Kollateralschaden: Mittelmaß

6. Dezember 2013. "Wenn es der deutschsprachigen Gegenwartsdramatik an irgendetwas nicht fehlt, sind es Subventionen", schreibt Peter Laudenbach im Wirtschaftsmagazin brandeins. Auf den ersten 20 Plätzen sowohl der meistinszenierten wie auch der meistbesuchten Schauspiele suche man allerdings vergeblich nach Aufführungen der Gegenwartsdramatik.

Laudenbach erinnert an die Größen der Nachkriegsdramatik, allesamt Tantiemenmillionäre. Das Überangebot an Stipendien und Preisen habe Laudenbach zufolge einen fatalen Anreiz geschaffen: "Der Möchtegern-Dramatiker wurde zum Trendberuf." Kollateralschaden des Fördersystems: eine Überproduktion von Mittelmaß. "Das sorgt nicht nur dafür, dass sich das Publikumsinteresse in Grenzen hält, sondern auch dafür, dass es den wenigen wirklichen Talenten auf dem verstopften Markt schwerer fällt, durchzudringen. Max Frisch oder Thomas Bernhard konnten auch deshalb bestens von ihren Tantiemen leben, weil ihre Stücke auf vielen Bühnen nachgespielt wurden. Heute blockieren die Uraufführungen unzähliger Halbtalente diese Möglichkeit."

(geka)

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Presseschau Überförderung: kaum mehr als Branchen-Relevanz
Der "Möchtegern-Dramatiker" respektive "Möchtegern-Autor" war immer schon ein Trendberuf, bei dem das Scheitern die Regel und der Erfolg die Ausnahme war. Was sich geändert hat, sind Strukturen und die Rolle des Theaters in der Gesellschaft. Selbst den erfolgreicheren Theaterautoren wächst heute kaum mehr als Branchen-Prominenz zu, weil das Theater keinerlei Themen mehr aus sich heraus setzen könnte, wie das in den 60er Jahren noch möglich war. Da konnte Peter Weiss noch aus dem deutschen Theater heraus eine Art Weltkarriere starten. Die Brisanz des Theater als Ort des Öffentlichmachens von Gegenpositionen ist in den 70er Jahren erloschen. Die enorme Expansion der Fernsehangebote war dann der Sargnagel. Jetzt ist Theater ein Sonderzweig des Entertainments, aber niemand muss mehr irgendetwas anschauen, um mitreden zu können und kulturell uptodate zu sein. Ob die Szene der Theaterautoren "überdüngt" ist, weiß ich nicht. Genauso gut ist möglich, dass die Theater keine eigenen Kriterien mehr verfügen, über die Qualität von Stücken zu entscheiden, und so vorherrschend auf der Suche nach gewissen Entertainment-Qualitäten in den Stücken sind, die aber von der Mehrheit der Schreiber selbst gar nicht bedient werden wollen. Lutz Hübner als Gegenpol ist ja wohl so ein Autor, der dem Theater gibt, was das Theater im Wettbewerb mit Film, Fernsehen und den Bühnenshows der Popmusik noch helfen kann. Von Misserfolg auf Qualität zu schließen und von Erfolg auf Qualität, dieser Wahnsinn ist, wenn ich mich nicht irre, in dieser Rabiatheit eine Neuerung des 21. Jahrhunderts. Dieses Ideologem der Kultur-Industrie nistet sich nach meiner Beobachtung immer mehr in viele kulturelle Bereiche ein und steht für den zunehmenden Komplettausfall ganzer Kritikbranchen, namentlich in der sog. Bildenden Kunst und in der Architektur. Im Endausbau dieses Mega-Trends machen wir dann alle vor dem, was gerade der schlechte Geschmack für besonders gut, wahr und schön erklärt, noch einen Knicks und huldigen der Scheiße. Das Theater war und ist immer der Ort gewesen, der sich gegen diese Quotenfetischisierung sperriger verhielt. Wollen wir mal hoffen, dass dies so bleibt, auch wenn so ein Ökonomenblatt logischerweise nicht anders denken kann als ökonomisch und den Misserfolg zur Schande für das ganze System erklärt.
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