Presseschau vom 7. November 2013 - Die Zeit fordert das Theater zur Revolution auf
"So gefangen wie SED-Größen"
7. November 2013. "Wer etwas über die Zukunft des deutschen Theaters erfahren will, muss in die Vergangenheit reisen", schreibt Martin Eich in der Zeit (7.11.2013). Und müsse sich dafür interessieren, wie "das ostdeutsche Theater zum Schrittmacher des Umbruchs wurde. Denn so war es: Bühnen waren zu Katalysatoren geworden. Der Emanzipation und Demokratisierung der Gesellschaft ging die des Theaters voraus."
Wie genau das funktioniert, dafür interessiert sich Eich im folgenden nicht allzu sehr. Er plaudert stattdessen sehr ausführlich aus dem Nähkästchen über mittlerweile öffentliche russische Geheimdienst-Dokumente, die vor allem Auskunft über Theatralik politischer Prozesse geben.
Es folgen dann doch noch drei Beispiele politischer Prozesse auf dem Theater aus der DDR-Spätzeit (Ulrich Mühe als Narr Lancelot im Kaufmann von Venedig, 1985; Verbrennung des "Neuen Deutschland" während einer Aufführung von Heiner Müller Wolokolamsker Chaussee; Sewan Latchinian spielt im Rahmen der Castorf-Inszenierung "Paris, Paris" auf das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens an) – und die These: "Von den einstigen Zentren der Bühnenrevolution existieren nur noch wenige."
Mit der Wiedervereinigung sei nicht nur für die DDR das Ende gekommen, sondern auch für deren Theaterlandschaft. "Sparten wurden gestrichen, Häuser geschlossen." Außerdem und wohl vor allem meint Martin Eich: "Viele Intendanten und Regisseure wirken in ihren Inszenierungen und Karrierewegen so gefangen wie die SED-Größen." Manche Theater, die überdauert hätten, delegitimierten sich selbst. "Auch das Deutsche Theater in Berlin, wo früher eine Phalanx der Aufrechten auf der Bühne stand und heute Gregor Gysi zu Talkshows lädt."
Das Theater müsse, so Eichs Fazit, "aus der Vergangenheit lernen." Heute kündige sich erneut ein Machtvakuum an, weil der Widerspruch fehle. "Bald wird einer demoralisierten Opposition im Bundestag eine übermächtige Regierung gegenüberstehen." Das Theater könne dann, wie 1989/90, Relevanz zurückgewinnen. "Als Bühne gesellschaftlicher Gegenentwürfe, als Korrektiv, als Ort der Utopien. Von Tracy Chapman stammt die Losung der nächsten Jahre. Talking about a Revolution."
(sd)
Wir halten Sie auf dem Laufenden
Wir sichten täglich, was in Zeitungen, Onlinemedien, Pressemitteilungen und auf Social Media zum Theater erscheint, wählen aus, recherchieren nach und fassen zusammen. Unterstützen Sie unsere Arbeit mit Ihrem finanziellen Beitrag.
die neue bühne senftenberg mit sewan latchinian ist sicherlich alle mal wert , hoffnung zu machen.
aber die entscheidende frage ist sicher, wie die großstadtbühnen sich vorwagen in diese wünschenswerte richtung der veränderung...