Garant für Lebensqualität

19. Februar 2014. Im Berliner Tagesspiegel fasst Frederik Hanssen die prekäre Situation der Bühnen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern zusammen (unsere Positionen zu Mecklenburg-Vorpommern finden sie hier, zu Sachsen-Anhalt hier und hier), um dann weiter auszuholen. Rein rechnerisch lasse sich die Argumentation der Kulturminister in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern durchaus nachvollziehen: "Wenn bald nur noch zwei Millionen Menschen in Sachsen-Anhalt leben, muss es dort dann wirklich genauso viele Operntruppen geben wie in Berlin, nämlich drei? Brauchen Städte mit 57 000 Einwohnern wie Stralsund oder gar nur 20 000 Einwohnern wie Neustrelitz wirklich eigene Musiktheatersparten? Die Antwort lautet selbstverständlich: Ja. Weil sie sonst wenig zu bieten haben."

In kleinen Städten sei das Theater oft einer der wichtigsten lokalen Arbeitgeber – immer aber sei es ein Garant für Lebensqualität, ein weicher Standortfaktor, der zuweilen zum Zünglein an der Waage werde: "Schließlich haben gerade die hoch qualifizierten Mitarbeiter auch gehobene Ansprüche in Sachen Freizeitgestaltung."

Hanssen macht einen Vorschlag, den auch wir schon am Horizont dämmern sehen: "Wenn die ein bis zwei Prozent, die aus den Etats der Bundesländer in die Kultur fließen, für die Haushaltskonsolidierung wirklich so bedeutend sind, dann wäre es ein mutiger Schritt, die traditionellen Strukturen gleich ganz zu zerschlagen und eben nur noch eine einzige Landesbühne zu finanzieren." Das aber sei mit den Kommunen nicht zu machen, die wenigstens noch eine Sparte behalten wollen: "Für jede Probe, für jede Aufführung werden also Truppenteile zwischen den bis zu 140 Kilometer voneinander entfernten Städten hin und her kutschiert werden müssen, tausende und abertausende Kilometer pro Saison."

Sein Fazit: "Nachhaltige Kulturförderung sieht anders aus, nicht nur im Hinblick auf die CO2-Bilanz."

(geka)

Kommentare  
Presseschau Theater in Nordost: welche Mitarbeiter?
"Schließlich haben gerade die hoch qualifizierten Mitarbeiter auch gehobene Ansprüche in Sachen Freizeitgestaltung." Mitarbeiter welcher Institutionen, Firmen, Einrichtungen glaubt denn Herr Hansen in Neustrelitz, Eisleben usw. ausfindig machen zu können. Und wenn er welche findet, die gehen doch wohl bei allem Respekt nicht in Neustrelitz ins Opernhäuschen sondern fahren mal kurz nach Berlin...
Presseschau Theater in Nordost: Gesellschaftskrise
Eine aktuelle Ergänzung und ein weiteres Argument dafür, die Theaterkrise endlich im Osten zumindest als Teil einer Gesellschaftskrise zu begreifen: Seit 1992 ist die Zahl sozialversicherungspflichtiger Jobs in den ostdeutschen Bundesländern um 1,2 Millionen gesunken. Statistiken der Bundesagentur zeigen, dass im Sommer 2013 rund 5,5 Millionen Bundesbürger in den neuen Ländern sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren. 21 Jahre davor waren es noch 6,7 Millionen gewesen. Die westdeutschen Bundesländer registrierten im selben Zeitraum ein Plus von 1,1 Millionen.

Für Arbeitnehmer aus Ostdeutschland ist auch der tägliche Weg gen Westen selbstverständlicher als umgekehrt. Knapp 400.000 Bürger, die in den neuen Ländern wohnen, pendeln zur Arbeit in ein westdeutsches Bundesland.
Presseschau Theater in Nordost: Verödung von innen
Es lohnt sich auch ein Blick auf die Besetzungslisten der Häuser zu werfen. So wird man beispielsweise in Mecklenburg Vorpommern feststellen, dass die immer gleichen Personen sich verschiedenfach produzieren. So tritt der Schauspielchef Peter Dehler vom Theater Schwerin nicht nur als Regisseur am eigenen Haus in Erscheinung, sondern in gleicher Position auch für die Störtebeker Festspiele Rügen und zwar mitten in der Spielzeit. Der Schweriner Intendant Kümmritz wird ab der nächsten Spielzeit in der gleichen Position auch in Neubrandenburg und Neustrelitz tätig sein. Er trifft dort auf seinen Intendantenkollegen Bordel, Theater Anklam, der in Neubrandenburg in Personalunion als Schauspieldirektor tätig ist. Schon diese Beispiele zeigen, dass es vor allem die leitenden Mitarbeiter einiger Provinzhäuser im Norden verstehen, sich zu den bestehenden Verträgen ein stattliches Zubrot zu sichern. Mehrfach vergütete Vielfachbeschäftigungen am eigenen Haus als Dramaturg, Regisseur und Autor lassen sich als besonderes Engagement in Zeiten knapper Kassen verkaufen. Tatsächlich werden freie Posten nicht einmal ausgeschrieben. Wenn überhaupt jemand von außen beschäftigt wird, dann zu denkbar unattraktiven Bedingungen. Es herrschen im Grunde oligopolartige Strukturen. Die Häuser veröden von innen. Ihr gefälliges Programm für die so genannte Bevölkerung zeigt auf, dass es auf der Fläche nichts mehr zu verhandeln gibt. Was übrig bleibt sind Filmadaptionen, lustige Musicals, Gesprächsrunden mit so genannten Prominenten und Schaukochen auf der Bühne. Alles Veranstaltungen, die man anderswo in viel besserer Qualität bekommt.
Presseschau Nordosten: Ost und West
Fast 25 Jahre nach der Wiedervereinigung zeigen sich deutliche Vermögensunterschiede zwischen Ost und West. Während Erwachsene in Westdeutschland im Schnitt 94.000 Euro Vermögen besitzen, sind es im Osten nur etwas mehr als 41.000 Euro.

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