle)

 

Kommentare  
Presseschau Hartmann-Bilanz: einseitige Grabreden
Währenddessen da noch -sehr einseitig- an Grabreden gearbeitet wird, läuft der
Betrieb in Leipzig doch noch recht lebendig weiter, auch im Februar und trotz der Umbauarbeiten ! Wie gerne hätte ich etwas gehört über Erfahrungen mit einer Sache wie "Umdreharbeiten", und angesichts der Irritationen um den "Eisvogel" oder die "Breivik-Rede" hätte ich beinahe fest darauf gesetzt, daß so eine Spinnwerk-Premiere wie "Nazistück" (15.2.2013) eine Nachtkritikerin, einen Nachtkritiker wert gewesen wäre; leider läuft so vieles dazu gerade an diesem Abend parallel an !
Aber, Leipzig und Halle zur Karnevalszeit , das ist durchaus auch eine kleine, feine
Reiseempfehlung und die "Lösung der "Bolzplatzfrage" (siehe Lesernotizen zu Theaterabenden) ein noch ausstehendes Unternehmen... !.
Presseschau Hartmann-Bilanz: bloß nichts Neues!
Und Korfmacher beweist ebenso: dass Leipzig eine Zeitung überregionaler Provinzialität besitzt und nun wohl endlich wieder ein Theater vorgesetzt bekommt, dass mit diesem Blättchen Schritt halten kann - Leipzig! Endlich wieder Provinz! Bloß nichts neues, die Montagdemos haben schon genug verändert. Ab in Auerbachs Keller zu Klößen und Braten!

Prost.
Presseschau Hartmann-Bilanz: Sippenhaft
In der Zusammenfassung liest sich der Artikel geradezu mitfühlend, in Gänze aber ist er (für einen Kulturressortchef, der sich selbst noch Ernst nehmen möchte) erschreckend einseitig, kaum nachvollziehbar nachtragend, anmaßend, die Protagonisten kränkend bis beleidigend.

Was ich in all diesen Hartmann-Diskussionen allerdings nicht verstehe: Da gibt es Ablehnung zum Teil von prominenter Seite (Faber, Korfmacher etc., na und...), es gibt etwas weniger Zuschauer als zuvor (so was passiert schon mal), man könnte auch positiv formulieren eine gewisse Polarisierung und schon nehmen Kommentatoren wie "warumnur" eine ganze Stadt in Sippenhaft. Natürlich ist das alte uffgehübschte Leipzig eine kleine Stadt, natürlich ist vor allem dieser von außen herbei geschriebene Hype lächerlich - aber es gibt nun wahrlich andere Gesichtspunke als eine Stadt (und ihre Bewohner) über ihr Stadttheater zu definieren. Würde man so etwas Ernst nehmen würde sich ja ab September in Leipzig unheimlich viel ändern. Vielleicht müssen sich aber einfach nur einige Kommentatoren andere "Ausgehbereiche" erschließen...
Presseschau Hartmann-Bilanz: allein die CIA-Agenten!
Ich bin Urleipziger (geb. 1947) und finde es sehr schade, dass Sebastian Hartmann das Haus in Leipzig aufgibt. Ich freue mich, dass das Haus aus diesem SED-Konservatismus gefunden hat. Ich gehe zwar sehr selten ins Theater, aber eine Meinung habe ich: 2008/9 und 2010 war ich 4 mal dort und habe lange nicht mehr so viel Jugend gesehen. Ich hatte den Eindruck, dass hier endlich ein ganz anderes Publikum erreicht wird, als die ueblichen Verdaechtigen um die 60. Und in letzterer Altersgruppe gibt es soviel Konservatismus, weil so viele so viel zu verschweigen haben, allein die CIA-Agenten von frueher, die noch in Leipzig leben! Die Leipziger Volkszeitung hofiert m.E. nur die "lèche-botte" dieser Wendezeit. Verschwendet eure Zeit nicht, gratuliert Hartmann zu "Krieg und Frieden', zu "Faust" und all den anderen gelungen Provokationen.
Presseschau Hartmann-Bilanz: körperliches Leiden
@ Klaus: Was meinen Sie mit "Verschwendet eure Zeit nicht"? Fragt sich, wer unter dem Verlust an Lebenszeit aufgrund "all der gelungenen Provokationen" von Hartmann und Konsorten (z.B. Martin Laberenz) wirklich leiden musste. Körperlich leiden. Nicht aufgrund von sinnlicher Anschauung im Rahmen der Kunst, was vollkommen okay ist. Und in genau diesem Unterschied, genau da liegt der Knackpunkt. Wenn die Kunst ihren Bereich verlässt. Nach Carl Hegemann. Verstehen Sie, was ich meine? Jemand wird es verstehen. Kennen Sie die Namen Barbara Antal und Levente Nagy?
Presseschau Hartmann-Bilanz: Unverständnis
@ Inga: Nein, ich verstehe Sie nicht. Bitte erklaeren Sie es mir, was Sie meinen.
Presseschau Hartmann-Bilanz: Wahlwerbung
Verschwendet eure Zeit nicht! Wenn ihr was tun wollt, wählt "Der Trinker", "Mein Faust" und "Krieg und Frieden" beim nachtkritik-theatertreffen. Auf facebook stand, dass es nur noch zwei Tage geht.
Presseschau Hartmann-Bilanz: was Hegemann unter Kunst versteht
@ Klaus: (...) Hegemann schrieb zu der Frage, was er unter dem Begriff "Kunst" verstehe, folgendes: "Die Kunst kann als Kunst ihr Reich oder ihren Bereich nicht verlassen, sie verwandelt sich beim Überschreiten der Grenze in Kriminalität oder Wahnsinn".

(...)
Presseschau Hartmann-Bilanz: Konsequenz
Dann wären also die "echten" Künstler, Verbrecher und Wahnsinnige.
Presseschau Hartmann-Bilanz: bösartig
Es ist immer wieder erstaunlich, sobald der Name Sebastian Hartmann fällt, tauchen Schreiber in Nachtkritik auf, die Hartmann und sein Personal bösartig niedermachen (z.B. „Konsorten“ in #5).
Das passt aber irgendwie gut in die deutsche Geschichte, in der es leider viele Beispiele gibt, wo alles was nicht der „Norm“ und „Ordnung“ entspricht, verteufelt wird.
Ich frage mich nur WARUM?
Presseschau Hartmann-Bilanz: Andersfühlende
@ Gottfried Enders: Was meinen Sie mit dem Begriff der "echten" Künstler genau? Nichts spricht dagegen, dass Sie die Kunst im Kontext eines erweiterten Kunstbegriffs betrachten. Der Punkt ist aber: Niemand darf dabei an Körper und Geist zu Schaden kommen.

@ Leipziger: Mir persönlich geht es hier gar nicht um Begriffe wie "die Norm" oder "die Ordnung". Machen Sie doch, was Sie wollen, für den Fall, dass Sie erst dann glücklich sind, wenn Sie alle Grenzen überschritten haben. Bloß, was hat diese Form der Freiheit dann eigentlich noch für einen Wert? Hat sie dann noch einen Wert? Nehmen Sie in Kauf, dass Ihre Freiheit auf Kosten der Freiheit anderer Menschen geht? Berücksichtigen Sie doch mal, dass es auch Andersdenkende und vor allem auch Andersfühlende gibt, welche Ihnen Ihre Frage auf direktem Weg zurückgeben könnten: WARUM?
Presseschau Hartmann-Bilanz: Debatte verhindert
@8: Liebe Inga, ich weiss zwar nicht wer Herr Hegemann ist, aber gewiss hat er sich was beim Schreiben gedacht. Mit dem Ausdruck "verschwendet eure Zeit nicht" will ich sagen, dass sie die LVZ nicht lesen brauchen, dass sie Zeitverschwendung ist. Autoren wie der Herr Korfmacher und seine Vorgaenger verhindern ja geradezu eine ernste Debatte um Kunst. Diese Pamphlete, die er schreibt, sind Ausdruck dessen. Die Wende von '89 hatte viel positive Dinge hervorgebracht. Zum Beispiel, dass ich die Texte von Leo Trotzkij lesen kann. Im letzten Teil von "Literatur und Revolution" schreiben Djego Riviera und Andre Breton unter der Ueberschrift "Fuer eine unabhaengige revolutionaere Kunst": "Nun noetigt uns aber die gegenwaertige Welt, die immer allgemeiner werdende verletzung dieser Gesetze festzustellen, eine Verletzung, der notwendigerweise eine immer offenbarer werdende Herabwuerdigung nicht nur des Kunstwerkes, sondern auch der "kuenstlerischen" Persoenlichkeit entspricht. Der Hitlerische Faschismus hat, nachdem er all jene Kuenstler aus Deutschland entfernt hat, bei denen zu gewissem Grade freiheitsliebe, und sei sie auch nur formaler Art, zum Ausdruck gekommen war, diejenigen, die noch willens waren, die Feder oder den Pinsel zu fuehren, genoetigt, sich zu knechten des Regimes zu machen und es zu den aeusserlichen Grenzen schlimmster konvention gebuehrend zu feiern. Mit Ausnahme der publizistischen Medien ist es in der UdSSR in der Zeit der wildesten Reaktion, die im Augenblick ihren Hoehepunkt erreicht hat, ebenso gewesen." - Im naechsten Absatz verwaren sich beide Autoren gegen eine Gleichstellung von Faschismus und Kommunismus. Herr Korfmacher und andere Kritiker des Centraltheaters bitte ich diese Zeilen von Breton und Riviera zur Kenntnis zu nehmen. Auch unter der neoliberalen Agenda sind wir unseren Kuenstlerinnen und Kuenstlern schuldig, dass wir sie ernst nehmen.
Presseschau Hartmann-Bilanz: laufend gesendet
Ja, Inga könnte sich manchmal etwas zurücknehmen. Es ist nicht alles "gut" was sie schreibt. Sie ist betont "kritisch", aber das passt für Nachtkritik, sonst würde Inga auch nicht laufend gesendet.
Presseschau Hartmann-Bilanz: konstruktiv
Inga ist in ihrem nervigen "kritisch"-sein immer noch konstruktiver als so mancher Kulturdefätist. Was haben Begriffe wie Freiheit und Norm überhaupt noch für einen Wert? - da hat sie doch gar nicht so unrecht

(Sehr geehrter Gast, genau solche Fragen treiben die Diskussion dann wieder auf abstrakte Höhen. Ist es nicht produktiver hier konkret über die Leistungen des Centraltheaters und die Rezeption etwa in der LVZ zu diskutieren, statt über "Freiheit" und "Norm" im Allgemeinen? Mit freundlichen Grüßen, Christian Rakow / Redaktion)
Presseschau Hartmann-Bilanz: draußen wär's Betrug
@ Klaus: ICH bin "unseren Künstlern" gar nichts "schuldig". Sie dagegen, Sie unterwerfen sich hier Ihrem offenbaren Götzen "Centraltheater", schon aufgefallen?

Carl Hegemann ist übrigens - schauen Sie doch das nächste Mal bitte selbst bei Wikipedia oder anderswo im Internet nach - Professor für Dramaturgie an der Hochschule für Musik und Theater "Felix Mendelssohn Bartholdy" in Leipzig und seit der Spielzeit 2011/2012 Dramaturg am Thalia Theater Hamburg. Na, dass Sie das nicht wussten, wo Sie doch soviel über Leipzig - oder doch nur das Centraltheater? - wissen.

(...)

Und zum Schluss ein zweites Zitat von Hegemann, zum selben Thema: "Praktiken der Kunst im außerästhetischen Bereich zu etablieren aber ist - wie Schiller sagt - keine Kunst, sondern 'Betrug'." Und dann schreibt er noch, dass solche Dinge unter das Strafgesetzbuch fallen würden.
Presseschau Hartmann-Bilanz: sachliche Beiträge
# Inga
Leipziger hat irgendwie recht. Sie argumentieren nicht sachlich kritisch, wenn es um Sebastian Hartmann geht. Sie beschimpfen und beleidigen ihn einfach nur, weil seine Art von Theater nicht Ihren Vorstellungen entspricht.
In verschiedenen Medien (zuletzt z.B. Spiegel, Theater heute) gibt es eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Künstler Sebastian Hartmann. Das sollten Sie mal lesen und ihre eigene Wortwahl überdenken.
Presseschau Hartmann-Bilanz: Link
Schütte hat vor kurzem zu Hartmanns Theater alles gesagt: (...) http://www.neues-deutschland.de/artikel/809384.hae.html). Und dem ist nichts hinzuzufügen.
Presseschau Hartmann-Bilanz: gegen selbstverschuldete Unmündigkeit
@15: Liebe Inga, mein Goetze, wenn Sie das so nennen wollen, ist meine Enkeltochter, nicht das Centraltheater, wie gesagt, so oft gehe ich da nicht hin. Herr Hegemann, gemaess Ihrer Zitatanreihungen, scheint da einen engen Begriff von "ausseraesthetisch" zu haben. Wuerden wir Ihm folgen, kaemen Kulturlandschaften wie die musealisierte Bergbaukultur im Suedraum von Leipzig, aber auch Denkmaeler wie das der Voelkerschlacht, gar nicht in Betracht. Dass beide Beispiele unter Kultur gefasst werden, zeigen die Subventionen, die fuer ihren Erhalt, ja selbst fuer das Reenactment in diesem Jahr (250.000 Besucher werden erwartet)bereitgestellt werden. nehmen Sie "Krieg und Frieden", eine auf wesentliche zwischenmenschliche Situationen gestauchte Fassung des Textes, die auf Pathos verzichtet, die der sowjetische Monumentalfilm damals noch nahe legte, die inszenierung steht doch in einem kontrast zum Voelkerschlachtdenkmal. Aesthetik ist doch alles, was unsere sinnliche Wahrnehmung umfasst. Und spaetesten seit der "Deutschen Ideologie" ist in diese Debatte die Bemerkung von Marx eingeflossen: was den Menschen vom Tier unterscheidet, ist nicht, dass er denken kann, sondern dass er seine lebensmittel selbst herstellt. D.h. unsere sinnlich wahrnehmbare Welt wurde von uns selbst gestaltet. Theater sehe ich hier als Konfrontation mit dieser selbstverschuldeten Unmuendigkeit. Theaterkunst ist da Kontextgebunden und fuer Leipzig war das prima.
Presseschau Hartmann-Bilanz: aufrüttelnd, aber zu kurz
Sicher sind nicht alle Träume von Sebastian Hartmann aufgegangen, die er zum Start im Jahr 2008 hatte. Aber er hat Leipzig gezeigt, was und wie Theater auch sein kann. Nicht nur schön bebilderte Texte. Zum Theater gehören Emotionen, Nachdenken, Verstörungen.
Früher ist der Zuschauer aus einem Shakespeare-Drama gegangen und hat gesagt: „Das war aber schön.“ Selbst wen es in dem Stück um Mord und Intrigen ging. Nur nicht aufregen und am besten ohne Nachwirkungen gut gelaunt nach Hause gehen. Traurig dabei ist aber, dass es ein Teil der Leipziger und die LVZ „ihr“ Theater so haben will.
Sebastian Hartmanns Zeit als Intendant ist eigentlich zu kurz um Leipzig richtig aufzurütteln.
Aber er hatte es einfach zu schwer gehabt, wenn er den Kulturbürgermeister (Faber), die einzige Tageszeitung LVZ und noch eine paar selbsternannte Gralshüter gegen sich hat.
Presseschau Hartmann-Bilanz: schwarzer Montag garantiert
Ach, wie amüsant, die LVZ! Nun ja, da wird Herr Korfmacher am Monatg einen schwarzen Tag haben, wenn Hartmann, wovon auszugehen ist, alles andere wäre vollkommen unverständlich, für "Krieg und Frieden" seine erste Theatertreffen-Einladung bekommt. Ansonstenhaben einige Foristen sicher recht, der Provinzialismus des LVZ-Kulturressorts ist sicher nicht repräsentativ für das heutige Leipzig. Aber gut, unter Lübbe werden sie viel zu loben haben, es wird sicher viel altes Publikum zurückkommen und viel von dem war Hartmann gewponnen hat, ja, das auch!, wird wieder dem Theater den Rücken zuwenden. Eigentlich schade.
Presseschau Hartmann-Bilanz: kein Lob aus der falschen Ecke
@17: oh ja! schütte und "neues deutschland": inbegriff des seriösen, kompetenten, überparteilichen kulturjournalismus! wenn aus der ecke lob käme, dann hätte hartmann in der tat was falsch gemacht und er müsste sich und seine arbeit wirklich massiv hinterfragen!
Presseschau Hartmann-Bilanz: Frauenperspektive
@ Andreas aus Leipzig: Aus meiner Perspektive argumentiere ich sachlich-kritisch. Und ich habe auch nichts gegen Hartmann oder seine Inszenierungen. Ebenso bin ich keine SED-Nostalgikerin (...). Ich habe auch bereits einiges über Sebastian Hartmann gelesen. Und was ich - aus Ihrer Herrensicht - lesen sollte, das überlassen Sie bitte auch weiterhin mir. Ich soll meine Wortwahl überdenken? Vielleicht sollten auch Sie mal Ihre Wortwahl überdenken. Mir gefällt Ihr herablassender Diskussionsstil nicht.

U.a. Hartmanns Inszenierung von Thomas Manns "Der Zauberberg" klang beispielsweise sehr interessant auf mich. Aber auch darauf, auf dieses gleichsam "schwule Thema", gibt es eine Frauenperspektive, meine - über Peter Weiss angeeignete - Perspektive:

"Gegen Ende des Romans finden sich der junge und der alte Liebhaber zusammen in der Verurteilung des Objekts ihrer Liebe, im eignen Versagen ihre männliche Dominanz dennoch aufrechterhaltend, schreiben sie der Frau zu, was sie gemeinsam ausgebrütet haben, dass sie sich als reaktives Geschöpf, ohne Initiative, eben nur als Objekt empfinde und sich, durch weibliche Bestechlichkeit, der primären Wahl des Mannes überlasse."

Ich liebe Männer, aber Intrigen solcher Art verletzen mich. Schön deshalb diese Bühne aus Styroporschnee im "Zauberberg". Ich zitiere dazu Alexander Kluge:

"Infolge einer Verwechslung wird Caspar David Friedrichs Bild 'Das Eismeer' auch als 'Die gescheiterte Hoffnung' bezeichnet. Kann Hoffnung scheitern? Ähnlich vielseitig wie unser Verhältnis zur Kälte ist unsere Beziehung zur Hoffnung. Für Menschen kann es, solange sie leben, keinen Nullpunkt der Hoffnung geben. In der Nähe ihres Kältetodes wird die Hoffnung feurig."
Presseschau Hartmann-Bilanz: nicht nur Oberfläche
@ Klaus: Kunst ist etwas anderes als Kultur. Diese Begriffe sollten Sie schon unterscheiden, um Hegemanns Zitat verstehen zu können. Jedenfalls verstehe ich das so. Ihre Kartoffeln dürfen Sie trotzdem auch weiterhin im erweiterten Kunstbegriff anbauen.

Ästhetik ist noch einmal etwas anderes. Dieser Begriff meint erstmal nur sinnliche Wahrnehmung. Aber deswegen ist noch lange nicht alles, was Sie wahrnehmen können, gleich Kunst. Oder Sie müssten in der Konsequenz auch den Einsturz der Twin Towers, zum Beispiel, als Kunst wahrnehmen. Nur leider sind dabei auch ein paar Menschen ums Leben gekommen. Es ist eben nicht alles nur mediale Oberfläche. Denn Sie haben auch eine Verantwortung für Ihre Wahrnehmung.
Presseschau Hartmann-Bilanz: haben Sie Schütt verstanden, hä?
@ 18
Lieber Klaus, das haben Sie wunderbar formuliert. Besser und treffender geht es meiner Meinung nach nicht. Und an A. und B., der Mann heißt Schütt, und ich meine, Sie haben ihn nicht ganz verstanden, Hä?
Hier ein Auszug: "Weg mit Masken! Weg mit Puder über allen Wahrheiten! Weg mit Respekt! Leute, glotzt nicht so ergeben auf euren ehrpussligen Kulturbegriff! So ruft Hartmann mit verzweifeltem Radikalismus. Er zeigt, wie wir in der Wollust und in diversen Panikzuständen auf unsere Ursprünge zurückgeworfen werden. Die uns kenntlich machen als Irrende. Hä?, fragt Faust in Richtung Himmel, es ist der Blick in eine weit oben installierte Kamera, die uns das fragende Gesicht zurückwirft. Immer wieder dieser erschreckt-erstaunte Laut des Nichtbegreifens: Hä?"(ND vom 09.01.2013)
Presseschau Hartmann-Bilanz: kein Epigone
Ich habe leider nur 2 Inszenierungen von Sebastian Hartmann gesehen:
Den Trinker am Gorki-Theater Berlin
Krieg und Frieden in Leipzig.

Ich verstehe das Bedauern der Leipziger, dass sie an ihrem Schauspielhaus stilistisch mehr oder weniger nur 1 Handschrift haben. Ich finde, ein Intendant in einer Stadt mit nur 1 großen Theater sollte hier für eine größere Bandbreite an experimentellen und traditionelleren Stilen bzw. Aufführungen anbieten und glaube, dass das auch für die Flexibilität eines Ensembles, eines Theaters gut ist. Ivan Nagel hat das 1972-79 am Hamburger Schauspielhaus ideal hingekriegt: Zadek neben Noelte, Savary (in großen Zeit) neben Giesing, Minks neben Strehler...

Das ist das Eine.
Das Andere ist:

Hartmann steht sicher in der Castorfschen Volksbühnen Tradition, aber ist kein Epigone, sondern fügt diesem Stil zumindest mit Trinker und Krieg und Frieden ein ganz eigenes Kapitel hinzu.

Der Trinker ist sicher eine Zumutung. Aber das Thema ist auch eine. Das kann man nicht nett haben. Hartmann zeigt mit Finzi, wie ein Mensch erst aus der bürgerlichen Gesellschaft fällt und dann völlig den Boden unter den Füßen verliert. In diesen Strudel zieht uns Hartmann mit stilistisch sicher der Volksbühne zuzuordnen, innerhalb dieses Rahmens aber neuen Mitteln herein.

Krieg und Frieden ist einfach qua Ausdehnung schon eine Leistung. Sicher wird man über das eine oder andere diskutieren können. Aber das Haus ist an diesem Stoff NICHT gescheitert und hat einfach atemberaubende Lösungen gefunden, die jede Diskussion über den Abend zu einem Diskurs macht, der uns tief in den Roman und seine Themen hineinführt und verstrickt.

Ich finde, dafür könnte auch ein Herr Korfmacher dankbar sein und einfach differenzieren. Und Kulturpolitiker sollten daraus die Lehre ziehen, Intendanten nach dem Modell Ivan Nagel zu küren, statt Regisseure zu Intendanten zu machen.
Presseschau Hartmann-Bilanz: schwierige Grenzziehung
@ Inga

Inga, in Neumünster lebt beispielsweise ein Mann, der sich in den Jahren seines wohl wohlverdienten Ruhestands auf die Spur(en) des Meisterdetektivs Sherlock Holmes gemacht hat und nun nach außen hin tatsächlich als "Sherlock Holmes" auftritt. Das mag ja ein schräges Hobby sein, aber der Mann ist somit noch lange kein Betrüger; was Sie da vom Zitat zitieren (schon Hegemann zitiert Schiller), trifft beispielsweise auf ihn garnicht zu. Gewaltmonopole über das Künstlerische im Leben, man müßte beinahe in Ihrem Slang fragen: "Gehts noch ?" Gerade weil da die Grenzziehung immer wieder schwierig ist, wenn überhaupt möglich, und nicht immer ohne Reiz ist,
Karneval läßt auch ein wenig grüßen, nochmals, sind doch SIGNA-Sachen wie die "Hundsprozesse" so interessant im Grunde ! Und "Umdreharbeiten" scheint das ja auch in Frage zu stellen, genauso ging es beim Laberenz-Abend, auf den Sie so gerne herumreiten und den Sie hier strapazieren, als stünde er für die gesamte Centraltheaterzeit. Leider höre ich jetzt gerade zu "Umdreharbeiten" nichts, obschon der Thread ganz überraschend aus dem Boden schießt, muß ich sagen; den Artikel gibt es ja schon ne Weile..
Presseschau Hartmann-Bilanz: Beuys-Link
@ Stefan: Und wenn alles weg ist? Ja genau. Alles hier handelte von gar nichts. Schon verstanden. Aber: Wenn alles zerstört ist, dann wäre die logische Konsequenz ja wohl Neugestaltung, oder? Hartmann aber haut immer nur weiter drauf, so jedenfalls mein Eindruck. Liebt er eigentlich die Demütigung, liebt er es, sogenannte Opfer schwach zu halten, wie in dieser "Faust"-Szene mit der masturbierenden Frau? Oder ist das im Gegenteil eine Form der Kritik am instrumentalisierenden Umgang mit unseren Nebenmenschen?

Anders gefragt: Akzeptiert Hartmann die Gleichberechtigung JEDER Meinung zu seiner Kunst? Beuys hat dazu schonmal Interessantes formuliert, im Rahmen einer Talkshow, welche man beinahe schon wieder mit Satire verwechseln könnte, vor allem da, wo es um das Thema der individuellen Freiheit des Künstlers geht:
http://www.youtube.com/watch?v=SXPoAaBTPy8
Presseschau Hartmann-Bilanz: Performance vs. Schauspiel
@ Arkadij Zarthäuser: Sie werfen mal wieder alles in einen Topf. Was hat Ihr "Sherlock Holmes" mit SIGNAS "Hundsprozessen", was haben diese mit Hartmann zu tun? Das sind doch wirklich einfach mal zwei völlig unterschiedliche Ästhetiken bzw. Kunstformen. SIGNA ist Performance, Hartmann ist - bei aller Befragung der Rolle des Schauspielers - doch immer noch Schauspiel.
Presseschau Hartmann-Bilanz: ohne Worte
der stumme faust war nur geklaut von "faust ohne worte" von tom quaas in dresden. siehe: http://www.staatsschauspiel-dresden.de/home/faust_ohne_worte/

(Werter "pudels kern", lädt der Fakt, dass ein Pantomimen-Theater den "Faust" schon einmal ohne Worte in Sachsen aufführte, zur Verwendung des Kampfbegriffs "klauen" ein? Oder ist Ihr Beitrag ironisch aufzufassen? Mit freundlichen Grüßen, Christian Rakow / Redaktion)
Presseschau Hartmann-Bilanz: Immer angreifbar geblieben
es ist hartmann gelungen, sein theater einer kritischen befragung auszusetzen. anders als bei karin beier, der attestiert wird, dass ihre arbeit bereits in ihrem zweiten koelner jahr kuenstlerisch nicht mehr angreifbar gewesen sei, war die arbeit hartmanns zu jeder zeit angriffen ausgesetzt. diese angriffe sind zeugnis einer lebendigen theaterarbeit.
Presseschau Hartmann-Bilanz: Bau der Arena
http://www.bild.de/regional/leipzig/theater/hartmann-baut-arena-ins-centralrheater-29284166.bild.html

BILD 27.02.2013

(Sehr geehrte/r Nutzer,
bitte beachten Sie, dass Sie keine urheberrechtlich geschützten Texte in voller Länge kopieren dürfen.
Die Redaktion)
Presseschau Hartmann-Bilanz: Herausforderung Arena
http://www.lvz-online.de/kultur/news/hartmanns-abschied-leipziger-festspiele-im-centraltheater/r-news-a-176778.html

(dito.
Die Redaktion)
Presseschau Hartmann: den Laden kaputt schlagen
es den spießern zeigen, den laden kaputt schlagen und jedes glas, vor allem bis zur letzten minute das tun, weswegen man gerufen wurde: es zu versuchen. klasse!
Presseschau Hartmanns Bilanz: gute Wünsche
@ 30
Vollkommen richtig, finde ich; Hartmanns Theater ist bis auf den heutigen Tag hin angreifbar geblieben und daran wird die Trilogie zu Dostojewskij, Tschechow und Tarkowskij (ich hoffe, daß bis zum Juni so einige Leute die "Versiegelte Zeit" Tarkowskijs gelesen haben werden) gewiß nichts ändern. Schön, daß nachtkritik de. den heutigen ersten Teil bespricht ("Traum eines lächerlichen Menschen"), schade (aber wohl den Kapazitäten geschuldet), daß für den zweiten Teil ("Angst" nach Tschechow am 22.3.) keine Kritikerin, kein Kritiker vorgesehen ist, obschon es angesichts der Tschechowpremiere von Castorf 5 Tage darauf auch eine spezielle Spannung gegeben hätte. Dem Spieler der heutigen Sache (eine Fortsetzung der Arbeit Hartmanns mit den Leipziger Schauspielschülern ) toi, toi, toi !.
Presseschau Hartmann-Bilanz: Kosten der Arena
@31 Zu den Kosten der Leipziger Festspielarena hat sich das Centraltheater heute in einem Brief an die Presse geäußert:

"In Reaktion auf die spekulative Berichterstattung und die davon ausgelöste Debatte in Politik und Öffentlichkeit informieren wir über die Herstellungskosten der Leipziger Festspielarena.

Die Produktionskosten der Leipziger Festspielarena belaufen sich ohne Berücksichtigung der Leistungen der Opernwerkstätten auf insgesamt lediglich T€ 160 und beinhalten bereits die Aufwendungen für den notwendigen Ausbau der Saalbestuhlung.

Die bei den Opernwerkstätten für die Herstellung der Festspielarena in Anspruch genommenen Werkstattkapazitäten entsprechen nur 28 % des vertraglich vereinbarten jährlichen Gesamtvolumens von 22.800 Arbeitsstunden, welches vom Schauspiel Leipzig ohnehin abgerufen und vergütet werden muss.

Aufgrund des deutlich geringeren Bedarfs an Werkstattkapazitäten für die Herstellung und den Betrieb der Leipziger Festspielarena wurden im ersten Halbjahr 2013 Werkstattkapazitäten frei. Diese konnten in Zusammenarbeit mit der Oper Leipzig teilweise an die Bayreuther Festspiele verkauft werden. Die daraus resultierenden außerordentlichen Einnahmen belaufen sich für das Schauspiel Leipzig auf ca. T€ 95 und reduzieren die Herstellungskosten der Festspielarena in gleicher Höhe auf nunmehr lediglich T€ 65.

Die Intendanz von Sebastian Hartmann wird nach fünf Spielzeiten insgesamt mit einem positiven wirtschaftlichen Gesamtergebnis abschließen."
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