Ein Jahrhundertschauspieler

München, 16. Mai 2014. Der Schauspieler Rolf Boysen ist im Alter von 94 in München gestorben. Das meldet das Münchner Residenztheater in einer Pressemitteilung. Boysen war seit 2001 Ehrenmitglied des Bayerischen Staatsschauspiels (Residenztheater).

Nach seinem Bühnendebüt 1946 in Dortmund stand der gebürtige Flensburger (Jahrgang 1920) auf den großen Sprechtheaterbühnen im deutschsprachigen Raum, u.a. am Deutschen Schauspielhaus Hamburg (1968 bis 1978). Er war Protagonist in späten Inszenierungen von Fritz Kortner (gemeinsam mit seinem unlängst verstorbenen Bühnenkollegen Thomas Holtzmann).

Protagonist im Theater von Fritz Kortner und Dieter Dorn

Eine jahrzehntelange Arbeitsbeziehung verband Boysen mit dem großen Münchner Regisseur Dieter Dorn, der ihn als Intendant 1978 zunächst an die Kammerspiele und 2001 auch ans Bayerische Staatsschauspiel holte. Unvergessen ist Boysens Verkörperung des "König Lear" (1993), die zum Dauerbrenner an den Kammerspielen avancierte (siehe dazu die Würdigung der Ära Dorn von Gabriella Lorenz). Am Bayerischen Staatsschauspiel gab er im hohen Alter den Shylock in Shakespeares "Der Kaufmann von Venedig" (2001) sowie, an der Seite von Thomas Holtzmann, den Karl in Thomas Bernhards "Der Schein trügt" (2001) .

Klassische Rollen verkörperte Boysen auch im Fernsehen, so die Titelpartien in den Mehrteilern "Michael Kohlhaas" (1967, Regie: Wolf Vollmar) und in Franz Peter Wirths "Wallenstein" (1978). Neben zahlreichen Theater- und Filmpreisen erhielt Boysen 2009 das Große Bundesverdienstkreuz.

(Residenztheater / chr)

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Kommentare  
Rolf Boysen: großartige Kollegialität
Ich hatte in den siebziger Jahren als junger Schauspieler das Glück, mit Rolf Boysen am Hamburger Schauspielhaus auf der Bühne stehen zu dürfen. Er hat mir durch seine großartige Kollegialität viele Dinge, die für diesen Beruf wichtig sind, beigebracht. Ich werde ihn nie vergessen.
Rolf Boysen: Identifikationsfigur
Boysen war auch ein grandioser Sprecher. Er hat mir Werke wie die Ilias von Homer durch seine Aufnahmen erst erschlossen. Das bleibt, zum Glück, während Theaterruhm ja flüchtig ist.

Für München waren Holtzmann und er ganz wichtige Identifikationsfiguren. Heute, da die Ensembles oft sehr jung sind und die Schauspieler oft die Häuser wechseln, fehlt für mich oft die Identität eines Theaters. Wer in München lebte, wurde über Jahre hinweg von Rolf Boysen begleitet.
Rolf Boysen: schöner Nachruf
In der Süddeutschen Zeitung ist heute ein sehr schöner Nachruf auf R. B. von Christine Dössel!
Rolf Boysen: alte Garde
Gewiss und mit Sicherheit ein Schauspieler, den man nicht übersehen konnte.
Er gehörte zur alten Garde.
Rolf Boysen: wahre Garde
Er gehörte nicht zur alten Garde! Er gehörte zur WAHREN Garde!
Rolf Boysen: die, die uns beeindruckten
Er gehörte zur alten (früheren, damaligen) - w a h r e n Garde - meine ich doch, Herr Spitzer!
Das waren diejenigen Schauspieler, die uns in Wahrheit beeindruckt hatten.
Jedenfalls das, was wir früher für Wahrheit in der Schauspielkunst hielten. (man sprach noch von "Schauspieler-Persönlichkeiten")

Jetzt mögen andere "wahre" Schauspieler die Zuschauer begeistern und beeindrucken.
Rolf Boysen: klug und richtig
Ich erinnere mich, wie überaus klug und richtig Rolf Boysen in einem Interview über Theater und das Schauspielen(Schauspielkunst) sprach, und ich war doch ein wenig überrascht von seinem Wissen und seinem Schauspieler-Verstand . . .
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