Der Tag, als Buddy Bolden verschwand

von Janny Fuchs

Dresden, 12. Januar 2008. Die Geschichte der Musik umweht ein Hauch von Mystik und der Singsang ewiger Geschmacksfragen, welche sie in der Vergangenheit geprägt haben und die auch weiterhin für Aufsätze, Filme und Theaterstücke sorgen. Ganz vorn steht hier die Auseinandersetzung mit Jazz und Blues, die sich bei zivilisierten und kultivierten Klangnaturen der größten Liebhaberei erfreuen. Die Vorliebe des Intendanten des Staatsschauspiels Dresden Holk Freytag für Jazz dürfte sich im Laufe der Jahre herumgesprochen haben, und so wundert es wenig, dass nach der Einrichtung der "Jazztage" in Dresden nun eine Inszenierung zum Thema folgte.

 

 

Ob Freytag als Regisseur von Michael Ondaatjes "Buddy Boldens Blues" allerdings das erhoffte Denkmal für den Mann gesetzt hat, der als der Erfinder des Jazz gilt, darf bezweifelt werden.

Geburt des Jazz aus dem Geist der Verzweiflung
Und das ist die Geschichte: Als Buddy Bolden, legendärer Kornettist, der sein Geld als Frisör verdient, 1907 nach einem Konzert spurlos verschwindet, macht sich sein alter Freund Webb, der im Polizeidienst tätig ist, auf die Suche nach ihm. Er sucht in Storyville, dem Red-Light-District von New Orleans, die Menschen auf, mit denen Buddy sein Leben teilte: Dessen Ehefrau Nora, Musikerkollegen, eine Unzahl von Prostituierten und den Einzelgänger Bellocq, der mit Vorliebe die Damen der sündigen Etablissements fotografierte und zu dem der Kornettspieler Buddy eine ganz besondere Beziehung unterhielt. Bei einem alten Ehepaar kann Web ihn schließlich aufspüren und zur Rückkehr zu bewegen.

Der Musiker verlässt die eben erst gefundene Liebe seines Lebens, Robin, um sich kurz darauf bei einem großen Musikumzug auf der Canal Street um den Verstand zu spielen, zusammenzubrechen und in eine Nervenheilanstalt eingewiesen zu werden, aus der er bis zu seinem Tod im November 1931 nicht wieder herauskommen würde.

Frisör, Trinker, Musiker
Tom Quaas in der Rolle des Buddy Bolden gibt für diese Inszenierung viel und überzeugt als Schauspieler. Zu Beginn noch wechselnd zwischen den Rollen des außen stehenden Betrachters und des Musikers, der das Frisörgewerbe ebenso satt hat, wie die zu rasierenden Männer, die sich alle stets nach seiner Frau, einer ehemaligen Prostituierten, erkundigen, schlüpft er im Stückverlauf zur Gänze in die Rolle des Buddy - dem Frisör, dem Musiker und Trinker. Dem "Ficker", der keine Frau unangerührt stehen lässt und keine die er gehabt hat vergessen kann. Allerdings kann er die dramaturgische Schwächen und eine gewisse Leidenschaftslosigkeit, welche die gesamte Inszenierung begleitet, nicht wettmachen.

Die übrigen Rollen, seien sie auch gut besetzt, sind in der Inszenierung fast mehr als Beiwerk angelegt. Dem Hauptdarsteller gleichgestellt ist nur die Musik unter der Leitung von Wolfgang Schmidtke, der am Ende der Aufführung mit einem fulminanten Solo auf dem Sopransaxophon aufwartet. Doch bis dahin gilt es zweieinhalb Stunden fast musicalartiges Theater zu schaffen und das ist nicht immer einfach. Die Akteure singen und tanzen zwar, was das Zeug hält, doch meist gelingt es nur über die Musik eine Stimmung zu erschaffen. Es scheint, dass es Holk Freytag mehr um die Musik, als um die tragische Geschichte Buddy Boldens geht.

Beeindruckende Bilder ohne Leidenschaft
Dabei liefert die Inszenierung durchaus starke und beeindruckende Bilder, was auch dem ausgeklügelten und ästhetisch sehr ansprechenden Bühnenbild von Mayke Hegger zu verdanken ist. Hinter einem dreigeteilten Dielenfußboden ragt das rotbraune Podest der Musiker auf, die vor einer überdimensionalen Streifentapete sitzen. Ein beleuchteter, beweglicher Tresen, bietet neben den versenkbaren Elementen wie dem Frisierstuhl Boldens, immer wieder überzeugende Räume für Hochzeit, Ehebruch, Komposition und Wahn.

Aber diesem Abend fehlt viel. Eine spannende Geschichte und großartige Musik schaffen es nicht, die Diskrepanz zwischen historischer Wirklichkeit und Ondaatjes Text zu überbrücken, der darin Fakten und Visionen zu einer Homage an den Blues und seinen mythischen Pionier verschmolz. So wenig auch über Buddy Bolden bekannt sein mag, von dem keine einzige Musikaufnahme und nur ein einziges Foto überliefert ist: für das Lebensgefühl seiner Zeit war er symptomatisch und sein Bedeutung für den Jazz kann durch seine verbürgte Einflussnahme auf spätere Künstler bis heute nachgeprüft werden. Vielleicht sollte hier aber nur einfach der Beweis für die Unerklärbarkeit des Genialischen, einen sich selbst vernichtenden Lebenswandel angetreten werden, von dem, bei aller Bewunderung für die akustischen Produktionen dieses Abends, aber kein echter Eindruck entstand.

 

Buddy Boldens Blues
von Michael Ondaatje, deutsch von Adelheid Dormhagen
Inszenierung: Holk Freytag, Musikalische Leitung: Wolfgang Schmidtke, Bühne: Mayke Hegger, Kostüme: Michaela Barth, Choreografie: Ignacio Martinez, mit Tom Quaas, Minna Wündrich, Günter Kurze, Evamaria Salcher, Martin Klempnow, Marianna Linden, Viktor Tremmel, Lars Jung, Regina Jeske, Miguel Abrantes Ostrowski, Franziska Beyer, Katja Marie Luxembourg, Tristan Seith und der Komparserie des Staatsschauspiels.

www.staatsschauspiel-dresden.de

 

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