Das Theater steht auf dem Prüfstand

17. Juni 2014. Auf der Website der Thüringer Allgemeinen (16.6.2014) schreibt Michael Helbling einen im Subtext sehr interessanten Artikel über den Versuch des Weimarer Intendanten Hasko Weber, mit dem Publikum eine Auseinandersetzung über die gerade zu Ende gehende erste Spielzeit unter seiner Ägide zu führen.

Die Zuschauer hätten einfach gar nicht reden wollen, schreibt Helbling. Anders als Weber und sein Ensemble. Nur 50 Menschen seien erschienen, um "kritisch auf die erste Spielzeit der Ära Weber zu schauen". Und diejenigen, die gekommen seien hätten, gar keinen Leidensdruck verspürt, offenbar. Mehr als ein paar Geschmacksurteile habe es aus dem Publikum nicht gegeben.

Wie wird die Zukunft sein

Bis Mitte Mai habe das Deutsche Nationaltheater Weimar "über 600 große und kleine Veranstaltungen aller Art" angeboten und damit etwa 110.000 Menschen erreicht. Warum nur so wenige, habe Weber wissen wollen, dem es offenbar beim Gedanken an die Zukunft blümerant geworden sei: "Wir überlegen angestrengt, was kann so ein Theater in Weimar in fünf bis zehn Jahren sein?" So wie jetzt werde es nicht zu halten sein. Das Theater stehe "auf dem Prüfstand", nicht nur in Weimar. Aber mehr als Kritik an der corporate identity des Hauses, an der Aussprache der Schauspieler, der Forderung nach "werkgetreuen" Aufführungen und einer Operette pro Spielzeit, sei vom Publikum nicht gekommen.

Versprechen auf Offenheit nicht gehalten?

Weber dagegen wisse, dass die nächste Generation mehr aufs Handy schaue als ins Buch. Klassische Literatur und klassische Musik interessiere die nicht. Damit müsse das Theater umgehen.

Indes habe das Publikum das Versprechen auf Offenheit, das das "allseits gelobte Theaterfest 2013" gegeben habe, als nicht eingelöst betrachtet. "Obwohl all unser Arbeiten darauf ausgerichtet ist", so die Chefdramaturgin Beate Seidel. Auch dieses Rätsel werde zu lösen sein.

(jnm)

Kommentare  
Presseschau Hasko Weber: einfache Rechnung
Wenn das Publikum die Offenheit nicht eingelöst sieht, obwohl alle Arbeit darauf ausgerichtet ist, dann muss es wohl an der Arbeit liegen - ziemlich einfache Rechnung!
Presseschau Hasko Weber: des Rätsels Lösung
Rätsel über Rätsel… . Wie wärs mit der Erklärung: war künstlerisch einfach eine sehr schlechte Saison. Faust, Mutti etc. Wen soll das interessieren. So kommen eben auch nur die 50 Rentner zum Spielzeitrückblick und fordern besser sprechende Schauspieler…
Presseschau Weimar: Veränderung kommt
Herr Weber hat mit einen Phänomen zu kämpfen, dass der leider verstorbene Frank Schirrmacher recht gut beschreiben konnte. Sicherlich werden die (ua. im Silicon Valley) in Bewegung gesetzten Technologien unser Leben bei weitem fundamentaler verändern, als wir uns das heute vorstellen können. Weimar und sein Theater gehören da hinzu.
Presseschau Weimar: ausgerechnet mehr "Werktreue"
ja, mehr " werkstreue" , ausgerechnet. Bei so einem Publikum bitte gleich das Theater schliessen. Hier muss doch mal das Subventionskarussell ausgeschaltet werden. Es ist lächerlich, wie krampfhaft versucht wird etwas zu erhalten, das aufgrund des Labels "WEIMAR" künstlich am Leben gehalten wird. (...)
Presseschau Weimar: Weimarer Theater keineswegs tot!
@ peschek: Werktreue, ja, das war/ist aber zumeist eine Forderung älterer Theaterbesucher, stimmt's? Werktreue im Sinne der Aufrechterhaltung der Weimarer Klassik: Goethe und Schiller. Aber es gibt in Weimar doch wohl auch eine junge Bürgergesellschaft. Wenn man da so durch die Straßen geht, sieht das jedenfalls ganz stark danach aus. Und die wollen sicher nicht alle nur die Weimarer Klassik reproduziert sehen. Ich habe in Weimar eine sehr gute Inszenierung gesehen: "Schuld und Sühne", inszeniert von Thomas Dannemann. Und in dieser Inszenierung wurde hinter den illusionären Spiegel der Weimarer Klassik geschaut. Was im Übrigen gut mit Dostojewskij zusammenging und auch die Systemfrage offen in den Raum stellte. Für mich war das Weimarer Theater da keineswegs tot. Und Sie schreiben es auch noch herbei. Na, das wird die Kürzungspolitiker aber freuen. Fragen Sie sich doch lieber auch mal, warum z.B. soviel Geld in die 500 Jahr-Feierlichkeiten zum Luther-Reformationsjubiläum auf der Wartburg gesteckt werden. Mich interessiert diese nostalgische Vergangenheitsbeschau nicht die Bohne. Es sei denn, es wirft dort mal wieder ein moderner Künstler ein Tintenfass gegen die Wand.
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