Blick in den Moloch

3. März 2014. In einem langen Artikel für die Wochenzeitung "Die Zeit" (20.2.2014) hat sich Thomas Miessgang den Zustand der Vereinigten Bühnen Wien (VBW) angeschaut und kommt zu einer desaströsen Bestandsaufnahme. Die VBW, zu denen die Neue Oper im Theater an der Wien, die Kammeroper, das Raimundtheater und das Ronacher gehören, waren erst jüngst in die Kritik geraten, als ihnen von der Bundeshauptstadt eine auf zwei Jahre befristete Extra-Finanzspritze von 4,9 Millionen zugestanden wurde (während insbesondere die Freie Szene der Hauptstadt mit einer notorischen Unterförderung zu kämpfen habe, wie etwa die IG Freie Theaterarbeit argumentierte, siehe Meldung vom 28. November 2013).

Miessgang beobachtet eine "strukturelle Ideenkrise, an der die Vereinigten Bühnen schon seit vielen Jahren laborieren". Die Kritik nehme aktuelle Arbeiten negativ auf, Eigenproduktionen, die an die kommerziellen Erfolge von "Elisabeth" und "Rebecca" anschließen könnten, seien "nicht in Sicht". Die Sitzplatzauslastung beim Musical "Natürlich Blond" am Ronacher habe zuletzt bei 60 Prozent gelegen. "Was, um Himmels willen, treibt die Stadt Wien dazu, Jahr für Jahr viele Millionen in einen gefräßigen Schlund zu stopfen, der als Gegenleistung nur seichteste Unterhaltungsware ausspuckt?" Immerhin, so Miessgang, "verschlingen" die VBW "mittlerweile gut 18 Prozent der gesamten Wiener Kulturbudgets".

"Tolldreiste Selbstbereicherung"

Mit der ästhetischen Krise und der Publikumskrise verbände sich die "tolldreiste Selbstbereicherung in den VBW" durch das Leitungspersonal. Prämien, Pensionen und Provisionen für das Führungspersonal fielen üppig aus. Hart geht der Journalist mit Thomas Drozda, dem "Generaldirektor des Molochs" VBW, ins Gericht, der in den 1990er Jahren "tief in die sogenannte Euroteam-Affäre verwickelt war, bei der es um die Veruntreuung von Staatsgeldern im Rahmen einer 'Lehrlingsoffensive' ging". Später, als Drozda als kaufmännischer Geschäftsführer am Burgtheater arbeitete, sei es "zu einer dubiosen Vermietung der Burg an die Telekom im Rahmen der Fußball-EM 2008" gekommen, "hinter der illegale Parteienfinanzierung für die SPÖ vermutet wurde. In dieser Sache ermittelt die Staatsanwaltschaft bis heute. Drozda, für den die Unschuldsvermutung gilt, zählt zu den Beschuldigten", so Miessgang.

Ungeachtet dessen sei der Generaldirektor der VBW auch als Präsident des Wiener Bühnenvereins und Stiftungsrat im ORF "eine sozialdemokratische Allzweckwaffe in den Bereichen Medien und Kultur." Durch seine Vernetzung habe er die besagte "befristete Extra-Finanzspritze von 4,9 Millionen Euro für die Vereinigten Bühnen" erwirken können.

Auf den Müllhaufen kommunaler Irrtümer

Allerdings, so deutet Miessgang an, ziehen dunklere Zeiten für die VBW herauf: "Die Mischung aus schwacher Performance, die mit Zahlenspielen schöngerechnet wird, und ungebrochener Verschwendungslust ist mittlerweile explosiv geworden. Selbst in der SPÖ scheren schon einige aus und wollen das Millionengrab zuschütten." Als Einsparplan wird umrissen: "Ronacher verkaufen, die Oper als eigenständige Körperschaft mit einem auf 18 Millionen Euro reduziertem Budget betreiben und das Raimundtheater als Haus für innovative Musicals und experimentelles Musiktheater neu definieren." Fazit: "Damit aber wären die VBW als Bad Bank des Wiener Kulturbetriebes überflüssig und würden endlich dort landen, wo sie hingehören: im Mülleimer kommunaler Irrtümer."

(chr)

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