Presseschau vom 23. August 2013 - die israelische Zeitung Haaretz trifft Katharina Wagner
"She got up and left"
23. August 2013. Die israelische Journalistin Dalia Shehori hat für die Tageszeitung Haaretz (22.8.2013) die Bayreuther Festspiele besucht. Sie berichtet von einer sehr kurzen, aber umso seltsameren Begegnung mit der Festspiel-Leiterin Katharina Wagner: "I had a strange encounter with Katharina Wagner. I requested and received a half hour meeting with her. The festival's press bureau made it clear that Wagner was not giving interviews at the moment, so it was not an interview."
Katharina Wagner verspätete sich, und Dalia Shehori kam gleich zur Sache: "I told her that because we had very little time left, I would get straight to the questions that interest Israelis. She nodded yes. Referring to the German performance artist accused of making Nazi salutes, I said, 'I wanted to ask you about Jonathan Meese...' – and she got up and left." (wb)
Wir halten Sie auf dem Laufenden
Wir sichten täglich, was in Zeitungen, Onlinemedien, Pressemitteilungen und auf Social Media zum Theater erscheint, wählen aus, recherchieren nach und fassen zusammen. Unterstützen Sie unsere Arbeit mit Ihrem finanziellen Beitrag.
Dagegen fällt die Beurteilung von Castorfs Ring als „zusammenhanglos und anmaßend“ noch recht schmeichelhaft aus. Lustig hier nur der Verschreibsler „…director of the Volksbruhne“ (wer Bösen dabei denkt). Frau Shehori hatte wohl tatsächlich erwartet, es würden noch blonde Recken, Walküren, finstere Riesen und Zwerge die Bühne bevölkern, oder wenigsten ein paar Stahlhelme und Panzer auftauchen. Beim Beurteilen des Ost-West-Konflikts und der Kapitalismuskritik ist man in Israel vermutlich noch nicht angekommen, wie in Bayreuth ja selbst auch. Das Ganze ist letztendlich in dieser verkürzten Form keine Meldung wert. Noch dazu, wo man in Bayreuth nach wie vor einem abgehoben elitären Schauspiel für Besserverdienende und Politpromis frönt, was den Rest der Republik nur in den bunten Blättern interessiert. Künstlerisch ist Bayreuth out, außer es gibt einen Skandal zu vermelden.
Bayreuth zu modernisieren, scheint schlichtweg unmöglich. Dabei stehen sich die Wagners und ihre Wagnerianer gegenseitig im Weg. Marthaler und Gloger sind zu brav, Baumgarten und Castorf werden weggebuht. Jetzt haben die Wagner-Sisters endlich jemanden gefunden, der Wagner bedingungslos dienen will und noch dazu den rechten Arm nicht unten behalten kann. Was für eine radikale Frischzellenkur für das verschnarchte Bayreuth. Aber wen will Frau Shehori in Israel damit wirklich noch Schocken? Hat doch die Haaretz Meese nach dessen Auftritt in Tel Aviv selbst schon als Clown und berechnenden Geschäftsmann bezeichnet. Ja als was denn eigentlich nun? „Der Standard-Israeli wüsste nicht, wie er so eine Arbeit verdauen soll“ stand darüber in einem Beitrag des Freitags. Ja was ist denn bitte heute ein Standard-Israeli, und geht es manchem Deutschen nicht ganz ähnlich. Sogar deutsche Gerichte bekommen das in den falschen Hals. Meese verunsichert und spaltet. Das tun radikale Kunst oder Gebaren immer. Warum die linksliberalen Intellektuellen in Israel dazu keine entspanntere Haltung entwickeln können, wo sie in Fragen Palästina kaum noch Berührungsängste zu haben scheinen, ist auch mit der Schlagzeile: „Don't mention the Nazis“ nicht mehr zu rechtfertigen. Die Nazis in Bayreuth, wie auch das ganze Drumherum, sind tatsächlich nicht mehr erwähnenswert.
"es ging - wie immer - um den aktuellen Stand der Vergangenheitsbewältigung der Wagners auf dem grünen Hügel. "
Das finde ich einen sehr interessanten Diskussions-Gegenstand.
Meines Erachtens ist die Vergangenheit der Wagners auf dem grünen Hügel nicht zu bewältigen, weil Richard Wagner der einzige bekennende Antisemit ist, dessen Propaganda weltweit mit staatlicherseits subventioniert wird.
Und das ist - leider! - auch richtig so, weil sein Werk künstlerisch von überwältigender Größe ist. Aus diesem Dilemma kommen wir, glaube ich, nicht raus. Oder?
Es gibt eine lange Diskussion, ob Wagners Werk das Sprachrohr seiner Weltanschauung ist oder frei von ihr. Diese Diskussion wäre bei jedem anderen Künstler absurd. Was drückt er anderes aus, als seine Meinung? Nur Wagner ist ein Einzelfall.
Insofern bin ich sehr für das Engagement von Meese und hoffe, dass er richtig auf die Pauke haut. Damit niemand mehr leugnen kann, dass wir einen richtigen Präfaschisten lieben.
Dann erledigt sich eine Popkultur Marionette wie Meese und der grünbraune Hügel von selbst.
Wie haben nur all die Eroberer es vor Wagner so trefflich hinbekommen ??